1.2.1 Rechtsgrundlage

Der Auflösungsvertrag (auch Aufhebungsvertrag) ist die wichtigste und für den Arbeitgeber im Verhältnis zur Kündigung meist risikoärmste Beendigungsform des Arbeitsverhältnisses. Wie jeder Vertrag kommt er gem. §§ 145ff. BGB durch Angebot und Annahme, zwei sich deckende Willenserklärungen, zustande. Er unterliegt nicht der strengen Kontrolle eines sachlichen Grunds wie ein befristeter Arbeitsvertrag, weil er die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht – wie die Befristung – bereits zum Inhalt des Arbeitsvertrags macht. Deshalb hat hier der Arbeitnehmer bei Vertragsschluss nicht – wie bei der Befristung – den Zwang, entweder die Beendigung gleich mitakzeptieren zu müssen oder die Stelle gar nicht zu bekommen.

Es gilt hier vielmehr das Prinzip der Freiwilligkeit: Jede Partei kann selbst Einfluss auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nehmen. Das rechtfertigt es, der Vertragsfreiheit (§§ 145, 241, 311 BGB) den Vorrang einzuräumen. Zwar kann es durchaus vorkommen, dass sich ein Arbeitnehmer beim Abschluss des Auflösungsvertrags in einer unterlegenen Situation befindet, weil Druck auf ihn ausgeübt wurde. Dennoch unterliegt der Auflösungsvertrag selbst grundsätzlich keinen rechtlichen Beschränkungen.

Es gilt eine Ausnahme, wenn der Auflösungsvertrag zur Gesetzesumgehung geschlossen wird. Dies ist z. B. dann der Fall, wenn bei einem Betriebsübergang nach § 613a BGB die betroffenen Arbeitnehmer dazu gebracht werden, mit dem alten Arbeitgeber Auflösungsverträge zu schließen, damit der Erwerber mit diesen Arbeitnehmern (neue) Arbeitsverträge zu ungünstigeren Bedingungen abschließen kann.[1]

Auflösungsverträge zählen bei der Ermittlung der Frage, ob anzeigepflichtige Entlassungen i. S. d. § 17 KSchG vorliegen, nach § 17 Abs. 1 Satz 2 KSchG mit, wenn sie zur Vermeidung betriebsbedingter Kündigungen abgeschlossen werden und auf diese Weise die Entlassung herbeigeführt wird.[2] Der Arbeitgeber muss also auch Auflösungsverträge im Zusammenhang mit einer Massenentlassung anzeigen.

[1] BAG, Urteil v. 28.4.1987, 3 AZR 75/86; vgl. "Auflösungsvertrag und Betriebsübergang".

1.2.2 Vorteile des Auflösungsvertrags

Die Vorteile eines Auflösungsvertrags liegen darin, dass

  • der Arbeitgeber frei entscheiden kann, wem er das Angebot zum Abschluss eines Auflösungsvertrags macht (was er bei Kündigungen so nicht kann, weil er z. B. bei einer betriebsbedingten Kündigung die Grundsätze der sozialen Auswahl zu beachten hat);
  • Kündigungsfristen nicht eingehalten werden müssen (was allerdings zu Nachteilen beim Arbeitslosengeld führen kann, § 143a SGB III);
  • der Kündigungsschutz (auch für besonders geschützte Personengruppen wie z. B. Schwangere: § 17 Abs. 1 Satz 1 MuSchG, oder Schwerbehinderte: § 168 SGB IX, oder langjährig Beschäftigte: § 34 Abs. 2 TVöD/TV-L) keine Anwendung findet – es wird ja keine Kündigung ausgesprochen;
  • behördliche Genehmigungen (z. B. § 17 Abs. 2 MuSchG; §§ 168 ff. SGB IX) nicht erforderlich sind, denn diese knüpfen ebenfalls an beabsichtigte Kündigungen an;
  • eine Betriebsratsanhörung nicht erforderlich ist (diese erfordert die Absicht einer Kündigung: § 102 BetrVG);
  • eine Schwerbehindertenvertretung nicht beteiligt werden muss;
  • Kündigungsrechtsstreitigkeiten, deren Ausgang ungewiss sein kann, erspart werden können und das damit verbundene durch lange Prozessdauer beträchtliche wirtschaftliche Risiko vermieden wird: vgl. § 615 BGB (Annahmeverzug);
  • auch andere Unsicherheiten über eventuelle Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis mit erledigt werden können (Abgeltungsklausel);
  • bei entsprechender Darstellung nach außen das Unternehmen durch eine "freiwillige Abfindungszahlung aus sozialen Gründen" nicht als "Ausbeuter" angefeindet und der entlassene Arbeitnehmer als "Opfer" bemitleidet werden kann, sondern sich als "echter Sozialpartner" darstellt;
  • der betroffene Arbeitnehmer die Möglichkeit hat, in seinem sozialen Umfeld den "Verzicht" auf den Arbeitsplatz auch zu rechtfertigen und somit nicht als "Versager" dasteht;
  • "unverdächtige" Beendigungstermine vereinbart werden können und die Gründe für die Beendigung zunächst offenbleiben können.

Besonders dann, wenn die Frage der Rechtmäßigkeit einer in Betracht kommenden Kündigung nicht eindeutig zu beantworten ist (z. B. bei unsicherer Beweislage), bietet sich an, über den Abschluss eines Auflösungsvertrags zu verhandeln.

Hat der Auflösungsvertrag das Arbeitsverhältnis beendet, enden damit auch die gegenseitigen Rechte und Pflichten. Wurde das Arbeitsverhältnis allerdings wegen einer Erkrankung des Arbeitnehmers beendet, werden dadurch Entgeltfortzahlungsansprüche innerhalb des 6-Wochen-Zeitraums nach § 8 EFZG nicht berührt.

Der Auflösungsvertrag kann für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung oder auch keine vorsehen, was allerdings weit seltener vorkommt. An Auflösungsverträge ohne Abfindung wird man in den Fällen denken können, in denen eine verhaltensbedingte ordentliche oder außerordentliche Kündigung zweifelsfrei berechtigt wäre und durch ein "Entgegenkomm...

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