Rz. 26

Unerheblich ist dagegen grundsätzlich, ob der Arbeitnehmer überhaupt eine Arbeitsleistung erbringt.[1] Das gilt sowohl für die Wartezeit als auch für das Kalenderjahr als Urlaubsjahr. Das erhellt ein Blick auf die Begrifflichkeit des "Erholungsurlaubs", wie ihn § 1 BUrlG verwendet. Richtig verstanden dient der Erholungsurlaub nicht der Erholung von konkret geleisteter Arbeit, sondern der "Erhaltung und Wiederauffrischung der Arbeitskraft."[2] Der Begriff des "Erholungs"urlaubs geht abstrakt von einem Erholungsbedürfnis des Arbeitnehmers bei Fälligkeit des Anspruchs aus, ohne dass dieses im konkreten Einzelfall nachgewiesen sein muss. Das BAG geht daher davon aus, dass der Zusatz "Erholung" in § 1 BUrlG nur den sozialpolitischen Zweck beschreibt.[3] Der Urlaubsanspruch ist demnach vom Gesetz auch grundsätzlich nicht an eine vorherige Arbeitsleistung geknüpft, sondern wird als gesetzlich bedingte soziale Mindestleistung des Arbeitgebers aufgefasst, der ebenso wie der Entgeltfortzahlungsanspruch im Krankheitsfall im gesetzlich geregelten Umfang unabdingbar und unentziehbar ist.

 
Hinweis

Der Inhalt des Urlaubs nach dem BUrlG ist die gesetzlich gesicherte Möglichkeit für einen Arbeitnehmer, die ihm eingeräumte Freizeit selbstbestimmt zur Erholung zu nutzen. Der Urlaubsanspruch eröffnet dem Arbeitnehmer in den Grenzen von § 8 BUrlG die freie Verfügbarkeit über seine Urlaubszeit.[4] Insofern mag der Begriff "Erholungsurlaub", wie er in § 1 BUrlG verwandt wird, irreführend sein: Tatsächlich setzt der Anspruch auf bezahlten Urlaub nach dem BUrlG nicht voraus, dass ein Arbeitnehmer objektiv erholungsbedürftig ist bzw. sich jedenfalls subjektiv erholungsbedürftig fühlt.[5]

 

Rz. 27

Ist der Arbeitnehmer das ganze Kalenderjahr krank[6], kann er dennoch im Folgejahr seinen Urlaubsanspruch, der im Vorjahr in vollem Umfang entstanden war, geltend machen, sofern er jetzt wieder gesund ist und deshalb den Urlaub auch tatsächlich antreten kann. Für diesen Fall ist die früher von der Rechtsprechung vorgenommene Beschränkung auf den Übertragungszeitraum des § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG[7] aufgrund des Urteils des EuGH vom 20.1.2009[8] sowie die nachfolgenden Urteile des BAG[9] hinfällig.[10] In unionsrechtskonformer Auslegung beträgt der Übertragungszeitraum nun 15 Monate.[11] Der Vollurlaubsanspruch wird auch nicht entsprechend der Fehlzeiten im jeweiligen Kalenderjahr gekürzt.

 
Hinweis

Die Rechtsprechungsänderung ist auch von Belang für den Anspruch auf Urlaubsgeld. Ist das Urlaubsgeld mit der Urlaubsregelung akzessorisch verknüpft[12], wird es nur geschuldet, wenn der Urlaub in Anspruch genommen worden ist und damit auch ein Anspruch auf Urlaubsvergütung besteht. Im Fall mehrjähriger Erkrankung besteht dann ein Auszahlungsanspruch erst, wenn das Arbeitsverhältnis beendet ist und der Arbeitgeber das Urlaubsgeld als Bestandteil des Urlaubsabgeltungsanspruchs des Arbeitnehmers gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG zu zahlen hat oder wenn dem Arbeitnehmer tatsächlich im fortbestehenden Arbeitsverhältnis Urlaub gewährt wird. Das setzt voraus, dass er wieder arbeitsfähig ist.[13]

 

Rz. 28

Volle oder teilweise Erwerbsminderung ist nicht gleichbedeutend mit Arbeitsunfähigkeit.[14]

Voll erwerbsgemindert sind Versicherte nach § 43 Abs. 2 SGB VI, wenn sie wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise Erwerbsminderung ist nach § 43 Abs. 1 SGB VI gegeben, wenn der Versicherte wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit nur noch zwischen 3 bis unter 6 Stunden täglich im Rahmen einer 5-Tage-Woche unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts erwerbstätig sein kann. Maßstab für die Feststellung des Leistungsvermögens ist damit die Erwerbsfähigkeit des Versicherten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.

Dagegen liegt "Arbeitsunfähigkeit" vor, wenn der Arbeitnehmer aufgrund von Krankheit seine ausgeübte Tätigkeit nicht mehr oder nur unter der Gefahr der Verschlimmerung der Erkrankung ausführen kann. Maßstab hierfür ist der Arbeitsplatz des Arbeitnehmers und damit Art und Umfang der geschuldeten Arbeitsleistung.[15]

Es ist deshalb allein aufgrund der Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung nicht ausgeschlossen, dass der Arbeitnehmer zumindest für die Dauer des Urlaubs noch eine ihm aus dem Arbeitsverhältnis obliegende Arbeitsleistung erbringen kann.[16] Dies ist folgerichtig, wenn berücksichtigt wird, dass auch eine allein auf dem Erwerbsunfähigkeitsbescheid beruhende Kündigung aus personenbedingten Gründen nur dann als sozial gerechtfertigt i. S. d. § 1 Abs. 2 KSchG anzusehen ist, wenn gleichzeitig feststeht, dass der Arbeitnehmer nicht mehr in der Lage ist, seine bisherige Tätigkeit bzw. eine solche, die seinen gesundheitlichen Einschränkungen gerecht wird, auszuüben. Die Frage, ob der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis durch Kündigung zur Auflösung bringen kann, ist kündigungsrechtlich und ...

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