Das 3. Merkmal des Grundbegriffs der Überstunde stellt gegenüber BAT und BMT-G eine deutliche Ausweitung der Arbeitszeitflexibilität für den Arbeitgeber dar: Jede Arbeitsstunde, die über die für die Woche festgesetzten Arbeitsstunden hinausgeht, kann noch bis zum Ende der folgenden Kalenderwoche ausgeglichen werden. Erfolgt der Ausgleich, so liegt keine Überstunde und damit keine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Leistung von Zeitzuschlägen vor. Der Zeitraum, innerhalb dessen der Ausgleich erfolgen kann, beginnt mit dem Beginn des Tages, der auf den Tag folgt, an dem die angeordnete Überstunde geleistet wurde, § 187 Abs. 1 BGB. Die Frist endet jedoch mit Ablauf der nächsten Kalenderwoche, nicht mit Ablauf von 2 Wochen.

 
Praxis-Beispiel

Der Arbeitgeber in dem unter 2.3.2 dargestellten Saisonbetrieb ordnet in einer in der Saison liegenden Woche für den Donnerstag zwei zusätzliche, also 48 Arbeitsstunden an. Hier kann der Arbeitgeber bis zum Ende der folgenden Kalenderwoche (Sonntag 24 Uhr) die 2 Arbeitsstunden wieder ausgleichen, indem er die für diese zweite Woche festgesetzten Arbeitsstunden um 2 Arbeitsstunden reduziert. Es fallen keine Überstundenzuschläge an.

 
Wichtig

Diese Ausgleichsmöglichkeit setzt in der Praxis voraus, dass die jeweilige Überstunde erfasst und der Zeitpunkt bestimmt wird, bis zu dem ein Ausgleich möglich ist. Die Erfassung kann in einem einfachen System erfolgen und setzt nicht notwendig ein Arbeitszeitkonto, erst recht keins i. S. d. § 10 TVöD voraus. Gegenüber dem BAT bedeutet die Notwendigkeit einer Erfassung keine zusätzliche Erschwernis für den Arbeitgeber. Auch hier musste die Entstehung einer Überstunde erfasst werden, um zu prüfen, ob deren Ausgleich bis zum Ende derselben Woche erfolgt war.

Gegenüber dem BMT-G oder dem MTArb ist die Ausweitung der Flexibilität besonders deutlich, da hier der tägliche Überstundenbegriff galt. Überstunden fielen bereits an, wenn die für den Tag festgesetzte Arbeitszeit auf Anordnung überschritten wurde.

Auch gegenüber dem BAT ist die Flexibilität deutlich verbessert worden. Erstmals ist die Verhinderung von Überstundenzuschlägen bei solchen angeordneten Arbeitsstunden, die am Ende einer Woche liegen, überhaupt möglich. Bisher konnte ein Ausgleich nämlich nur innerhalb derselben Woche erfolgen, in der die zusätzliche Arbeitsstunde angeordnet worden war. Am Ende einer Woche angeordnete Arbeitsstunden können nach § 6 Abs. 7 TVöD noch zuschlagsfrei angeordnet werden, wenn sie bis zum Ende der folgenden Kalenderwoche ausgeglichen werden. Für solche Arbeitsstunden, die am Anfang einer Kalenderwoche angeordnet werden, besteht ein Ausgleichszeitraum von 2 Wochen, in welchem der Ausgleich erfolgen kann.

Das 3. Merkmal des Grundbegriffs der Überstunde ist für die Erhöhung der Arbeitszeitflexibilität und damit der Arbeitsproduktivität deswegen besonders wichtig, weil die Regelung keine Dienst- oder Betriebsvereinbarung voraussetzt und damit jedem Arbeitgeber unmittelbar zugute kommt.

Die Regelung war möglich geworden, weil eine starre Arbeitszeit und eine "Bestrafung" der Arbeitgeber durch Überstundenzuschläge auch für den früheren Arbeiterbereich nicht mehr zeitgemäß erschienen. Eine weitere Flexibilisierung, etwa in Form einer sog. "echten Jahresarbeitszeit", ist nicht vereinbart worden – dafür aber die beiden konkreten Arbeitszeitmodelle der täglichen Rahmenzeit und des wöchentlichen Arbeitszeitkorridors, die weitere Flexibilität schaffen.

 
Wichtig

Beteiligt sich ein bei einer Gemeinde angestellter Arbeitnehmer an einem eintägigen Warnstreik und arbeitet an den anderen Arbeitstagen der Woche länger als im Dienstplan vorgesehen, steht ihm ein Überstundenzuschlag nur unter den Voraussetzungen von § 8 Abs. 1 Satz 2a i. V. m. § 7 Abs. 7 TVöD zu. D.h., die erbrachten Arbeitsstunden müssen u. a. über die im Rahmen der regelmäßigen Arbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten für die Woche dienstplanmäßig bzw. betriebsüblich festgesetzten Arbeitsstunden hinausgehen. Die am Streiktag ausgefallene Arbeitszeit ist dabei den tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden weder fiktiv hinzuzurechnen, noch ist die Wochenarbeitszeit um die durch den Streik ausgefallene Arbeitszeit zu reduzieren.[1]

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