BAG, Urteil v. 30.10.2019, 6 AZR 465/18

Zwar erfasst die arbeitsvertragliche Inbezugnahme einer kirchlichen Arbeitsrechtsregelung auch eine darin enthaltene Ausschlussfrist. Die bloße Inbezugnahme der Arbeitsrechtsregelung als solche reicht jedoch für den erforderlichen Nachweis nicht, da die Ausschlussfrist eine wesentliche Arbeitsbedingung i. S. v. § 2 Abs. 1 Satz 1 NachwG darstellt.

Sachverhalt

Der Arbeitsvertrag des Klägers, der als Küster und Reinigungskraft bei der Beklagten, einer Kirchengemeinde, beschäftigt war, nahm die Kirchliche Arbeits- und Vergütungsordnung (KAVO) in Bezug. Diese sieht in § 57 eine 6-monatige einstufige Ausschlussfrist vor. Aufgrund einer vom Kläger geltend gemachten angeblichen fehlerhaften Eingruppierung machte er Differenzvergütungsansprüche geltend. Da dieser Anspruch von der Beklagten unter Hinweis auf die Ausschlussfrist verweigert wurde, erhob der Kläger Klage. Er stellte zum einen die Wirksamkeit der Fristenregelung in Abrede und verlangte hilfsweise Schadensersatz, da die Beklagte ihm die Ausschlussfrist nicht hinreichend nachgewiesen habe.

Die Entscheidung

Die Klage wurde vom LAG abgewiesen. Das BAG hob das Urteil auf und verwies die Sache an das LAG zurück.

In seiner Begründung führte das BAG aus, dass die kirchenrechtlich vorgeschriebene arbeitsvertragliche Inbezugnahme einer kirchlichen Arbeitsrechtsregelung inhaltlich zwar auch eine darin enthaltene Ausschlussfrist erfasse, die damit zum Bestandteil des Arbeitsverhältnisses werde. Die Ausschlussfrist sei jedoch eine wesentliche Arbeitsbedingung i. S. v. § 2 Abs. 1 Satz 1 NachwG; deshalb reiche die bloße Inbezugnahme der Arbeitsrechtsregelung als solche für den danach erforderlichen Nachweis nicht aus. Auch sei, so das Gericht, ein sog. qualifizierter Nachweis nach § 2 Abs. 3 Satz 1 NachwG, wonach sich die Ausschlussfrist nach der kirchlichen Arbeitsrechtsregelung richte, nicht aus, da der abschließende Katalog dieser Bestimmung Ausschlussfristen nicht erfasse. Weise somit der kirchliche Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Ausschlussfrist nicht im Volltext nach, könne der Arbeitnehmer ggf. im Wege des Schadensersatzes verlangen, so gestellt zu werden, als ob er die Frist nicht versäumt hätte.

Zwar wäre ein etwaiger Erfüllungsanspruch auf die Differenzvergütung verfallen, da die Inbezugnahme der KAVO auch deren Ausschlussfrist erfasse; und diese ordne wirksam den Verfall von Entgeltansprüchen an, die den gesetzlichen Mindestlohn übersteigen. Jedoch könne, so das Gericht weiter, dem Kläger ein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung des Nachweisgesetzes zustehen; denn bei kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen handele es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen, welche als "ähnliche Regelungen" nach dem Willen des Gesetzgebers nur im Anwendungsbereich des § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 bis 9 und § 2 Abs. 2 Nr. 2 und 3 sowie gem. § 3 Satz 2 NachwG bei Änderungen der kirchlichen Regelungen erleichterten Nachweismöglichkeiten unterliegen sollen. Der Nachweis der Ausschlussfrist bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses werde jedoch von diesen Erleichterungen nicht erfasst.

Da das BAG mangels ausreichender Feststellungen nicht abschließend entscheiden konnte, ob dem Kläger die begehrte Eingruppierung zustehe, wurde die Sache an das LAG zurückverwiesen.

Anmerkung:

Dieses Urteil ist nicht unmittelbar auf den TVöD/TV-L übertragbar; denn auch soweit der Tarifvertrag mangels beidseitiger Tarifgebundenheit der Arbeitsvertragsparteien (nur) kraft arbeitsvertraglicher Inbezugnahme Anwendung findet, fallen die Vorschriften – da es sich im Gegensatz der AVR um tarifliche Regelungen handelt – nicht unter die AGB-Kontrolle. Anders dürfte dies bei bloßen TVöD/TV-L Anwendern sein, die nur teilweise den TVöD/TV-L in Bezug nehmen bzw. anwenden (s. hierzu Beitrag "Anwender des TVöD/TV-L" bzw. "Arbeitsvertrag").

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