Das Bundesarbeitsgericht hat in seiner "Busfahrer-Entscheidung"[213a] erstmals entschieden, dass sich ein Arbeitgeber gegen einen Streik auch mit einer suspendierenden Stilllegung seines Betriebs wehren kann. Mit einer solchen Entscheidung beugt sich der Arbeitgeber einem Streik und legt den Betrieb still. Als Folge dieser Betriebsstilllegung werden auch die Hauptleistungspflichten der nicht streikenden Arbeitnehmer suspendiert, sodass diese für die Zeit der erklärten Stilllegung keinen Vergütungsanspruch haben.

 

Wichtig

Die Betriebsstilllegung muss sich auf den zeitlichen und räumlichen Rahmen der gewerkschaftlichen Streikmaßnahme beschränken, d. h. der Arbeitgeber kann seine betriebliche Tätigkeit nur im Umfang und für die Dauer der Streikmaßnahme einstellen. Bei darüber hinausgehenden Maßnahmen würde es sich um arbeitgeberseitige Kampfmittel handeln. Die suspendierende Stilllegung bedarf zudem einer Erklärung des Arbeitgebers, die aber auch durch schlüssiges Handeln abgegeben werden kann, die bloße Betriebseinstellung reicht also nicht aus.

Die Entscheidung über die Stilllegung des Betriebs oder Betriebsteils (Strategie des Duldens) beruht auf einer unternehmerischen Entscheidung hinsichtlich deren Zweckmäßigkeit. Ein Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, gegenüber einem Streik Widerstand zu leisten, auch dann nicht, wenn ihm die teilweise Aufrechterhaltung des Betriebs technisch möglich und wirtschaftlich zumutbar wäre. Die Gründe, die den Arbeitgeber veranlassten, den Betrieb insgesamt oder teilweise aufgrund des Streiks stillzulegen, werden gerichtlich nicht überprüft. Die Weiterbeschäftigung der Beamten steht einer Stilllegung nicht entgegen.[2] Die nicht streikenden Arbeitnehmer haben keinen Anspruch auf weitere Beschäftigung, da es die Entscheidung des Arbeitgebers ist, sich dem Streik zu beugen und den Betrieb stillzulegen, mit dieser Entscheidung vollzieht der Arbeitgeber nur, was die streikende Gewerkschaft anstrebt. Der Arbeitgeber benötigt für eine suspendierende Stilllegung nicht die Zustimmung des angehörenden Arbeitgeberverbands, wie sie bei einer Aussperrung notwendig wäre.[3]

Für eine suspendierende Betriebsstilllegung muss die betriebliche Tätigkeit des Arbeitgebers eingestellt werden und darf auch nicht von einem Drittunternehmen im Auftrag des be­streikten Arbeitgebers durchgeführt werden. Die Beauftragung eines Dritten (etwa zur Aufrechterhaltung eines Ersatzverkehrs bei einem Arbeitskampf im öffentlichen Personennahverkehr) wäre eine Fremdvergabe der betrieblichen Arbeiten, die die Aufrechterhaltung der vom Unternehmen verfolgten Geschäftstätigkeit zum Ziel hat. Mit der Fremdvergabe macht der Arbeitgeber deutlich, dass er sich gerade nicht dem Streik beugt und den Betrieb stilllegt. Daher steht die Beauftragung eines Dritten der Annahme einer suspendierenden Stilllegung nur dann nicht entgegen, wenn es sich bei den auf einen Dritten übertragenen Tätigkeiten um Erhaltungs- oder Notstandsarbeiten handelt.[4]

Im Fall einer suspendierenden Betriebsstilllegung muss der Arbeitgeber eine entsprechende Erklärung an die Arbeitnehmer richten, deren Arbeitsverhältnis dadurch suspendiert werden wird. Dies muss in einer Form geschehen, die es nach dem gewöhnlichen Verlauf erwarten lässt, dass die von der Stilllegung betroffenen Beschäftigen Kenntnis erlangen. Dabei kann der Arbeitgeber davon ausgehen, dass sich seine Stilllegungsabsicht unter den Beschäftigten des Betriebs herumspricht. Eine individuelle Unterrichtung aller betriebsangehörigen Beschäftigten ist nicht notwendig – bei einer solchen Informationspflicht wäre eine suspendierende Betriebsstilllegung als Arbeitskampfmittel ungeeignet.[5]

 

Beispiel

Wird ein Kindergarten bestreikt und für einige Kinder ein Notdienst eingerichtet, so haben arbeitswillige Arbeitnehmer, die nicht für den Notdienst eingeteilt wurden, keinen Vergütungsanspruch, wenn der Arbeitgeber den Betrieb im Übrigen stillgelegt hat.[6]

Weist der Arbeitgeber im Fall eines Streiks die arbeitswilligen Arbeitnehmer an, täglich vor Dienstbeginn zu erscheinen und sich in Listen einzutragen, sind damit nur die Arbeitsverhältnisse der Streikenden suspendiert. Die Arbeitswilligen haben einen Vergütungsanspruch, sofern dem Arbeitgeber die Beschäftigung möglich und zumutbar ist. Das Eintragungsverlangen spricht für ein Aufrechterhalten des Betriebs. Der Arbeitgeber lässt sich die Möglichkeit offen, die Arbeitsleistung jederzeit in Anspruch zu nehmen.[7]

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