Aufgrund der wenig geglückten Fassung des § 2 Abs. 4 AGG war zunächst das Verhältnis von KSchG zum AGG unklar; denn nach § 2 Abs. 4 AGG sollen bei Kündigungen ausschließlich die Regelungen des allgemeinen und besonderen Kündigungsschutzes gelten. Da diese Regelung einen durch die Richtlinie eindeutig erfassten Bereich aus dem Anwendungsbereich des AGG ausgrenzt, stellte sich die Frage, ob § 2 Abs. 4 AGG europarechtskonform ist. In Anlehnung an das BAG[1] hat auch das LAG Düsseldorf insoweit entschieden, dass dies der Fall ist. Diskriminierungsschutz kann im geltenden nationalen Recht durch eine europarechtskonforme Auslegung des Kündigungsschutzgesetzes sowie der §§ 138 und 242 BGB erreicht werden.[2] Nach a. A. ist § 2 Abs. 4 AGG europarechtswidrig, für Kündigungen findet das AGG somit volle Geltung.[3]

Das BAG hat nunmehr zutreffend klargestellt, dass die Diskriminierungsverbote des AGG auch im Rahmen des Kündigungsschutzes nach dem Kündigungsschutzgesetz Anwendung finden. Die Diskriminierungsverbote des AGG – einschließlich der ebenfalls im AGG vorgesehenen Rechtfertigungen für unterschiedliche Behandlungen – sind bei der Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe des Kündigungsschutzgesetzes in der Weise zu beachten, dass sie Konkretisierungen des Begriffs der Sozialwidrigkeit darstellen. Verstößt eine Kündigung gegen ein Diskriminierungsverbot, kann dies zur Sozialwidrigkeit und damit zur Unwirksamkeit der Kündigung führen.[4] Die Vorschrift will Kohärenz herstellen zwischen dem Antidiskriminierungsrecht des AGG einerseits und dem mit dem AGG auf der gleichen gesetzeshierarchischen Ebene stehenden Kündigungsrecht andererseits. Die Unwirksamkeit diskriminierender Kündigungen ist danach ausschließlich im Rahmen einer Kündigungsschutzklage geltend zu machen. Die Diskriminierungsverbote kommen nicht daneben als eigenständige Unwirksamkeitsnormen in Betracht.[5]

Insoweit kann eine gegen § 17 MuSchG verstoßende Kündigung eine Benachteiligung darstellen und einen Anspruch auf Entschädigung auslösen; denn die Missachtung besonderer Schutzvorschriften des MuSchG indiziert eine Benachteiligung wegen Schwangerschaft.[6] Allerdings nur, soweit der Arbeitgeber im Zeitpunkt der Kündigung von der Schwangerschaft Kenntnis hatte. Eine Kündigung einer schwangeren Arbeitnehmerin ist dagegen unabhängig von ihrer Unwirksamkeit gem. § 17 Abs. 1 MuSchG nicht diskriminierend, wenn der Arbeitgeber bei Ausspruch der Kündigung hiervon nichts wusste, da in diesem Fall die geschlechtsspezifische, nur Frauen betreffende Tatsache einer Schwangerschaft keine Rolle gespielt haben kann. Auch wenn der Arbeitgeber nach Ausspruch der Kündigung Kenntnis von der Schwangerschaft erlangt, so kann er dennoch an der Kündigung festhalten, ohne dass dies eine Benachteiligung wegen des Geschlechts darstellt, denn die Rücknahme der Kündigung ist rechtstechnisch nicht möglich.[7]

Dasselbe gilt für Fälle, in denen eine Mitarbeiterin hauptsächlich aus dem Grunde gekündigt wurde, weil sie sich einer Behandlung zur In-vitro-Fertilisation (künstlicher Befruchtung) unterzogen hatte.[8] Auch hierin liegt sowohl eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts wie auch ein Verstoß gegen § 17 MuSchG.

Des Weiteren kann auch der Verstoß des Arbeitgebers gegen Vorschriften, die Verfahrens- und/oder Förderpflichten zugunsten schwerbehinderter Menschen enthalten, die Vermutung begründen, dass die Benachteiligung, die der schwerbehinderte Mensch erfahren hat, wegen der Schwerbehinderung erfolgte. Zu diesen Vorschriften gehört auch, dass die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen durch den Arbeitgeber der vorherigen Zustimmung des Integrationsamts bedarf.[9]

Kündigungen sollten zudem nur auf Gründe gestützt werden, die mit dem AGG in Einklang stehen. Es ist damit zu rechnen, dass künftig in Kündigungsschutzprozessen vermehrt angebliche Benachteiligungen/Diskriminierungen behauptet werden, und sei es lediglich, um die Ausgangsposition in einem eventuellen "Abfindungspoker" zu verbessern.[10] Der Arbeitgeber ist deshalb gut beraten, künftig die Kündigungsgründe noch sorgfältiger zu dokumentieren, um in einem Prozess ggf. in der Lage zu sein, den ihm nach der Beweislastverteilung (§ 22 AGG) obliegenden Nachweis zu führen (vgl. oben Ziff. 3.2).

Die Frage, ob die Kündigungsfristen in § 622 Abs. 2 BGB gegen das AGG bzw. EU-Recht verstoßen, hat das BAG in seinem Urteil vom 18.9.2014 entschieden.[11] Danach ist die Staffelung der Fristen nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit rechtmäßig. Selbst wenn die Staffelung regelmäßig zur Folge hat, dass für jüngere Arbeitnehmer kürzere Fristen gelten als für ältere Arbeitnehmer, ist diese Ungleichbehandlung gerechtfertigt; denn mit zunehmender Dauer des Arbeitsverhältnisses werden die Bindungen an den Arbeitgeber bzw. Arbeitsort längerfristiger und intensiver; Sinn und Zweck der Regelung des § 622 Abs. 2 BGB ist, diesem Umstand Rechnung zu tragen und die Mitarbeiter zu schützen. Auch eine evtl. mittelbar...

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