4.6.1 Diskriminierung und Arbeitsentgelt

Nach § 8 Abs. 2 AGG wird die Vereinbarung einer geringeren Vergütung für gleiche oder gleichwertige Arbeit wegen eines der im Gesetz genannten Diskriminierungsgründe nicht dadurch gerechtfertigt, dass wegen einem dieser Gründe besondere Schutzvorschriften gelten.

Damit wird die bisherige Vorschrift des § 612 Abs. 3 a. F. BGB über das Geschlecht hinaus auf alle im Gesetz genannten Gründe erstreckt. Der deutsche Gesetzgeber hat damit mehr getan als europarechtlich geboten. Art. 141 Abs. 1 EG gebietet allein die Gleichbehandlung von Männern und Frauen. Das Gesetz geht über den Kontext der Geschlechtsdiskriminierung hinaus und schafft eine Norm, die große praktische Schwierigkeiten bereitet. Weder in Art. 141 EG noch in der Richtlinie 75/117/EWG sind Anhaltspunkte für die Bestimmung gleichwertiger Arbeit erkennbar.[1] Insbesondere eine Ausweitung des Konzepts gleichwertiger Arbeit auf andere Unterscheidungsmerkmale als das Geschlecht erscheint sinnwidrig. Dieses wurde geschaffen, um der geringeren Entlohnung von typischen "Frauenberufen" entgegenzuwirken, die nach Ausbildungsstand, Anforderungen und Ertrag anderen Tätigkeiten, die typischerweise von männlichen Arbeitnehmern wahrgenommen werden, gleichzuordnen sind. Dies lässt sich auf andere Diskriminierungsmerkmale nicht übertragen, da es keine typischen "Katholikenberufe", "Homosexuellenberufe" oder "Seniorenberufe" gibt.[2]

Nach deutschem Recht besteht in Fragen der Vergütung bisher grundsätzlich Vertragsfreiheit. Der Grundsatz "gleicher Lohn für gleiche Arbeit" ist keine allgemein gültige Anspruchsgrundlage, sodass Vergütungsfragen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer in den Grenzen des Lohnwuchers (§ 138 BGB) und der tariflichen Mindestentgelte bei tarifgebundenen Arbeitnehmern frei ausgehandelt werden können.

Allerdings gilt nach ständiger Rechtsprechung des BAG im Arbeitsrecht der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz. Dieser gebietet dem Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer oder Gruppen seiner Arbeitnehmer, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei Anwendung einer selbst gegebenen Regelung gleich zu behandeln. Er verbietet nicht nur die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe, sondern auch eine sachfremde Gruppenbildung.[3]

Im Bereich der Vergütung, also der Hauptleistungspflicht des Arbeitgebers, ist der Gleichbehandlungsgrundsatz trotz des Vorrangs der Vertragsfreiheit anwendbar,

Zitat

wenn der Arbeitgeber die Leistung nach einem allgemeinen Prinzip gewährt, indem er bestimmte Voraussetzungen oder Zwecke festlegt. Allein die Begünstigung einzelner Arbeitnehmer erlaubt allerdings noch nicht den Schluss, diese Arbeitnehmer bildeten eine Gruppe. Eine Gruppenbildung liegt vielmehr nur dann vor, wenn die Besserstellung nach einem oder mehreren Kriterien vorgenommen wird, die bei allen Begünstigten vorliegen.[4]

 

Beachten Sie:

Der Gleichbehandlungsgrundsatz kommt deshalb nicht zur Anwendung, wenn es sich um individuell vereinbarte Löhne und Gehälter handelt. Das Gebot der Gleichbehandlung greift jedoch immer dann ein, wenn der Arbeitgeber Leistungen nach einem erkennbar generalisierenden Prinzip aufgrund einer abstrakten Regelung gewährt. Von einer solchen Regelung darf er Arbeitnehmer nur aus sachlichen Gründen ausschließen.[5]

Erfolgt die Besserstellung einzelner Arbeitnehmer unabhängig von abstrakten Differenzierungsmerkmalen in Einzelfällen, können sich andere Arbeitnehmer hierauf zur Begründung gleichartiger Ansprüche nicht berufen.[6] Es fehlt der notwendige kollektive Bezug als Anknüpfungspunkt dafür, einer Ungleichbehandlung entgegenzuwirken. Denn der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet nur die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer aus sachfremden Gründen gegenüber anderen in vergleichbarer Lage befindlichen Arbeitnehmern, er verhindert jedoch nicht die Begünstigung einzelner Arbeitnehmer.

Lohndifferenzierungen sind auch weiterhin möglich, allerdings beschränkt durch die u. a. im AGG normierten Benachteiligungsverbote.

Im Geltungsbereich des BAT stellte sich die Frage, inwieweit die Lebensaltersstufen nach dem Inkrafttreten des AGG noch rechtmäßig sind. Hierzu hat das LAG Berlin-Brandenburg festgestellt[7], dass diese Regelung eine unzulässige Altersdiskriminierung darstelle.[8] Dieses Urteil hätte erhebliche praktische Auswirkungen. Soweit somit bei der Bemessung des Entgelts noch immer auf das Lebensalter abgestellt wird, sollte dies unverzüglich geändert werden! Denkbare Alternativen dazu wären, entweder auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit bzw. die Berufsjahre abzustellen.

Das BAG hat auf die Revision hin diese Fragestellung noch nicht entschieden, sondern vielmehr dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt.[9] Einem weiteren Vorlagebeschluss[10] vom gleichen Tage liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die im Oktober 1962 geborene Klägerin ist seit dem 1.2.2004 als Bauingenieurin bei einer obersten Bundesbehörde beschäftigt. Nach ihrer Überleitung in den TVöD wurde sie am 1.10.2007 der regulären S...

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