Nach § 17 Abs. 2 AGG können unter der Überschrift "Soziale Verantwortung der Beteiligten" der Betriebsrat und eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft in Fällen grober Verstöße gegen die Verpflichtungen aus dem arbeitsrechtlichen Teil des AGG klagen. Das ist nichts wirklich Neues. Auch bisher wurde vertreten, dass der Betriebsrat bei Verstößen des Arbeitgebers gegen das betriebsverfassungsrechtliche Diskriminierungsverbot des § 75 BetrVG gegen den Arbeitgeber gerichtlich vorgehen kann.[1] Der Betriebsrat oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft (d. h. dass mindestens ein Arbeitnehmer des Betriebs Mitglied dieser Gewerkschaft sein muss) sind befugt, bei groben Verstößen gegen die arbeitsrechtlichen Vorschriften des AGG beim Arbeitsgericht ein Verfahren anhängig zu machen mit den Ziel, den Arbeitgeber entweder zur Unterlassung bestimmter Handlungen oder Vornahme bestimmter Handlungen zu verpflichten.[2]

 

Beispiele

Der Betriebsrat verlangt die Einstellung eines abgelehnten Bewerbers, weil dessen Ablehnung unter Verstoß gegen § 7 i. V. m. § 1 AGG erfolgt sei.

Der Betriebsrat verlangt die Unterlassung einer Versetzung, weil diese allein wegen der Behinderung des Arbeitnehmers erfolge.

Der Betriebsrat verlangt den Verzicht auf eine Kündigung, weil diese diskriminierend sei.

Auf diese Weise kann der Betriebsrat mit gerichtlicher Hilfe Maßnahmen erzwingen, die ihm betriebsverfassungsrechtlich verwehrt sind, z. B. die Vornahme einer bestimmten Einstellung oder die Unterlassung einer Kündigung.

Voraussetzung ist aber immer, dass es sich um einen groben Verstoß des Arbeitgebers gegen seine Verpflichtungen handelt. Der liegt dann vor, wenn für einen besonnenen Arbeitgeber ohne Weiteres erkennbar ist, dass es sich um eine diskriminierende Maßnahme handelt.

Eine Pflichtverletzung ist grob, wenn sie objektiv erheblich und offensichtlich schwerwiegend ist.[3] Offensichtlich schwerwiegend ist sie dann, wenn für einen fachkundigen Betrachter ohne Weiteres der Verstoß auf den ersten Blick erkennbar ist. Die Pflichtverletzung muss bereits begangen sein. Es reicht nicht, dass sie lediglich droht.[4] Ein Verschulden des Arbeitgebers ist nicht erforderlich. Der Unterlassungsanspruch aus Abs. 3 setzt keine Wiederholungsgefahr voraus.[5]

Der Anspruch nach § 17 AGG setzt keinen kollektivrechtlichen Bezug voraus, für den der Wortlaut keine Anhaltspunkte bietet.

Dieser Rechtsstreit ist im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren nach § 2a ArbGG durchzuführen. Die Kosten des Verfahrens selbst trägt die Staatskasse, die möglichen Rechtsanwaltskosten des Betriebsrats nach § 40 BetrVG der Arbeitgeber (auch wenn er den Rechtsstreit gewinnt). Verstößt der Arbeitgeber gegen die ihm vom Gericht auferlegten Verpflichtungen, kann er auf Antrag des Betriebsrats bzw. der antragstellenden Gewerkschaft durch Ordnungs- bzw. Zwangsgeld hierzu angehalten werden. Während bei betriebsverfassungsrechtlichen Streitigkeiten das Ordnungs- und Zwangsgeld auf 10.000 EUR limitiert sind, ist diese Begrenzung bei Verstößen gegen das AGG nicht vorgesehen.

Für den Bereich des Personalvertretungsrechts ist keine entsprechende Regelung getroffen worden. Offenbar geht der Gesetzgeber (irrigerweise) davon aus, dass in den öffentlich-rechtlichen Körperschaften Benachteiligungen der hier in Rede stehenden Art ausgeschlossen sind.

[1] LAG Bremen, Urteil v. 19.11.1991, AiB 1986 S. 191f.; LAG Köln, Urteil v. 19.12.1988, AiB 1989 S. 163 f.
[2] Näher Klumpp NZA 2006 S. 904 ff.
[3] BAG, Urteil v. 23.6.1992, AP Nr. 20 zu § 23 BetrVG 1972.
[4] BAG, Beschluss v. 27.11.1973, 1 ABR 11/73, AP Nr. 4 zu § 40 BetrVG 1972; BAG, Beschluss v. 18.4.1985, 6 ABR 19/84, AP Nr. 5 zu § 23 BetrVG 1972.
[5] BAG, Urteil v. 18.4.1985 ebd.

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