Die nähere Bestimmung dieses Merkmals wird anhand der Rechtsprechung zu Art. 4 GG zu treffen sein. Allein die Behauptung und das Selbstverständnis, eine Gemeinschaft bekenne sich zu einer Religion und sei eine Religionsgemeinschaft, kann für diese und ihre Mitglieder die Berufung auf die Freiheitsgewährung des Art. 4 Abs. 1 GG nicht rechtfertigen; vielmehr muss es sich auch nach geistigem Gehalt und äußerem Erscheinungsbild um eine Religionsgemeinschaft handeln. Unter Religion oder Weltanschauung ist eine mit der Person des Menschen verbundene Gewissheit über bestimmte Aussagen zum Weltganzen sowie zur Herkunft und zum Ziel des menschlichen Lebens zu verstehen. Dabei legt die Religion eine den Menschen überschreitende und umgreifende (transzendente) Wirklichkeit zugrunde, während sich die Weltanschauung (als gerade nicht bloße politische Anschauung) auf innerweltliche (immanente) Bezüge beschränkt.

Scientology gilt hierzulande anders als in den USA nicht als anerkannte Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft.[1]

Beispielsweise würde es einen Verstoß gegen die grundgesetzlich garantierte Religionsfreiheit und gegen das Diskriminierungsverbot darstellen, wenn aufgrund des Tragens eines Kopftuchs aus religiösen Gründen die Einstellung als Beamtin in den allgemeinen Verwaltungsdienst untersagt werden würde; denn anders als bei einer Lehrerin im Schuldienst stellt hier das Tragen eines Kopftuchs kein Hindernis dar.[2]

Allerdings hat zur Frage des Tragens eines Kopftuchs an Schulen das BVerfG[3] zu §§ 57 Abs. 4 Satz 1, 58 Satz 2 SchulG NW entschieden, dass ein pauschales Kopftuchverbot für muslimische Lehrerinnen an öffentlichen Schulen gegen deren Glaubens- und Bekenntnisfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG verstößt und demgemäß verfassungswidrig ist. Hintergrund war, dass in dieser Regelung eine gleichheitswidrige Privilegierung zugunsten christlich-abendländischer Bildungs- und Kulturwerte oder Traditionen vorgesehen war. Im Hinblick auf diese Entscheidung des BVerfG entschied auch das LAG Berlin-Brandenburg[4] in einem vergleichbaren Fall, in welchem eine Bewerbung auf eine Stelle als Grundschullehrerin beim Land Berlin abgelehnt wurde, weil die Bewerberin ein muslimisches Kopftuch trug. Nach Ansicht des Gerichts haben auch in Berlin Bewerberinnen um eine Lehrerstelle Anspruch auf eine Entschädigung, wenn ihre Bewerbung wegen Tragens eines muslimischen Kopftuchs abgelehnt wird. Denn das Kopftuchverbot in § 2 des Berliner Neutralitätsgesetzes müsse ebenfalls einschränkend ausgelegt werden, dass es nicht generell, sondern nur beim Vorliegen einer konkreten Gefährdung gelte.

Eine weitere Entscheidung traf das BVerfG[5] zu einem Fall einer Erzieherin in einer Kindertagesstätte in einer baden-württembergischen Gemeinde, welche aufgrund § 7 Abs. 6 Satz 1 KiTaG a. F. (jetzt: § 7 Abs. 8 Satz 1 KiTaG) aufgefordert wurde, das Tragen eines muslimischen Kopftuchs zu unterlassen; denn auch diese Vorschrift müsse dahingehend verfassungskonform ausgelegt werden, dass das Bekundungsverbot grundsätzlich nur gilt, soweit von dem Tragen religiöser Bekundungen keine abstrakte, sondern eine hinreichend konkrete Gefahr für den Einrichtungsfrieden oder die Neutralität des öffentlichen Einrichtungsträgers ausgeht.

Ein weiterer Fall betraf ein Kopftuchverbot eines privaten Arbeitgebers, welcher vom EuGH entschieden wurde.[6] In einem belgischen Unternehmen, das Rezeptions- und Empfangsdienste erbringt, gilt die Regel, dass es Arbeitnehmern verboten ist, am Arbeitsplatz sichtbare Zeichen ihrer politischen, philosophischen oder religiösen Überzeugung zu tragen. Eine muslimische Arbeitnehmerin hatte 3 Jahre nach Beginn ihres Arbeitsverhältnisses mitgeteilt, sie werde ein Kopftuch tragen, und dies umgesetzt. Daraufhin wurde ihr gekündigt. Das Gericht entschied, dass eine unternehmensinterne Regel, die das sichtbare Tragen jedes politischen, philosophischen oder religiösen Zeichens verbiete, keine unmittelbare Diskriminierung darstelle, wenn sich ein unternehmensinternes Neutralitätsgebot unterschiedslos auf jede Bekundung von Überzeugungen bezieht, sodass alle Arbeitnehmer gleichbehandelt und angehalten werden, sich neutral zu kleiden. Auch eine ggf. in Betracht kommende mittelbare Diskriminierung könne durch ein rechtmäßiges Ziel gerechtfertigt sein, z. B. durch ein Ziel wie die Verfolgung einer Politik der politischen, philosophischen und religiösen Neutralität durch den Arbeitgeber im Verhältnis zu seinen Kunden, was gerade auch bei den mit Kunden in Kontakt tretenden Arbeitnehmern relevant sein kann.

Eine Diskriminierung kommt aber in Betracht, wenn in einem Unternehmen keine allgemeine Neutralitätsregelung besteht und der Arbeitgeber das Tragen eines islamischen Kopftuchs nur deshalb untersagt, um damit dem Wunsch eines Kunden nachzukommen.[7]

Keine Weltanschauung i. S. d. § 1 AGG stellen dagegen persönliche Einstellungen, Sympathien oder Haltungen dar.[8]

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