Es gibt keine Regelausschlussfrist, innerhalb derer der Arbeitgeber von seinem Abmahnungsrecht Gebrauch machen muss.[1] Auch etwaige tarifliche Ausschlussfristen gelten für den Arbeitgeber grundsätzlich nicht, wenn er sein vertragliches Rügerecht ausüben will.

Eine Abmahnung sollte vom Arbeitgeber allerdings nicht unnötig lange hinausgezögert werden. Er kann nämlich sein Abmahnungsrecht verwirken. Dabei kann eine tarifliche Ausschlussfrist eine Orientierungshilfe für das sog. Zeitmoment sein. Für die Verwirkung eines Anspruchs muss darüber hinaus jedoch auch das sog. Umstandsmoment erfüllt sein. Eine Verwirkung kann z. B. dann nicht angenommen werden, wenn sich die Aufklärung des abmahnungsrelevanten Sachverhalts über mehrere Monate hinzieht und aus diesem Grund zwischen der Pflichtverletzung und der Abmahnung ein längerer Zeitraum liegt.

Eine Verwirkung liegt auch dann nicht vor, wenn sich die vom Arbeitgeber zeitgerecht erklärte Abmahnung aus formellen Gründen als unwirksam erweist, er sie deshalb zurücknimmt und dem Beschäftigten eine erneute Abmahnung aus denselben Gründen unter Beachtung der Formalien erteilt. Hierfür spricht allein schon der Umstand, dass nach der Rechtsprechung des BAG[2] auch formell fehlerhafte Abmahnungen regelmäßig die erforderliche Warnfunktion entfalten. Aus der formellen Unwirksamkeit der Abmahnung kann der Beschäftigte deshalb nicht ableiten, der Arbeitgeber billige das abgemahnte Fehlverhalten.[3] In der Praxis muss allerdings darauf geachtet werden, bei der Rücknahme der formell unwirksamen Abmahnung gegenüber dem Beschäftigten nicht den Eindruck zu erwecken, die Angelegenheit sei damit für den Arbeitgeber erledigt. Deshalb sollte zeitgleich mit der Rücknahme der unwirksamen Abmahnung die formal korrekte Abmahnung erteilt werden. Ist dies aus formellen Gründen nicht möglich (z. B. wegen der noch ausstehenden Beteiligung des Personalrats), sollte dem Beschäftigten unmissverständlich erklärt werden, dass die Abmahnung ausschließlich aus formellen Gründen zurückgenommen und wegen des darin abgemahnten Fehlverhaltens eine erneute Abmahnung erteilt wird, sobald die formellen Voraussetzungen hierfür erfüllt sind.

Zeitverzögerungen können sich auch wegen der etwaigen Beteiligung des Personalrats ergeben.[4] Dies betrifft insbesondere den Geltungsbereich des Landespersonalvertretungsgesetzes Rheinland-Pfalz, da der Personalrat danach bei Abmahnungen ein uneingeschränktes Mitbestimmungsrecht hat. Im Falle von Meinungsverschiedenheiten zwischen Dienststelle und Personalrat kann sich das Beteiligungsverfahren über viele Wochen hinziehen, und zwar insbesondere dann, wenn es zu der Entscheidung einer Einigungsstelle kommt. Die Abmahnung, die sinnvollerweise eine zeitnahe Rüge einer Pflichtverletzung des Beschäftigten sein sollte, wird in ihrer Wirkung dadurch in unerfreulicher Weise relativiert. Noch bedenklicher ist es, wenn Arbeitgeber angesichts des zeitraubenden personalvertretungsrechtlichen Verfahrens von Abmahnungen Abstand nehmen, die in der Sache geboten wären, indem sie z. B. das Einigungsverfahren nicht fortsetzen, wenn der Personalrat seine Zustimmung zu der beabsichtigten Abmahnung verweigert.

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