Die Tarifvertragsparteien haben den Begriff "rechtlich selbständiger Versorgungsbetrieb" definiert. Anhaltspunkt hierfür war bei den Tarifverhandlungen die Begriffsbestimmung der SR 2t BAT. Dort sind Versorgungsbetriebe als "Gas-, Wasser-, Elektrizitäts- und Fernheizwerke" definiert. Da diese Begriffe zumindest teilweise den heutigen Verhältnissen nicht mehr gerecht werden, sind die Sparten Energieversorgung und Wasserversorgung aufgeführt, die nicht nur gemeinsam, sondern auch jede für sich allein ausreichen, um den Begriff eines Versorgungsbetriebes zu erfüllen.

Aufgrund der Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts (Stichwort "Unbundling") sind in den vergangenen Jahren zunehmend sog. Netz- und Netzservicegesellschaften gegründet worden. Deshalb haben die Gewerkschaften im Vorfeld der Tarifrunde 2010 die Forderung erhoben, derartige Gesellschaften in den Geltungsbereich des TV-V einzubeziehen. Nach dem Einigungspapier vom 27. Februar 2010 zum Abschluss der Tarifrunde 2010 gehen die Tarifvertragsparteien übereinstimmend davon aus, dass von Versorgungsbetrieben neu gegründete Gesellschaften, die weiterhin überwiegend originäre Aufgaben gemäß § 1 Abs. 1 TV-V wahrnehmen (insbesondere Netz- und Netzservicegesellschaften), dem fachlichen Geltungsbereich des TV-V unterfallen.

In der Folgezeit haben die Gewerkschaften gleichwohl auf einer tarifvertraglichen Regelung bestanden. Durch den 8. Änderungstarifvertrag vom 2. Juli 2010 zum TV-V ist sodann eine Protokollerklärung zu § 1 Abs. 1 Satz 2 (also zu der tarifvertraglichen Begriffsbestimmung) vereinbart worden, die wie folgt lautet: "Versorgungsbetriebe im Sinne von Absatz 1 Satz 2 sind auch rechtlich selbständige Netz- und Netzservicegesellschaften". Diese Regelung ist am 1. Oktober 2010 in Kraft getreten.

Die Protokollerklärung hat nicht zur Folge, dass automatisch jede rechtlich selbstständige Netz- bzw. Netzservicegesellschaft unter den Geltungsbereich des TV-V fällt. Derartige Gesellschaften werden lediglich als Versorgungsbetriebe im Sinne des TV-V definiert. Ob sie dem zwingenden Geltungsbereich nach § 1 Abs. 1 unterliegen, ist von weiteren Voraussetzungen abhängig (u. a. Geltung des Betriebsverfassungsgesetzes, mehr als 20 wahlberechtigte Arbeitnehmer, Gesellschaft muss Mitglied eines unter 1.2.1 genannten Mitgliedverbandes der VKA sein).

Die freiwillige Anwendung des TV-V nach § 1 Abs. 2 in Netz- und Netzservicegesellschaften war auch vor der Ergänzung des TV-V möglich und ist es nach wie vor.

Gerade auch in der Kommunalwirtschaft sind sehr häufig Mischformen von Betrieben anzutreffen, die unter einem rechtlichen Dach neben Versorgungssparten auch andere Bereiche abdecken (z. B. Nahverkehr oder Abwasser). Um beim Geltungsbereich des TV-V keine Auslegungsschwierigkeiten aufkommen zu lassen, haben deshalb die Tarifvertragsparteien zusätzliche Voraussetzungen vereinbart, die vorliegen müssen, damit es sich um einen Versorgungsbetrieb im Sinne des TV-V handelt.

Die Betriebszwecke Energie- und/oder Wasserversorgung müssen sich aus der Satzung (z. B. bei einem Wasserzweckverband) oder aus dem Gesellschaftsvertrag (z. B. bei einer Stadtwerke GmbH) ergeben. Darüber hinaus müssen mindestens 90 v. H. des Gesamtpersonalbestands des Betriebs in einer der genannten Sparten tätig sein.

 

Beispiel 1

Die Stadtwerke X GmbH hat die Bereiche Strom, Gas, Wasser und Freibad.

Sie beschäftigt insgesamt 130 Arbeitnehmer, davon 10 Arbeitnehmer im Freibad. Damit sind mindestens 90 v. H. des Gesamtpersonalbestandes im Versorgungsbereich eingesetzt, sodass es sich bei der X GmbH um einen Versorgungsbetrieb im Sinne von Absatz 1 Satz 2 handelt, der unmittelbar unter den Geltungsbereich des TV-V fällt.

 

Beispiel 2

Die Stadtwerke Y GmbH beschäftigt insgesamt 2.400 Arbeitnehmer, und zwar 1.680 im Versorgungsbereich sowie 720 im Bereich Nahverkehr. Da somit nur 70 v. H. der Arbeitnehmer in der Energieversorgung eingesetzt sind, ist die Y GmbH kein rechtlich selbständiger Versorgungsbetrieb im Sinne von Absatz 1 Satz 2.

Bei der Berechnung des Gesamtpersonalbestandes ist nicht die Anzahl der Stellen maßgebend, sondern die Anzahl der beschäftigten Arbeitnehmer. Teilzeitkräfte sind dabei wie Vollbeschäftigte zu rechnen, da der TV-V – etwa im Gegensatz zu § 23 Abs. 1 Satz 4 KSchG – keine Regelung über eine anteilige Berücksichtigung von Teilzeitkräften enthält. Auch geringfügig Beschäftigte im Sinne von § 8 SGB IV zählen voll mit, und zwar unabhängig davon, ob sie als Beschäftigte im Sinne von § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV dem Geltungsbereich des TV-V unterliegen oder als Beschäftigte im Sinne von § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV nach § 1 Abs. 3 Buchst. d vom Geltungsbereich des TV-V ausgenommen sind. Auch Auszubildende sind bei der Berechnung des Gesamtpersonalbestandes zu berücksichtigen.

Maßgebend für die Frage, ob ein Betrieb dem Geltungsbereich des TV-V zwingend unterfällt oder nicht, ist zum einen der regelmäßige Gesamtpersonalbestand des Betriebes und zum anderen ein etwaiger Wechsel der Rechtsform, der dazu führt...

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