1 Einleitung

1.1 Verfassungs- und europarechtliche Grundlagen der Frauenförderung

Nach Art. 3 Abs. 2 Satz 1 GG sind Männer und Frauen gleichberechtigt. Zudem darf nach Art. 3 Abs. 3 Satz 1 "niemand wegen seines Geschlechts […] benachteiligt oder bevorzugt werden".

Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG begründet ein grundrechtliches Abwehrrecht gegen unmittelbare rechtliche Diskriminierungen von Männern und Frauen und ist immer dann einschlägig, wenn staatliche Regelungen oder Maßnahmen direkt (unmittelbar) an das Geschlecht anknüpfen.[1] Art. 3 Abs. 2 Satz 1 GG weist einen darüber hinausgehenden Regelungsgehalt auf. Er gewährt auch Schutz gegen mittelbare Diskriminierungen.[2] Untersagt sind danach auch Regelungen, die an neutrale Merkmale anknüpfen, aber vor allem ein Geschlecht betreffen und nicht durch wichtige Gründe des Gemeinwohls besonders gerechtfertigt sind. Trotz des in andere Richtung deutenden Wortlauts hat das Bundesverfassungsgericht aus dem Gleichberechtigungsgebot auch eine staatliche Schutzpflicht hinsichtlich der tatsächlichen Durchsetzung der Gleichbehandlung abgeleitet.[3] "Der über das Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 GG hinausreichende Regelungsgehalt des Art. 3 Abs. 2 Satz 1 GG besteht darin, dass er ein Gleichberechtigungsgebot aufstellt und dieses auch auf die gesellschaftliche Wirklichkeit erstreckt. […] Der Satz ‚Männer und Frauen sind gleichberechtigt’ will nicht nur Rechtsnormen beseitigen, die Vor- oder Nachteile an Geschlechtsmerkmale anknüpfen, sondern für die Zukunft die Gleichberechtigung der Geschlechter durchsetzen. Er zielt auf Angleichung der Lebensverhältnisse […]. Überkommene Rollenverteilungen […] dürfen durch staatliche Maßnahmen nicht verfestigt werden. Faktische Nachteile, die typischerweise Frauen treffen, dürfen […] durch begünstigende Regelungen ausgeglichen werden."[4] "Daraus folgt zum einen eine Legitimationsgrundlage für den Ausgleich tatsächlicher Nachteile, zum anderen jedoch auch eine Ermächtigung für eine zivilgesetzliche Verstärkung der Privatrechtswirkung des Gleichberechtigungsgebots."[5]

Durch Gesetz vom 27.10.1994 (BGBl. I S. 3146) wurde Art. 3 Abs. 2 GG ("Männer und Frauen sind gleichberechtigt") um einen weiteren Satz ergänzt. Dieser lautet:

"Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin."

Parlamentarischer Ausgangspunkt für diese Verfassungsergänzung war der Einigungsvertrag vom 31.8.1990 (BGBl. II S. 889). In dessen Art. 31 Abs. 1 und 2 hatte sich der gesamtdeutsche Gesetzgeber verpflichtet, "die Gesetzgebung zur Gleichberechtigung von Männern und Frauen weiterzuentwickeln" und "angesichts unterschiedlicher rechtlicher und institutioneller Ausgangssituationen bei der Erwerbstätigkeit von Müttern und Vätern die Rechtslage unter dem Gesichtspunkt der Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu gestalten". Dieser Gesetzgebungsauftrag veranlasste Bundestag und Bundesrat im Jahre 1992 eine Gemeinsame Verfassungskommission einzusetzen. In dieser bestand (mit Ausnahme eines Landes) Konsens darüber, Art. 3 Abs. 2 GG um einen entsprechenden Verfassungsauftrag (Gleichstellungsauftrag) und eine Kompensationsklausel (Frauenfördermaßnahmen) zu ergänzen. Die zunächst vorgesehene Kompensationsklausel mit dem Teilsatz "zum Ausgleich bestehender Ungleichheiten sind Maßnahmen zur Förderung von Frauen zulässig", fand allerdings keine Mehrheit. In den Beratungen der Gemeinsamen Verfassungskommission war man sich jedoch darüber einig, dass einerseits die gezielte Förderung von Frauen zur Beseitigung von bisherigen individuellen oder strukturellen Nachteilen zulässig und auf der anderen Seite "starre Quoten", beispielsweise im Sinne von "mindestens jede zweite Stelle ist mit einer Frau zu besetzen", unzulässig sein sollen. Dementsprechend sieht Art. 3 Abs. 2 Satz 1 GG heute mit der Formulierung "Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern" einen Verfassungsauftrag und mit dem zweiten Halbsatz "und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin" eine Kompensationsklausel vor. Nach der Wertung des Grundgesetzes soll also das Ziel "tatsächliche Durchsetzung der Gleich­berechtigung" auch über kompensatorische Maßnahmen zugunsten von Frauen erreicht werden. Gleichberechtigung ist dabei nicht als Ergebnisgleichheit im Sinne einer paritätischen Verteilung nach Geschlechtern zu verstehen; vielmehr sollen Frauen, ggf. auch durch eine verhältnismäßige Bevorzugung gegenüber Männern, allein gleiche Chancen eingeräumt werden.[6] "Art. 3 Abs. 2 GG greift daher nur, wenn und soweit Unterrepräsentanzen von Frauen tatsächlich bestehen und davon auszugehen ist, dass sie Folge von geschlechtsspezifischen strukturellen Benachteiligungen sind."[7]

Begründet wird damit letztlich eine grundrechtliche Schutzpflicht zugunsten der Frauen. Das führt zu einer Kollision mit Art. 3 Abs. 3 GG, wonach das Geschlecht kein Grund für rechtliche Differenzierungen sein darf.[8] Das Bundesverfassungsgericht löst dies auf, indem es Art. 3 Abs. 2 ...

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