Kündigung wegen israelfeindlicher Social Media Posts

Öffentliche Äußerungen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern auf Facebook, Instagram, X oder anderen Social-Media-Kanälen können Arbeitgeber zur Kündigung berechtigen. Vor allem, wenn sich durch die Posts im Internet Rückschlüsse auf den Arbeitgeber ergeben, die getätigten Äußerungen ruf- und geschäftsschädigend sind und Mitarbeitende damit eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht verletzen. Selbstverständlich muss gerichtlich immer im Einzelfall geprüft und eine Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und der Rücksichtnahmepflicht aus dem Arbeitsverhältnis vorgenommen werden. Vorliegend stellte das Arbeitsgericht Halle eine gesteigerte Rücksichtnahmepflicht des Arbeitnehmers fest - entscheidend war, dass es sich bei dem Arbeitgeber um einen Tendenzbetrieb handelte.
Der Fall: Kündigung wegen israelfeindlicher Social-Media-Posts
Der Arbeitgeber arbeitet eng mit Israel zusammen und kooperiert mit einigen Universitäten dort. Insgesamt legt er Wert auf eine enge Zusammenarbeit mit israelischen Partnern im Wissenschafts- und Forschungsbereich. Zur fristlosen und hilfsweise ordentlichen Kündigung des befristet beschäftigten Wissenschaftlers, dessen Fachgebiet der vergleichende Rassismus ist, führten mehrere öffentliche Äußerungen auf Social Media. Diese Texte veröffentlichte er direkt nach dem Hamas-Angriff auf Israel am 7. Oktober 2023 auf Facebook, später auch als längeren Text auf X. Darauf wurde auch ein Printmedium aufmerksam. Der Arbeitgeber warf dem Arbeitnehmer Antisemitismus vor und dass er Israel das Recht als Staat absprechen würde.
Der Arbeitnehmer widersprach den Kündigungen. Aus seiner Sicht waren sowohl die fristlose als auch die ordentliche Kündigung unwirksam. Es fehle an einem Kündigungsgrund, da weder betriebs- noch verhaltens- oder personenbedingte Kündigungsgründe vorlägen. Zudem bestritt er sowohl die Einhaltung der Zwei-Wochen-Frist gemäß § 626 Absatz 2 BGB, als auch die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats zu den Kündigungsgründen mit Nichtwissen. Zudem hätte er auch zunächst abgemahnt werden müssen.
ArbG: Rechtmäßige Kündigung wegen arbeitsvertraglicher Pflichtverletzung
Das Arbeitsgericht Halle entschied, dass der Arbeitnehmer mit seinem Verhalten gegen die ihm obliegenden arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen hat. Bereits durch seinen Text auf Facebook und seinen späteren Post auf der Plattform X habe der Wissenschaftler einen Sachverhalt geschaffen, der ohne die besonderen Umstände des Einzelfalls geeignet sei, einen wichtigen Kündigungsgrund abzugeben. Entscheidend war dabei, dass es sich bei der Max-Planck-Gesellschaft um einen Tendenzbetrieb handelt. Dazu stellte das Gericht fest:
"Tendenzbetriebe sind solche, die unmittelbar oder überwiegend politischen, koalitionspolitischen, konfessionellen, karitativen, erzieherischen, wissenschaftlichen oder künstlerischen Bestimmungen oder Zwecken der Berichterstattung oder Meinungsäußerung dienen und damit eine grundrechtsorientierte Zielsetzung in ihrem unternehmerischen Handeln verwirklichen".
Der Arbeitnehmer selbst habe aufgrund seiner Stellung als Tendenzträger zudem besondere Pflichten, stellte das ArbG Halle fest.
Gesteigerte Rücksichtnahmepflicht als Tendenzträger
Als Tendenzträger stufte das Gericht ihn ein, da er unmittelbar in der Lehre tätig ist, also inhaltlich auf die Tendenzverwirklichung Einfluss nehmen kann, und zwar insbesondere durch eigene Veröffentlichungen oder durch Vorträge und Vorlesungen. Für Tendenzträger bestehen gesteigerte Rücksichtnahmepflichten: sie sind insbesondere verpflichtet, sowohl bei ihrer Arbeitsleistung als auch im außerbetrieblichen Bereich nicht gegen die Tendenz, das heißt die grundsätzlichen Zielsetzungen des Unternehmens, zu verstoßen.
Vorliegend hätte dem Wissenschaftler klar sein müssen, dass die Max-Planck-Gesellschaft als Arbeitgeber das Existenzrecht Israels nicht in Frage stellt und dies auch niemand anderem in seinen Instituten erlaubt. Da der Arbeitnehmer in seinen Posts Israel das Recht als Staat abgesprochen habe, handelte er dem zuwider und verstieß damit gegen seine arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht. In solchen Fällen sei eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund - auch ohne Abmahnung - möglich. Die fristlose Kündigung sei jedoch unwirksam, da der Arbeitgeber die zweiwöchige Kündigungsfrist nicht eingehalten habe. Die ordentliche Kündigung erklärte das Arbeitsgericht Halle jedoch für rechtmäßig.
Hinweis: Arbeitsgericht Halle, Urteil vom 10.12.2024, Az. 1 Ca 378/24
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