Rz. 39

Kann die Arbeitnehmerin die Arbeitszeit im Rahmen einer Gleitzeitregelung teilweise selbst festlegen, ist ihr einerseits eine größere Rücksichtnahme auf die betrieblichen Belange möglich. Andererseits kann ggf. auch für Stillzeiten außerhalb der Kernarbeitszeit Freistellung zu gewähren sein mit der Folge, dass diese Zeit nicht nachgearbeitet werden muss.[1]

 

Rz. 40

 
Praxis-Beispiel

Stillpausen bei gleitender Arbeitszeit

Für die Arbeitnehmerin gilt eine Rahmenarbeitszeit von 6:30 Uhr bis 19:00 Uhr und eine Kernarbeitszeit von 8:30 bis 12:00 Uhr sowie von 14:00 Uhr bis 15:30 Uhr. Wenn die Arbeitnehmerin von 6:30 Uhr bis 07:00 Uhr stillen möchte, kann von ihr erwartet werden, die Arbeit erst im Anschluss aufzunehmen. Eine Stillpause von 11:00 Uhr bis 11:30 Uhr ist zweifellos als Stillzeit gem. § 7 Abs. 2 zu gewähren. Möchte die Arbeitnehmerin von 12:00 Uhr bis 12:30 Uhr stillen und im Anschluss eine halbe Stunde Ruhepause gem. § 4 Satz 1 ArbZG sowie eine weitere Pause machen, so ist die Stillzeit ebenfalls als Freistellung von der Arbeit anzusehen. Andernfalls wäre die Arbeitnehmerin entgegen § 7 Abs. 2 Satz 2 faktisch gezwungen, die Stillzeit nachzuarbeiten: Die Zeit zwischen Arbeitsbeginn und Arbeitsende wäre um die Stillzeit länger.

Nimmt die Arbeitnehmerin die Arbeit im genannten Beispiel um 8:00 Uhr auf und muss 8 Stunden arbeiten (zzgl. 30 Minuten Ruhepause), würde die Arbeit um 16:30 Uhr enden. Eine Stillzeit von 16:00 Uhr bis 16:30 Uhr liegt außerhalb der Kernarbeitszeit, ist aber wie Arbeitszeit zu behandeln, weil die Gleitzeit sich andernfalls zulasten der Arbeitnehmerin auswirken würde.[2]

 

Rz. 41

Dies wird teilweise anders beurteilt, wenn die Arbeitnehmerin in der Lage der Arbeitszeit teilweise oder vollständig frei ist, wie dies etwa bei Lehrerinnen außerhalb der Unterrichtszeit der Fall ist. Sofern sie die Arbeitsleistung im Betrieb bzw. andernorts außerhalb ihrer Wohnung erbringt, ist jedoch auch hier regelmäßig davon auszugehen, dass die Arbeitnehmerin die Arbeit – mit Ausnahme der Pausen – zusammenhängend erbringen würde, wenn sie nicht stillen würde. Daraus folgt: Stillzeiten während der – über die vorgeschriebenen Pausen hinausgehenden – üblichen Pausen betreffen § 7 Abs. 2 nicht. Soweit die Arbeitnehmerin aber außerhalb der vorgeschriebenen Ruhepausen bzw. der üblichen Pausen stillt, ist sie von der Arbeitsleistung entsprechend freizustellen. Es besteht insofern kein Unterschied zum Gleitzeitmodell.

 

Rz. 42

Arbeitet die Arbeitnehmerin hingegen zu Hause und kann sie die Lage der Arbeitszeit selbst bestimmen – etwa bei Telearbeit, mobiler Arbeit oder Arbeit im Homeoffice –, so ist die Stillzeit nicht als Arbeitszeit anzusehen. Die Arbeitnehmerin ist in der Lage, außerhalb der Arbeitszeit zu stillen. Für die häusliche Arbeit ist es bei flexibler Arbeitszeit geradezu typisch, dass die Arbeit bei Störungen aus der privaten Sphäre unterbrochen wird. Dies unterscheidet diese Arbeit von der Arbeit mit flexibler Zeiteinteilung im Betrieb: Im Betrieb wird die Arbeit in der Regel zusammenhängend zwischen Arbeitsbeginn und Arbeitsende erbracht; das Arbeitsende darf aufgrund der Stillzeit nicht hinausgeschoben werden.

[1] Müller, DB 1983, 1043; HK-MuSchG/BEEG/Pepping, § 7 MuSchG, Rz. 40; VGH Mannheim, Beschluss v. 19.12.2016, 4 S 1957/16, NZA-RR 2017, 274.
[2] Müller, DB 1983, 1043.

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