Rz. 33

§ 7 Abs. 2 konkretisiert die Zeit, die zum Stillen gewährt werden muss. Danach ist stillenden Frauen mindestens eine Stunde täglich – zusammenhängend oder zweimal 30 Minuten – freizugeben. Diese Zeiten sieht das Gesetz jedenfalls bei einer Vollzeittätigkeit und einem Kind, das voll gestillt wird, als mindestens erforderliche Stillzeit an. Sofern während dieser Stillpause – zumindest auch – tatsächlich gestillt wird, darf der Arbeitgeber die gesetzlichen Zeiten nicht infrage stellen und zur Eile drängen. Nimmt die Arbeitnehmerin nur die gesetzlich vorgesehenen Zeiten in Anspruch, kann sie während der Stillzeit neben dem Stillen auch anderen Tätigkeiten nachgehen.[1] Es ist Sache der stillenden Frau – unter Rücksichtnahme auf die betrieblichen Interessen – zu entscheiden, ob sie 2 kurze oder eine lange Stillzeit durchführen möchte. Die Arbeitnehmerin muss ihre Entscheidung mitteilen; sie kann zwischen den beiden Modellen wechseln.

 

Rz. 34

Wenn im konkreten Fall mehr Zeit pro Stillpause benötigt wird, ist auch diese zu gewähren. Ggf. kann der Arbeitgeber eine ärztliche Bescheinigung verlangen, wonach die Mindeststillzeit im konkreten Fall nicht ausreichend ist. Bei Bedarf kann auch die Aufsichtsbehörde Zahl und Dauer der Stillzeiten näher bestimmen (§ 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 MuSchG).

Ebenso wenig ist die Arbeitnehmerin auf 2 Stillpausen arbeitstäglich beschränkt. Wenn sie "nach Bedarf" des Kindes stillt, können während einer Ganztagsbeschäftigung möglicherweise auch 3 oder ausnahmsweise noch mehr Stillpausen erforderlich werden.

 

Rz. 35

Benötigt die Arbeitnehmerin weniger als die gesetzlich vorgesehenen Zeiten, so ist zu unterscheiden: Stillt die Arbeitnehmerin während der Arbeitszeit nicht, hat sie auch keinen Anspruch auf eine Stillpause; dies mag insbesondere bei Teilzeitarbeit relevant sein. Nutzt die Arbeitnehmerin hingegen die Pause zum Stillen, so kann sie – bis zur Grenze des Rechtsmissbrauchs – diese im gesetzlichen Umfang ausschöpfen, auch wenn sie mit kürzerer Zeit zurechtkäme.[2] § 7 Abs. 2 regelt den Umfang einer dem Grunde nach zu gewährenden Stillzeit, dehnt diesen Anspruch aber nicht auf Fälle aus, in denen während der Arbeitszeit überhaupt nicht gestillt wird[3]. Kann die Arbeitnehmerin die Stillzeiten unproblematisch ganz oder teilweise außerhalb der Arbeitszeit halten, ohne dass der Stillrhythmus beeinträchtigt wird, so muss sie dies aus Rücksichtnahme auf die betrieblichen Belange tun.

 

Rz. 36

Beträgt die tatsächliche Arbeitszeit an einem Tag mehr als 8 Stunden und wird sie nicht von einer Ruhepause von mindestens 2 Stunden unterbrochen, so soll auf Verlangen der Arbeitnehmerin zweimal eine Stillzeit von 45 Minuten gewährt werden. Die Regelung ist nicht zwingend, zeigt aber, was das Gesetz im Regelfall als erforderlich ansieht.

Als Arbeitszeit zählt gem. § 2 Abs. 1 ArbZG die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne Ruhepausen.[4] Ist die Arbeitszeit von einer mindestens 2-stündigen Ruhepause unterbrochen (z. B. bei Teildiensten in der Gastronomie), bleibt es für den Regelfall bei 2 halbstündigen Stillpausen bzw. einer Stillpause von einer Stunde.

Wenn in der Nähe der Arbeitsstätte keine Stillgelegenheit besteht, sondern zwangsläufig längere Wegezeiten anfallen, soll anstelle der 2 Stillpausen eine längere Pause von 90 Minuten gewährt werden. Sofern diese Voraussetzung erfüllt ist, ist es Sache der stillenden Frau zu wählen, ob sie 2 kürzere oder die eine längere Stillpause in Anspruch nehmen möchte. Die Wahl bindet nicht für die Zukunft, sondern kann zu einem späteren Zeitpunkt geändert werden.

 

Rz. 37

Es ist im Grundsatz auch Sache der Arbeitnehmerin zu entscheiden, wo sie ihr Kind stillt – sei es zu Hause, im Betrieb, in einer Kindertagesstätte oder bei der Person, die das Kind betreut. Die Arbeitnehmerin ist allerdings wiederum verpflichtet, auf die betrieblichen Belange Rücksicht zu nehmen. Deshalb sind lange Wegezeiten möglichst zu vermeiden. So kann die Arbeitnehmerin bei großen Entfernungen und entsprechenden organisatorischen Möglichkeiten gehalten sein, im Betrieb bzw. in der Nähe des Betriebs zu stillen. Dies gilt umso eher, wenn der Arbeitgeber dort einen Stillraum mit der erforderlichen Ausstattung wie Sitzgelegenheit, Tisch und Waschbecken zur Verfügung stellt.

 

Rz. 38

Die Aufsichtsbehörde kann gem. § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 MuSchG anordnen, dass der Arbeitgeber innerhalb oder außerhalb des Betriebs einen Stillraum einrichtet. Dies kann zugleich der Raum sein, in dem der stillenden Frau nach 4.2 Anhang zur ArbStättV i. V. m. ASR A4.2 Nr. 6 eine Liege zum Ausruhen zur Verfügung gestellt wird.

[1] Müller, DB 1983, 1043.
[2] Roos/Bieresborn, MuSchG/BEEG, § 7 MuSchG, Rz. 19; HK-MuSchG/BEEG/Pepping, § 7 MuSchG, Rz. 34.
[4] Rüstzeiten, die im Wege eines Jahresarbeitszeitkontoausgleiches angerechnet werden, sich aber tatsächlich nicht arbeitszeiterhöhend auswirken, erhöhen die Arbeitszeit gem. § 7 Abs. 1 MuSchG nicht, OVG Sachsen-Anha...

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