Rz. 6

Die mindestens 11-stündige Ruhezeit muss dem Arbeitnehmer ununterbrochen nach der Beendigung der täglichen Arbeitszeit gewährt werden. Tägliche Arbeitszeit ist nicht die Arbeitszeit eines Kalendertags, sondern die individuelle tägliche Arbeitszeit des jeweiligen Arbeitnehmers.[1] Das ArbZG enthält keine konkreten Vorgaben zur Lage der Ruhezeit und verlangt insbesondere nicht, dass die Ruhezeit noch am jeweiligen Werktag zu gewähren ist.[2] Es muss lediglich die Ruhezeit nach der Beendigung der täglichen Arbeitszeit gewährt werden.

 
Hinweis

Gemäß § 14 JArbSchG muss die Ruhezeit bei Jugendlichen grundsätzlich die Zeit von 20.00 bis 6.00 Uhr umfassen (Nachtruhe).

 

Rz. 7

Ununterbrochen wird die Ruhezeit nur dann gewährt, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht beschäftigt hat, und zwar auch nicht im Rahmen von Rufbereitschaft (vgl. Rz. 3).[3] Die Ruhezeit darf nicht in Zeitabschnitte von weniger als 11 Stunden aufgeteilt werden. Jede auch nur kurzzeitige Tätigkeit unterbricht diesen Zeitraum mit der Folge, dass die volle Ruhezeit im Anschluss an die Unterbrechung neu zu gewähren ist.[4] Zu Recht wird jedoch in der Literatur[5] die Auffassung vertreten, dass bei geringfügigen Unterbrechungen und bei solchen, die den Arbeitnehmer kaum belasten, und somit den Zweck der Ruhezeit (Schutz vor gesundheitlichen Schäden durch Überanstrengung, Möglichkeit zur Erholung und Erhaltung seiner Arbeitskraft) nicht gefährden, die Ruhezeiten vor und nach der Unterbrechung zusammengerechnet werden können. Als Beispiel wird etwa eine kurze telefonische Auskunft des Arbeitnehmers oder das schnelle Beantworten einer E-Mail genannt. Dies gelte insbesondere angesichts der zunehmenden Digitalisierung und Vernetzung der Arbeitswelt.

In diesem Zusammenhang ist eine Entscheidung des BAG[6] zu beachten, die mit Blick auf das Lesen einer dienstlichen SMS innerhalb der Freizeit des Arbeitnehmers ergangen ist: Das Gericht führt aus, dass unter den Begriff der Arbeitszeit solche Zeitspannen fallen, während derer dem Arbeitnehmer Einschränkungen von solcher Art auferlegt werden, dass sie seine Möglichkeit, die Zeit frei zu gestalten und sich seinen Interessen zu widmen, objektiv gesehen ganz erheblich beeinträchtigen. Erreichen die Einschränkungen hingegen keinen solchen Intensitätsgrad und erlauben es dem Arbeitnehmer, über seine Zeit zu verfügen und sich ohne größere Einschränkungen seinen eigenen Interessen zu widmen, so liegt keine die Ruhezeit unterbrechende Arbeitszeit vor.

 

Rz. 8

Wird die Ruhezeit eines Arbeitnehmers unterbrochen, sodass im Anschluss eine neue Mindestruhezeit von 11 Stunden in Gang gesetzt wird, kann dies zur Folge haben, dass der Arbeitnehmer seine nachfolgende reguläre Arbeit nicht oder nicht rechtzeitig antreten kann. Grundsätzlich ist die deshalb ausfallende Arbeit nicht zu vergüten, weil es sich um eine von keiner Vertragspartei zu vertretende Unmöglichkeit der Leistung handelt und der Lohnanspruch des Klägers entfällt.[7] Etwas anderes gilt nur, wenn dies kollektivvertraglich oder einzelvertraglich vereinbart ist. Nach Auffassung des BAG (a. a. O.) ist allerdings Voraussetzung für einen Entfall des Vergütungsanspruchs, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer in der fraglichen Woche bzw. in dem für das Arbeitsverhältnis einschlägigen Zeitraum entsprechend der vereinbarten Arbeitszeit beschäftigt und vergütet hat.

 

Rz. 9

Dass nicht nur die höchstzulässige werktägliche Arbeitszeit (§ 3 ArbZG), sondern auch die Ruhezeiten eingehalten werden, ist vom Arbeitgeber als Adressat des Arbeitsschutzes zu überwachen.[8] Dies wird insbesondere dann relevant, wenn ein Arbeitnehmer mehreren Tätigkeiten oder einer Nebentätigkeit nachgeht, da der Arbeitgeber verpflichtet ist, die Arbeitszeiten bei mehreren Arbeitgebern zusammenzurechnen (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 ArbZG).[9]

 

Rz. 10

Der Arbeitnehmer ist grundsätzlich berechtigt, eine während der Ruhezeit von ihm geforderte Arbeitsleistung zu verweigern.[10] Dies gilt nicht in den Fällen des § 14 ArbZG.[11]

[1] ErfK/Roloff, 23. Aufl. 2023, § 5 ArbZG, Rz. 3.
[2] Baeck/Deutsch/Winzer, ArbZG, 4. Aufl. 2020, § 5 ArbZG, Rz. 10.
[3] ErfK/Roloff, 23. Aufl. 2023, § 5 ArbZG, Rz. 4.
[4] Buschmann/Ulber, ArbZG, 8. Aufl. 2015, § 5 ArbZG, Rz. 8; vgl. auch BAG, Urteil v. 13.2.1992, 6 AZR 638/89, AP Nr. 13 zu § 12 AZO, DB 1992, 1890.
[5] Vgl. etwa Baeck/Deutsch/Winzer, ArbZG, 4. Aufl. 2020, § 5 ArbZG, Rz. 14 f.; a. A. etwa Buschmann/Ulber, ArbZG, 8. Aufl. 2015, § 2 ArbZG, Rz. 23, die das Kriterium der Geringfügigkeit für nicht justitiabel halten; a. A. auch ErfK/Roloff, 23. Aufl. 2023, § 5 ArbZG, Rz. 4, der allein darauf abstellt, ob die Unterbrechung der Ruhezeit als Arbeitszeit gemäß der arbeitsvertraglichen Verpflichtung anzusehen ist und insoweit auf die vergleichbaren Grundsätze zu Überstunden verweist.
[6] BAG Urteil v. 23.8.2023, 5 AZR 349/22, AP Nr. 49 zu § 106 GewO, NZA 2023, 1607.
[7] BAG, Urteil v. 5.7.1976, 5 AZR 264/75, AP Nr. 10 zu § 12 AZO, DB 1976, 1868; kritisch zu dieser Rechtsprechung...

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