"Großer Frankfurter Bogen": Hessen lobt Wohnungsbau-Konzept

Vor dreieinhalb Jahren startete das Land Hessen das Förderprogramm "Großer Frankfurter Bogen" für mehr Wohnungsbau in und um die Finanzmetropole. Der Wirtschaftsminister zieht ein positives Zwischenfazit und sieht das Potenzial von 60.000 neuen Wohnungen – erntet aber auch Kritik.

Seit dem Start der Wohnungsbauförderung "Großer Frankfurter Bogen" im Oktober haben sich 38 von 55 möglichen Kommunen zur Teilnahme entschlossen, wie der hessische Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) sagte. Er stellte seine Zwischenbilanz am 2. April in Wiesbaden vor.

Ziel ist es, mehr bezahlbare Wohnungen entlang der zentralen Bahnstrecken im Ballungsraum Rhein-Main zu schaffen. Inzwischen gebe es rund 140 Wohnungsbauvorhaben in den Partnerkommunen mit einem Potenzial für etwa 60.000 Wohnungen, so Al-Wazir.

Al-Wazir: "Konzept Großer Frankfurter Bogen aufgegangen"

Der designierte Frankfurter Oberbürgermeister Mike Josef (SPD) nannte als Beispiel das Schönhofviertel in Frankfurt-Bockenheim: "In gut erschlossener Lage werden derzeit rund 2.000 neue Wohnungen gebaut, 30 Prozent davon entstehen als geförderter Wohnraum." Darüber hinaus erhalte das Schönhofviertel einen Quartiersplatz als zentralen Treffpunkt und eine neue Grundschule.

Das Konzept sei aufgegangen, resümierte Al-Wazir. Allerdings hätten sich die Rahmenbedingungen seit Projektbeginn verändert. Die Baubranche habe in den vergangenen Jahren unter deutlich gestiegenen Zinsen, höheren Materialkosten und dem Fachkräftemangel zu leiden. Umso wichtiger sei es, die Landesinitiative weiter auszubauen.

Kritik: Zu enge Kriterien beim Thema Wohnen

Die FDP-Landtagsfraktion sieht das anders: "Der Wirtschaftsminister kann bisher keinen ausreichenden Erfolg beim Wohnungsbau vorweisen, der direkt auf das Projekt Großer Frankfurter Bogen zurückzuführen ist", kritisierte der wohnungsbaupolitische Sprecher Stefan Naas. Zwar nutzten die Kommunen die Fördermittel, das Bauland wäre jedoch auch ohne dieses Geld ausgewiesen worden. Kritik kam auch von der SPD im Landtag. "Wohnen ist nicht nur ein Thema des Ballungsraums, Wohnen muss weiter gefasst werden", forderte die wohnungspolitische Sprecherin Elke Barth. Die Kriterien seien zu eng gefasst.

Welche Kommunen an der Initiative teilnehmen können, hängt vor allem von der Zuganbindung nach Frankfurt ab: Konkret soll die Fahrt maximal 30 Minuten zum Hauptbahnhof dauern. Diese Städte und Gemeinden können eine besondere Förderung bei der Ausweisung von Baugebieten und für den Bau von Wohnungen erhalten. In dem Radius liegen aktuell 55 Kommunen zwischen Bad Nauheim und Darmstadt, Wiesbaden und bis hinter Hanau, wie die Initiative auf der Webseite erklärt. Neben Zuschüssen können sich die Kommunen bei Veranstaltungen austauschen. Zudem werden sie bei der Bauplanung unterstützt.

Hessen: Bis 2040 fehlen Zehntausende Wohnungen

Im Ballungsraum Rhein-Main – in den Städten Frankfurt am Main, Wiesbaden, Darmstadt, Offenbach, aber auch in Kassel – fehlen am meisten neue Wohnungen. Um den errechneten Bedarf bis 2040 zu decken, müssten pro Jahr im Schnitt 16.000 Wohnungen in Hessen zusätzlich gebaut werden, hieß es in einer Bestandsaufnahme im Sommer 2020. Al-Wazir kündigte damals an, dass Hessen bis 2024 rund zwei Milliarden Euro für den geförderten Wohnungsbau zur Verfügung stellen wolle.

Allein im Rahmen des Programms "Großer Frankfurter Bogen" nannte der Minister bei der Vorstellung des Programms im Herbst 2019 ein Potenzial für zirka 200.000 Wohnungen rund um Frankfurt. Etwa die Hälfte davon ließe sich auf bereits bestehenden Flächen im Innenbereich, also im Ein-Kilometer-Umkreis der Haltestellen des regionalen Schienenverkehrs realisieren.

Resolution von Wirtschaftsinitiative

Im Frühjahr 2020 unterzeichnete eine Wirtschaftsinitiative, darunter auch Vertreter der Immobilienbranche, in Frankfurt eine Resolution: Kommunen im Rhein-Main-Gebiet wurden darin aufgefordert, schnell zu handeln und mehr Bauland für bezahlbare Wohnungen auszuweisen – notfalls gegen Proteste von Anwohnern. Unterschrieben haben das Papier 22 Organisationen, Institutionen und Verbände, darunter der BFW Landesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen Hessen / Rheinland-Pfalz / Saarland, der Verband der Südwestdeutschen Wohnungswirtschaft (VdW Südwest), der Immobilienverband IVD Mitte und der Verband der Immobilienverwalter Hessen.

Rückenwind für die Weiterentwicklung des "Großen Frankfurter Bogens" und die Innenentwicklung soll eine neue Studie geben, die das hessische Wirtschaftsministerium in Auftrag gegeben hatte. Untersucht wurden die Auswirkungen der Entwicklung hessischer Kernregionen auf ihr Umland. "Überall sehen wir: Die Förderung von Wohnraum im Umland entlastet die Kernregionen, und gleichzeitig wirkt sich eine Stärkung der Kerne positiv auf das Umland aus", sagte Al-Wazir. Den 38 teilnehmenden Kommunen könnten sich jederzeit weitere anschließen – "Die Tür ist niemals zu."

Studie "Strukturelle Entwicklung des Umlands hessischer Agglomerationsräume"


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Schlagworte zum Thema:  Wohnungsbau, Stadtentwicklung