Zukunft Immobilienwirtschaft: Digitale Eigentümerversammlung

Seit Corona sind wir es gewohnt, an Besprechungen vom heimischen Wohnzimmer aus teilzunehmen. Diese Entwicklung wird auch vor Eigentümerversammlungen nicht haltmachen. Und das ist gut so: Digitale WEG-Versammlungen bieten viele Vorteile – nicht zuletzt auch bei der Bekämpfung des Fachkräftemangels.

Abend für Abend im Hinterzimmer der Gaststätte um die Ecke verbringen, um Eigentümerversammlungen zu leiten? Mit moderner Work-Life-Balance hat das wenig zu tun – kein Wunder, dass Verwalter Nachwuchssorgen haben.

Attraktiver werden könnte der Beruf durch die Möglichkeit, die Versammlungen ausschließlich online durchzuführen: Dann ließen sich diese viel besser in den normalen Arbeitsalltag integrieren.

Erlaubt ist das im Moment noch nicht. Aber die Bundesregierung arbeitet an einem Gesetzentwurf, der reine Online-Eigentümerversammlungen ermöglichen soll. Vorgesehen ist bislang, dass die jeweilige WEG dies einstimmig beschließen muss. Doch das könnte die Entwicklung hin zu mehr Digitalisierung blockieren. Der Verband der Immobilienverwalter Deutschlands (VDIV) plädiert deshalb dafür, dass eine einfache Mehrheit ausreicht – genauso wie dies aktuell schon bei der Frage gehandhabt wird, ob sich Eigentümer online in die (Präsenz-)WEG-Versammlung zuschalten dürfen.

Tatsächlich bieten reine Online-Versammlungen viele Vorteile:

#Zeitersparnis

Der wichtigste Faktor ist die Zeit: Hin- und Rückfahrt zum Versammlungsort fallen weg, genauso wie ungenutzte Wartezeiten.

#Flexibilität

Neben der reinen Zeitersparnis geht es um den Zeitpunkt: Präsenzveranstaltungen müssen in den Abendstunden stattfinden, nach dem Arbeitstag der Eigentümerinnen und Eigentümer. Digitale Versammlungen lassen sich indes gegebenenfalls auch tagsüber abhalten, die WEG-Mitglieder können sich ortsunabhängig zuschalten.

#Attraktiver Arbeitgeber

Flexible Arbeitszeiten, freie Abende und mehr Zeit mit der Familie: Das ist das, was sich viele junge Menschen von ihrem Beruf wünschen. Digitale WEG-Versammlungen machen den Verwalterberuf in Zeiten des Fachkräftemangels attraktiver.

#Geringere Kosten

Time is money – auch dieser Grundsatz stimmt für digitale Versammlungen. Die wegfallenden Wege zu den Präsenzveranstaltungen sparen Zeit und damit Kosten. Auch die Raummiete fällt weg. Hinzu kommen weitere digitale Tools, die die Arbeit rund um die WEG-Versammlungen automatisieren und damit verschlanken können, etwa Abstimmungen und deren Kontrolle, Protokolle und Beschlusssammlungen.

#Modernes Image

Online-WEG-Versammlungen bieten auch den Eigentümerinnen und Eigentümern Vorteile –sie sparen ohne Anreise zur Versammlung ebenfalls Zeit und Geld. Damit können Verwalter punkten. Wer professionell digital aufgestellt ist, verleiht seinem Unternehmen ein modernes Image, hebt sich von der Konkurrenz ab und kann neue Kunden für sich gewinnen.

#Umweltschutz

Nicht zuletzt profitiert auch die Umwelt: Jeder nicht mit dem Auto oder der Bahn zurückgelegte Kilometer spart CO2.

Digitale WEG-Versammlung: hybrid geht schon

Reine Online-Versammlungen sind aktuell zwar noch nicht erlaubt, wohl aber hybride Versammlungen, in denen einige Eigentümer digital zugeschaltet sind. So berichtet Immobilienverwalter Toni Altindagoglu, Geschäftsführer der Pandion Servicegesellschaft mbH aus Köln, dass ein Großteil der Eigentümerinnen und Eigentümer offen ist für diese neue Art der Kommunikation und das Angebot gerne nutzt – vor allem diejenigen, die nicht vor Ort leben.

Auch andere digitale Tools kämen gut an, berichtet er, etwa das Abstimmen per Smartphone, das die Pandion Servicegesellschaft mbH einsetzt: "98 Prozent machen mit." Die Rückmeldungen seien positiv, denn der Einsatz der Technik beschleunige nicht nur für den Verwalter die Arbeit, sondern die Versammlungen liefen auch für die Teilnehmer effizienter und schneller ab. "Statt aufwändig Stimmen auszählen zu müssen, liegt das Ergebnis innerhalb von Minuten vor."

Es gebe keinen Grund, so meint Denis Agca vom Softwarehersteller Vulcavo, warum inzwischen Konferenzen, berufliche Meetings oder Bewerbungsgespräche online stattfinden – nur WEG-Versammlungen nicht. Die Vorteile lägen einfach auf der Hand, sowohl für Verwalter als auch für Eigentümer. "Da wird in der Zukunft kein Weg daran vorbei führen", ist er sich sicher. Ad hoc von heute auf morgen sollte die Umstellung zu rein digitalen Eigentümerversammlungen jedoch nicht passieren, meint Agca: "Wir müssen darauf achten, dass ältere Semester nicht abgehängt werden." Jeder Eigentümer müsse weiterhin die Möglichkeit haben, an den Versammlungen teilzunehmen und mitzubestimmen.

Die digitale Versammlung steht und fällt mit der Akzeptanz in der WEG

Toni Altindagoglu glaubt, dass es sehr auf die Eigentümerstruktur der jeweiligen WEG ankommt, ob sich die rein digitale Variante etabliert oder nicht. "Aber selbst, wenn erst mal nur 20 oder 30 Prozent mitmachen, wäre das auch schon eine Arbeitserleichterung."

Hybride Versammlungen seien ein guter Kompromiss, aber für den Verwalter mit mehr Aufwand verbunden als die Online-Only-Version. Denn der Verwalter müsse die Präsenzveranstaltung organisieren und zusätzlich noch die entsprechende Technik – etwa Kamera, Mikrofon und Beamer – installieren, damit sich Präsenz- und Online-Teilnehmer gegenseitig verstehen können und jeder alles mitbekommt. Auch müssten Verwalter beide Gruppen im Blick behalten und den Prozess entsprechend moderieren. Das könne aber durchaus auch Vorteile haben, meint Denis Agca: Lautes Durcheinanderreden der Eigentümer und gegenseitiges ins Wort fallen sei nicht möglich, wenn die Redner im Raum erst zum Mikrofon greifen und die digitalen Teilnehmer zunächst aus der Stummschaltung freigeschaltet werden müssen.