Einberufungsermächtigung zugunsten eines Wohnungseigentümers

AG Idstein, Urteil vom 22.4.2013, 32 C 3/13

Die Klage der Wohnungseigentümer in geborenen gemeinschaftsbezogenen Angelegenheiten ist mangels Prozessführungsbefugnis unzulässig, nicht mangels Aktivlegitimation unbegründet. Der einzelne Wohnungseigentümer kann analog § 37 Abs. 2 BGB zur Einberufung einer Eigentümerversammlung ermächtigt werden. Hierfür ist das Gericht für Wohnungseigentumssachen zuständig, nicht der Rechtspfleger.

Sachverhalt
Die Parteien streiten um Schadensersatz wegen eines Wasserschadens. Am 21.1.2011 trat Wasser aus der Wohnung des Beklagten aus und beschädigte darunter liegende Räume. Im Auftrag der Wohnungseigentümergemeinschaft wurden sodann Reparaturen in Badezimmern („Sanitärarbeiten“) durchgeführt, wofür die beauftragten Unternehmen 2.300,75 € und 214,20 € berechneten. Die Kläger behaupten, eine Undichtigkeit des Spülkastens im Badezimmer der Wohnung des Beklagten habe zu dem Wasserschaden geführt. Der Beklagte behauptet, marode Leitungen im Gemeinschaftseigentum hätten zu dem Wasseraustritt geführt.
Das Gericht hat mit Verfügung vom 31.1.2013 zur Klarstellung der Klägerseite aufgefordert und auf die einschlägige Vorschrift des § 10 Abs. 6 S. 3 WEG hingewiesen.
Die Klage wurde als unzulässig abgewiesen.

Begründung
Den Klägern fehlt die Prozessführungsbefugnis. Denn für so genannte „geborene“ gemeinschaftsbezogene Rechte ordnet § 10 Abs. 6 S. 3 WEG die Ausübungsbefugnis des teilrechtsfähigen Verbandes an. Dies bedeutet, dass die Befugnis zur Ausübung von Rechten aus der Kompetenz der Wohnungseigentümer ausgegliedert und der Gemeinschaft zugeordnet wird. Diese Ermächtigung umfasst zunächst solche Rechte und Pflichten, über die schon nach früherer Einschätzung vor der Teilrechtsfähigkeit die Wohnungseigentümer nur gemeinschaftlich befinden konnten (BT-Drucks. 16/887, S. 61). Es besteht hier eine ausschließliche Gemeinschaftsbezogenheit, weshalb auch von „geborenen“ gemeinschaftsbezogenen Rechten und Pflichten gesprochen wird (Jennißen/Jennißen, WEG, 2. Aufl. 2010, § 10 Rn. 72; Riecke/Schmid/Elzer, 3. Aufl. 2010, § 10 Rn. 414 a u. 418; Abramenko, Handbuch WEG, 2009, § 1 Rn. 268 f.). Diese Ausübungsbefugnis umfasst insbesondere die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen wegen der Beschädigung von Gemeinschaftseigentum (KG, ZMR 2010, 467, 468; Jennißen/Jennißen, WEG, 2. Aufl. 2010, § 10 Rn. 72; Riecke/Schmid/Elzer, 3. Aufl. 2010, § 10 Rn. 414 a u. 418; Abramenko, Handbuch WEG, 2009, § 1 Rn. 268 f.).

Diese Zuordnung der Ausübungsberechtigung zum Verband ist zwingend, wie die Gesetzesmaterialien ausdrücklich klarstellen (BT-Drucks. 16/887, S. 61). Somit sind Aktivprozesse wegen solcher „geborener“ gemeinschaftsbezogener Rechte ausschließlich durch den Verband zu führen, der kraft gesetzlicher Ermächtigung als Prozessstandschafter auftritt (OLG Dresden, ZMR 2011, 312, 313; LG Nürnberg-Fürth, ZMR 2009, 950, 951 f.; DAV, NZM 2006, 769; Wenzel, ZWE 2006, 466). Klagen der Wohnungseigentümer sind mangels Prozessführungsbefugnis unzulässig (AG Tostedt, ZMR 2012, 149). Hier gilt nichts anderes als bei sonstigen gesetzlichen Prozessstandschaften etwa des Insolvenzverwalters oder des Testamentsvollstreckers: Da die Befugnis zur Rechtsausübung auf den gesetzlichen Prozessstandschafter übergegangen sind, kann der materiell Berechtigte (der Insolvenzschuldner bzw. der Erbe) seine Rechte selbst nicht geltend machen.

Bedeutung für die Praxis
Zur Prozessführungsbefugnis folgt das Gericht dem AG Tostedt, ZMR 2012, 149, welches bereits feststellte, dass die Klage unzulässig ist, wenn ein einzelner Wohnungseigentümer nicht befugt ist, einen den Wohnungseigentümern gemeinschaftlich zustehenden Anspruch gegen einen anderen Wohnungseigentümer gerichtlich geltend zu machen. Zur Ermächtigung des Einzelnen, eine Versammlung einzuberufen, herrscht noch Rechtsunsicherheit, so entschied das LG München I mit Beschluss vom 17.4.2013, 36 T 7524/13: Der einzelne Wohnungseigentümer kann nicht analog § 37 Abs. 2 BGB zur Einberufung einer Eigentümerversammlung ermächtigt werden, aber die Zustimmung der anderen hierzu im Verfahren nach § 43 Nr. 1 WEG erstreiten. Hierfür ist das Gericht für Wohnungseigentumssachen zuständig, nicht der Rechtspfleger.

Dr. Olaf Riecke, Hamburg

Schlagworte zum Thema:  Wohnungswirtschaft, Wohnungseigentumsrecht