- Zurückweisung einseitiger Willenserklärungen des Verwalters für den Verband
- Wiederbegründung einer durch Beschluss aufgehobenen Veräußerungsbeschränkung
- WEG 23 Erneuerung der Heizungsanlage
- Sondernutzungsrecht zwecks "Einhausung" des Treppenaufgangs

BGB § 174; WEG § 27 Abs.3 Satz 1 Nr.7, Zurückweisung einseitiger Willenserklärungen des Verwalters für den Verband, BGH, Urteil vom 20.2.2014, III ZR 443/13
§ 174 Satz 1 BGB ist auf einseitige Willenserklärungen des Verwalters im Namen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer auf der Grundlage einer Vereinbarung oder eines Beschlusses der Wohnungseigentümer nach § 27 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 WEG anwendbar.
Sachverhalt
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Die Parteien streiten um die vertragliche Vergütung für Gebäudeserviceleistungen für den Zeitraum von Dezember 2010 bis November 2011.
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Die Parteien schlossen am 1./16. August 1998 zwei Grundstücks- und Gebäudeserviceverträge, worin die Klägerin mit Wirkung zum 1. August beziehungsweise 1. September 1998 den Hausbetreuerservice in der Wohnanlage der beklagten Wohnungseigentümergemeinschaft übernahm. Als Vergütung wurden monatlich 490 DM beziehungsweise 320 DM, jeweils zuzüglich Mehrwertsteuer, vereinbart (insgesamt 492,83 € monatlich). Zuletzt wurden ab Januar 2009 monatlich 522,83 € gezahlt, wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob es eine Vereinbarung über die Erhöhung des zu zahlenden Entgelts in Höhe von 30 € pro Monat gab. In § 5 beider Urkunden war eine Vertragslaufzeit von fünf Jahren vorgesehen. Weiter war bestimmt: "Nach Ablauf der Vertragslaufzeit kann der Vertrag von beiden Seiten mit einer Frist von vier Wochen zum Quartalsende gekündigt werden. Wird der Vertrag nicht aufgelöst, verlängert er sich um weitere fünf Jahre. Die Kündigung bedarf der Schriftform".
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In der Eigentümerversammlung der Beklagten vom 13. September 2010 wurde mehrheitlich beschlossen, den bisherigen Verwalter abzuberufen und die Verträge mit der Klägerin außerordentlich zum 30. November 2010 zu kündigen. Der neu bestellte Hausverwalter teilte der Klägerin mit Telefaxschreiben vom 3. Dezember 2010 mit, dass er in Ausführung des Beschlusses vom 13. September 2010 den Hausmeistervertrag fristlos kündige; die Kündigung gehe auf eine permanente Schlechtleistung der Mitarbeiter der Klägerin zurück. Zugleich wurde ein Hausverbot ausgesprochen. Die Klägerin widersprach mit Schreiben vom 6. Dezember 2010 der Kündigung und rügte die fehlende "Vollmacht/Vollmachtsvorlage" des Verwalters. Mit Schreiben vom 6. Januar 2011 teilte der Verwalter der Klägerin mit, er "präzisiere" die Kündigung vom 3. Dezember auf "die beiden Verträge zum Preis von 490 DM bzw. 320 DM. Beide Verträge tragen die Unterschriftsdatierungen 01.08.1998/16.09.1998."
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Mit ihrer Klage hat die Klägerin die Beklagte auf Zahlung der vertraglichen Vergütung in Höhe von insgesamt 6.273,96 € nebst Zinsen sowie vorgerichtlich angefallener Rechtsanwaltskosten in Anspruch genommen.
Aus den Gründen
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II. 1. Ein Zahlungsanspruch der Klägerin in Höhe von 492,83 € monatlich für die Zeit von April bis November 2011 kann nach derzeitigem Sach- und Streitstand nicht verneint werden, weil die Kündigung vom 3. Dezember 2010 unwirksam ist.
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a) Die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung des Vertrags zwischen den Parteien hinsichtlich der Laufzeit und der Kündigungsmöglichkeit nach Ablauf von zehn Jahren lässt Rechtsfehler nicht erkennen.
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b) Die Kündigung vom 3. Dezember 2010 war aber unwirksam. Der Kündigung lag eine Vollmachtsurkunde nicht bei. Die Klägerin hat der Kündigung unverzüglich unter Hinweis hierauf widersprochen. Nach § 174 Satz 1 BGB ist ein einseitiges Rechtsgeschäft, das ein Bevollmächtigter einem anderen gegenüber vornimmt, unwirksam, wenn dem Bevollmächtigten eine Vollmachtsurkunde nicht vorliegt und der andere das Rechtsgeschäft aus diesem Grunde unverzüglich zurückweist.
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Die Vollmacht des Verwalters der Beklagten für die ausgesprochene Kündigung ergab sich hier aus § 27 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 WEG. Nach dieser Vorschrift ist der Verwalter berechtigt, im Namen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und mit Wirkung für und gegen sie sonstige Rechtsgeschäfte und Rechtshandlungen vorzunehmen, soweit er hierzu durch Vereinbarung oder Beschluss der Wohnungseigentümer mit Stimmenmehrheit ermächtigt ist. Diese Ermächtigung zur Kündigung des Dienstvertrages mit der Klägerin war mit Beschluss vom 13. September 2010 erfolgt. § 174 BGB ist auf eine derartige Fallgestaltung anwendbar.
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aa) Beruht die Vertretungsmacht nicht auf der Erteilung einer Vollmacht durch den Vertretenen, sondern auf gesetzlicher Grundlage, scheidet eine Zurückweisung nach § 174 Satz 1 BGB regelmäßig aus. Die gesetzliche Vertretungsmacht beruht nicht auf einer Willensentscheidung des Vertretenen. Sie kann nicht durch eine Vollmachtsurkunde nachgewiesen werden. § 174 BGB mutet die mit der Inanspruchnahme gesetzlicher Vertretung verbundene Unsicherheit über die Wirksamkeit des Bestehens der behaupteten Vertretungsmacht dem Erklärungsempfänger zu (vgl. BGH, Urteil vom 9. November 2001 - LwZR 4/01, NJW 2002, 1194, 1195). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs besteht das Recht zur Zurückweisung auch nicht im Falle organschaftlicher Vertretung. Die organschaftliche Vertretungsmacht beruht auf der Bestellung des Vertreters zum Organ einer juristischen Person, die nur durch ihre Organe am Rechtsverkehr teilnehmen kann. Der Unsicherheit über die in Anspruch genommene organschaftliche Vertretungsmacht wirkt die grundsätzlich vorgeschriebene Eintragung des Vertreters als Organ in ein öffentliches Register entgegen. Aus diesem ergeben sich die Personen des Organs und der Umfang ihrer Vertretungsmacht (BGH aaO). Da es bezüglich einer (Außen-)Gesellschaft bürgerlichen Rechts kein öffentliches Register gibt, dem sich die Vertretungsverhältnisse entnehmen lassen, hat der Bundesgerichtshof § 174 BGB auf die Vertretung der Gesellschaft ungeachtet dessen angewendet, dass der Gesellschaft bürgerlichen Rechts nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (Teil-)Rechtsfähigkeit zukommt (grundlegend insoweit BGH, Urteil vom 29. Januar 2001 - II ZR 331/00, BGHZ 146, 341). Der Empfänger einer für die Gesellschaft abgegebenen Erklärung habe vielfach weder Kenntnis von der Existenz der Gesellschaft noch von deren Vertretungsverhältnissen. Handele der Geschäftsführer der Gesellschaft allein, sei es ihm demgegenüber ohne weiteres möglich, entweder eine Vollmacht der übrigen Gesellschafter vorzulegen oder die von ihm aus dem Gesellschaftsvertrag in Anspruch genommene Vertretungsmacht durch dessen Vorlage oder die Vorlage einer Erklärung aller oder der übrigen Gesellschafter über eine nach §§ 709, 714 BGB abweichende Regelung der Vertretung der Gesellschaft zu belegen (vgl. BGH, Urteil vom 9. November 2001 aaO).
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bb) Diese Erwägungen führen im Ergebnis dazu, dass § 174 Satz 1 BGB auf einseitige Willenserklärungen des Verwalters im Namen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer auf der Grundlage einer Vereinbarung oder eines Beschlusses der Wohnungseigentümer nach § 27 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 WEG anwendbar ist.
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Durch das Gesetz zur Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes und anderer Gesetze vom 26. März 2007 (BGBl. I S. 370) ist unter Berücksichtigung des Beschlusses des V. Zivilsenats vom 2. Juni 2005 (V ZB 32/05, ZMR 2005, 547 = BGHZ 163, 154), wonach auch einer Wohnungseigentümergemeinschaft (Teil-)Rechtsfähigkeit zuzubilligen ist, § 27 WEG neu gefasst worden. Danach ist der Verwalter einerseits gesetzlicher Vertreter der Wohnungseigentümer, andererseits Organ der Gemeinschaft, dem nach Maßgabe des § 27 Abs. 2 und 3 WEG in bestimmtem Umfang Vertretungsbefugnisse eingeräumt werden (Jennißen/Heinemann, WEG, 3. Aufl. 2012, § 27 Rn. 2 mwN; siehe auch BT-Drucks. 16/887 S. 56, 70 f sowie 16/3843 S. 26). Dabei macht der Verwalter von einer gesetzlichen Vertretungsmacht auch dann Gebrauch, wenn sich die Vertretungsbefugnis - wie hier - aus § 27 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 WEG n.F. ergibt; denn nach dieser Bestimmung steht dem Verwalter die Vertretungsmacht bereits kraft Gesetzes mit dem Vorliegen einer Vereinbarung oder des Ermächtigungsbeschlusses zu, ohne dass es dazu einer zusätzlichen, an den Verwalter gerichteten Willenserklärung bedarf (Bärmann/Merle, WEG, 12. Aufl., § 27 Rn. 253; Jennißen/Heinemann aaO § 27 Rn. 117).
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Auch wenn somit vorliegend ein Fall der organschaftlichen beziehungsweise gesetzlichen Vertretungsmacht gegeben ist, ist § 174 Satz 1 BGB gleichwohl anwendbar. Der Gesetzgeber hat mit § 27 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 WEG den Wohnungseigentümern die Kompetenz eingeräumt, dem Verwalter durch Mehrheitsbeschluss eine weitergehende Vertretungsmacht als die bereits gesetzlich vorgesehene zu erteilen (vgl. BT-Drucks. 16/887 S. 71). Ob einem Verwalter nach § 27 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 WEG eine über die gesetzlichen Vorgaben hinausgehende Vertretungsmacht eingeräumt ist, ist aber weder in einem Register vermerkt noch sonst für den Geschäftsverkehr überprüfbar. Der Schutzzweck des § 174 Satz 1 BGB ist daher auch in dem Fall der Bevollmächtigung des Verwalters der Wohnungseigentümergemeinschaft nach § 27 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 WEG berührt. Der am einseitigen Rechtsgeschäft nicht willentlich Beteiligte hat ein schützenswertes Interesse an Sicherheit darüber, ob der handelnde Vertreter bevollmächtigt war und das Rechtsgeschäft Wirksamkeit erlangt hat (vgl. Staudinger/Schilken, BGB, Neubearb. 2009, § 174 Rn. 1).
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Für eine Anwendung des § 174 BGB spricht auch, dass der Gesetzgeber in § 27 Abs. 6 WEG bestimmt hat, dass der Verwalter von den Wohnungseigentümern die Ausstellung einer Vollmachts- und Ermächtigungsurkunde verlangen kann, aus der der Umfang der Vertretungsmacht ersichtlich ist. Da sich der Gesetzgeber gegen die Schaffung eines Registers, das die Wohnungseigentümergemeinschaft und den Verwalter ausweist, entschieden hat, kommt der Nachweis der Vertretungsbefugnis durch einen Registerauszug und eine Registerbescheinigung wie bei Vereinen, Gesellschaften oder Genossenschaften nicht in Betracht. Diese fehlende Registerpublizität versucht Absatz 6 dadurch zu kompensieren, dass er dem Verwalter einen Anspruch auf Ausstellung einer Urkunde einräumt, aus der sich seine Vertretungsmacht ergibt (Jennißen/Heinemann aaO Rn. 144). Dementsprechend wird in der Literatur auch zu Recht darauf hingewiesen, dass die Urkunde nach § 27 Abs. 6 WEG dieselben Rechtswirkungen zeitigt, wie eine Vollmachtsurkunde im Sinne des § 172 BGB (Jennißen/Heinemann aaO Rn. 163; vgl. auch Bärmann/Merle, WEG, aaO § 27 Rn. 316 ff).
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c) Die Beendigung des Vertrages kann derzeit auch nicht aufgrund des Schreibens des Verwalters der Beklagten vom 6. Januar 2011 festgestellt werden. Das Berufungsgericht hat insoweit in dem Schreiben eine erneute Kündigung gesehen, ohne dies näher darzulegen.
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2. Unbegründet ist die Revision der Kläger jedoch, soweit sie geltend macht, ihr stehe auch der um 30 € monatlich erhöhte Betrag für die Vertragslaufzeit vom 1. Dezember 2010 bis zum 30. November 2011 zu. ....
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
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