- BGB §§ 535, 536: Schimmelbildung in der Wohnung; Minderung
- BGB §§ 313, 558 Mieterhöhung bei Abweichung zwischen tatsächlicher und vereinbarter Wohnfläche
- BGB § 550 Umdeutung einer fristlosen Kündigung
- BGB §§ 566, 566e Erwerberansprüche bei einer vermieteten Immobilie

AG Bremen, Urteil vom 2.5.2013, 9 C 565/12
Der Erwerber einer vermieteten Immobilie kann den Zahlungsverzug des Mieters hinreichend sicher stellen, wenn er dem Mieter mit der Mitteilung vom Vermieterwechsel eine Abschrift des notariellen Kaufvertrags, eine Kopie des aktuellen Grundbuchauszugs oder eine Mitteilung des ursprünglichen Vermieters nach § 566e BGB zukommen lässt. Grundsätzlich trägt der Mieter das Risiko, dass das Sozialamt die Mietzinszahlungen nicht rechtzeitig an den gemäß § 566 BGB in das Mietverhältnis eingetretenen Erwerber, sondern weiterhin an den früheren Vermieter leistet.
Sachverhalt
Die Klägerin macht Ansprüche auf Räumung und Mietzinszahlung geltend. Der Beklagte schloss mit Herrn P… am 10.07./21.07.2006 einen Mietvertrag über die Wohnung A…. Als monatlich geschuldete Miete wurden 230,00 € zuzüglich Betriebskostenvorauszahlung in Höhe von 100 €, zahlbar im Voraus bis spätestens zum 3. Werktag des jeweiligen Monats, vereinbart. Die Miete wurde in der Vergangenheit von dem Sozialamt (Bagis/Jobcenter) unmittelbar an den ursprünglichen Vermieter geleistet.
Die Klägerin kaufte in der Folgezeit die Wohnung und wurde am 16.10.2012 als neue Eigentümerin im Grundbuch eingetragen. Mit Schreiben der Klägerin vom 17.9.2013 wies sie den Beklagte auf diesen Umstand hin und forderte, die Miete zukünftig ab dem 01.10.2012 auf ihr Konto zu zahlen.
Seit Oktober 2012 gingen auf dem Konto der Klägerin von Seiten der Bagis oder des Beklagten keine Mietzinszahlungen ein. Herr P... überwies der Klägerin jedoch zumindest einmalig einen Betrag in Höhe von 402,63 €.
Mit Schreiben vom 5.11.2012 erklärte die Klägerin wegen Zahlungsverzugs die fristlose Kündigung. Am 19.3.2013 erklärte die Klägerin nochmals die fristlose und die ordentliche Kündigung. Es besteht ein Räumungsanspruch.
Begründung
I. Es besteht gemäß § 546 I BGB ein Räumungsanspruch. Das Mietvertragsverhältnis wurde von der Klägerin gemäß den §§ 543, 569 BGB wirksam gekündigt.
1. Zwar bestand zum Zeitpunkt der ersten Kündigungserklärung vom 5.11.2012 bzw. bei Klageerhebung kein über eine Monatsmiete hinausgehender Zahlungsrückstand gegenüber der Klägerin (§ 569 Abs. 3 Nr. 1 BGB). Denn die Klägerin erwarb die Immobilie erst durch die Grundbuchumschreibung am 16.10.2012 (§§ 873, 925 BGB); seit diesem Zeitpunkt ist sie von Gesetzes wegen in das Mietvertragsverhältnis eingetreten (§ 566 BGB). Da die Miete im Voraus am 3. Werktag des Monats zu entrichten ist, stand der Mietzinszahlungsanspruch für Oktober 2012 daher noch dem früheren Eigentümer der Immobilie zu. Dass der frühere Eigentümer seinen diesbezüglichen Zahlungsanspruch an die Klägerin abgetreten hätte, wurde nicht vorgetragen; der notarielle Kaufvertrag, der eine entsprechende Vereinbarung möglicherweise enthält, wurde nicht zur Akte gereicht. Nach Aktenlage bestand gegenüber der Klägerin daher kein Zahlungsrückstand in Höhe von mehr als einer Monatsmiete (vgl. § 566b BGB).
2. Jedoch ist dem Beklagten mit Schreiben vom 19.3.2013 rechtswirksam gekündigt worden. Denn zum Zeitpunkt der zweiten Kündigungserklärung bestand Zahlungsverzug (§ 543 II S. 1 Nr. 3, 286 IV BGB) jedenfalls mit den Mieten Februar und März 2013 bzw. ein Verschulden im Sinne des § 543 I 2 BGB:
2.1 Zwar hatte der Beklagte die Nichtzahlung der Miete an die Klägerin zunächst nicht zu vertreten. Denn ein Mieter, der ein Schreiben einer ihm unbekannten Person erhält, in der diese künftige Mietzinszahlung auf eine neue Kontoverbindung zugunsten einer im schriftlichen Mietvertrag nicht genannten Partei fordert, muss sich nicht ohne weiteres veranlasst sehen, der Richtigkeit des mitgeteilten Sachverhalts Glauben zu schenken und weisungsgemäß zu handeln. Theoretisch wäre es nämlich möglich, dass sich ein Dritter zu Unrecht berühmt, (bereits) Gläubiger nach §§ 535 II, 566 BGB geworden zu sein. Sofern der Mieter dann vertrauensvoll die Zahlung an den ursprünglichen Vermieter einstellt, riskiert er die Kündigung des Mietverhältnisses durch seinen bisherigen Vertragspartner. Dass dem Mitteilungsschreiben vom 17.9.2012 eine Abschrift des notariellen Kaufvertrags, eine Kopie des aktuellen Grundbuchauszugs oder eine Mitteilung des ursprünglichen Vermieters vom (bereits erfolgten) Eigentumsübergang (§ 566e BGB) beigefügt gewesen wäre, wurde nicht vorgetragen. Hinreichende Kenntnis des Beklagten vom Gläubigerwechsel (vgl. §§ 412, 407, 566 BGB) lag nach Auffassung des Gerichts daher zunächst nicht vor. Zwar hat der Beklagte vorgetragen, dass er von Herrn P… am 15.9.2012 über den Verkauf informiert worden sei („gekauft“). Dieser Vortrag wurde jedoch von der Klägerin vorsorglich bestritten. Zudem trug der Beklagten nicht vor, dass ihm vom ursprünglichen Vermieter mitgeteilt worden sei, er habe bereits ab dem 1.10.2012 die Miete an die Klägerin zu zahlen. Insofern hätte beim Beklagten Unsicherheit über den genauen Zeitpunkt des Wechsels der Gläubigerstellung bestanden, da die Grundbuchumschreibung seinerzeit noch nicht erfolgt war. Der Zeitpunkt des Verkaufs einer Immobilie ist hinsichtlich der Zahlungsverpflichtung gemäß §§ 535, 566 BGB nicht entscheidend; maßgeblich ist der – oftmals deutlich spätere – Zeitpunkt des Eigentumserwerbs. Im Übrigen entsprach der Inhalt des Mitteilungsschreibens vom 17.09.2012 (Zahlungsforderung der Klägerin ab 01.10.2012) wohl nicht der Rechtslage (vgl. §§ 566, 566 b I 2 BGB, s. o.).
Ein Verschulden bzw. Zahlungsverzug des Beklagten gegenüber der Klägerin war daher zunächst nicht gegeben.
2.2 Der Beklagte hatte jedoch zum Zeitpunkt der mit Schreiben vom 19.3.2013 erklärten Kündigungen Kenntnis von der Gläubigerstellung der Klägerin.
Denn mit dem Klageschriftsatz war dem Beklagten am 18.1.2013 auch der Grundbuchauszug zugestellt worden. Aus diesem ergibt sich, dass die streitgegenständliche Wohnung am 16.10.2012 von der Klägerin erworben wurde. Der anwaltlich vertretene Beklagte wusste insofern, dass seine Zahlungsverpflichtung gegenüber der Klägerin bestand.
Das 2. Kündigungsschreiben ist inhaltlich zutreffend begründet worden, da jedenfalls auch auf den Zahlungsverzug für Februar 2013 und März 2013 abgestellt wurde. Der Zugang des Kündigungsschreibens bzw. des Schriftsatzes vom 21.3.2013 wurde von Seiten des Beklagten im Termin vom 18.4.2013 nicht bestritten.
Ob der Beklagte dem Sozialamt tatsächlich Mitteilung vom Vermieterwechsel gegeben hat, ist zwischen den Parteien streitig. Zwar wäre ein Untätigbleiben der Behörde – verzögerte Bearbeitungszeiten – dem Beklagten nicht ohne weiteres zuzurechnen, da das Sozialamt nicht als Erfüllungsgehilfin des Mieters handelt (BGH NJW 2009, 3781: für verzögerte Zahlung seitens der Behörde, LG Wiesbaden WuM 2012, 623).
Den Beklagten trifft hinsichtlich seiner Behauptung, dass er „sein Möglichstes“ unternommen habe, um die Zahlungsumstellung bei der Bagis zu bewirken, jedoch die Darlegungs- und Beweislast; er bleibt insofern mangels Beweisangebots beweisfällig:
Zwar hat der Vermieter das Verschulden des Mieters im Sinne des § 543 I BGB zu beweisen. Dass zumindest die Februar- und Märzmiete 2013 auf dem Konto der Klägerin nicht einging, ist zwischen den Parteien aber unstreitig. Hieraus folgt automatisch das Verschulden des Beklagten, da die Miete aufgrund Zahlungsbestimmung im Mietvertrag zum 3. Werktag des Monats im Voraus zu leisten gewesen wäre (§§ 280 I 2, 286 II Nr. 1, § 556b BGB). Dass gleichwohl – und ausnahmsweise – ein Vertretenmüssen im Sinne des § 286 Abs.4 BGB nicht vorliegt, hat dann der Schuldner zu beweisen (vgl. Palandt, 71. A., § 286, Rn. 49; BGH NJW 2011, 2120; LG Frankfurt a. M., NJW 2004, 1238). Schließlich ist der Beklagte hinsichtlich der Erfüllung gemäß § 362 BGB darlegungs- und beweispflichtig. Nichts anderes kann gelten, wenn sich der Beklagte darauf beruft, dass die Erfüllung ausschließlich aus Gründen, die er nicht zu vertreten habe, unterblieben sei.
Im Übrigen erscheint es nicht sachgerecht, etwaige Versäumnisse des Sozialamts im Ergebnis zu Lasten des Vermieters wirken zu lassen. Schließlich ist ausschließlich der Beklagte Schuldner gemäß § 535 Abs. 2 BGB; das Jobcenter leistet für den Mieter – aufgrund eines lediglich zwischen dem Mieter und der Behörde Geltung beanspruchenden Bescheids – eine bloße Drittzahlung im Sinne des § 267 BGB. Mangelnde finanzielle Leistungsfähigkeit (Sozialhilfebedürftigkeit) ist aber gerade kein anerkannter Grund des Nicht-vertreten-müssens (vgl. BGHZ 36, 345; Palandt, 71. A., § 286, Rn. 32).
Nur wenn im Mietvertrag geregelt wird, dass die Mietzinszahlung durch das Jobcenter erfolgen soll, dürfte es angemessen sein, dem Vermieter Versäumnisse der Behörde im Ergebnis zuzurechnen. Eine derartige Abrede wurde im vorliegenden Wohnungsmietvertrag vom 21.07./10.07.2006 indessen nicht getroffen.
II. Der Beklagte schuldet der Klägerin gemäß §§ 535 II, 566 BGB jedenfalls für die Monate Februar und März 2013 Mietzinszahlung in Höhe von insgesamt 660 €.
Bedeutung für die Praxis
Das Gericht zeigt mehrere Wege auf, die den Mieter verpflichten, nunmehr an den Erwerber als neuen Vermieter die Mietezahlung selbst oder durch Dritte zu leisten. Da der Erwerber nicht schon mit dem notariellen Kaufvertrag, sondern erst mit Grundbucheintragung kraft Gesetzes (§ 566 BGB) zum neuen Vermieter wird, bietet es sich als Optimallösung an, dem Mieter einen Auszug aus dem Kaufvertrag vorzulegen, der den Zeitpunkt der wirtschaftlichen Übergabe nennt, nebst Erklärung des Veräußerers, dass ab diesem Tage die Miete an den Erwerber zu zahlen sei (vgl. § 566e BGB). Der Mieter muss seiner Hausbank oder dem Sozialamt Mitteilung vom Vermieterwechsel machen. Zwar wäre ein Untätigbleiben der Behörde – verzögerte Bearbeitungszeiten – dem Mieter nicht ohne weiteres zuzurechnen, da das Sozialamt nicht als Erfüllungsgehilfin des Mieters handelt (BGH NJW 2009, 3781: für verzögerte Zahlung seitens der Behörde, LG Wiesbaden WuM 2012, 623); dies gilt jedoch erst für die Zeit ab Zugang der o. g. Mitteilung.
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
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