- BGB §§ 535, 536: Schimmelbildung in der Wohnung; Minderung
- BGB §§ 313, 558 Mieterhöhung bei Abweichung zwischen tatsächlicher und vereinbarter Wohnfläche
- BGB § 550 Umdeutung einer fristlosen Kündigung
- BGB §§ 566, 566e Erwerberansprüche bei einer vermieteten Immobilie

LG Berlin, Urteil vom 22.3.2013, 63 S 298/12
1. Für das Mieterhöhungsverlangen des Vermieters ist grundsätzlich die vertraglich vereinbarte Wohnfläche maßgeblich, auch wenn die tatsächliche Wohnfläche darüber hinausgehen sollte (vgl. BGH, 23. Mai 2007, VIII ZR 138/06, NJW 2007, 2626).
2. Weicht die tatsächliche Wohnfläche um mehr als 10 % von der vertraglich vereinbarten Fläche ab, kommt für den Vermieter unter Zugrundelegung der Grundsätze des Kalkulationsirrtums und der Störung der Geschäftsgrundlage eine Mieterhöhung auf Grundlage der tatsächlichen Wohnfläche in Betracht. Ein Kalkulationsirrtum liegt aber dann nicht vor, wenn sich der Vermieter (hier: einer Doppelhaushälfte) bei Abschluss des Vertrages über die tatsächliche Wohnfläche nicht geirrt, sondern in Kenntnis des Dachgeschosses und der darauf entfallenden Flächen allein die auf das Erdgeschoss entfallende Fläche zum Gegenstand der mietvertraglichen Vereinbarung erhoben hat.
Begründung
Der Klägerin steht gegenüber den Beklagten der Anspruch auf Zustimmung zur Mieterhöhung gemäß §§ 558 ff. BGB nicht zu. Die ortsübliche Vergleichsmiete für die von den Beklagten gemietete Doppelhaushälfte beläuft sich auf nicht mehr als 540,00 EUR. Dies aber werden von den Beklagten bereits gezahlt.
Selbst wenn sich die ortsübliche Vergleichsmiete auf 6,82/qm beliefe, ergäbe sich insgesamt allenfalls eine ortsübliche Bruttokaltmiete von 497,86 EUR (73 qm x 6,82 EUR). Der Vergleichsmietenermittlung ist nicht die von der Klägerin behauptete tatsächliche Wohnfläche der von den Beklagten innegehaltenen Doppelhaushälfte von 95 qm, sondern die zwischen den Parteien vereinbarte Wohnfläche von lediglich 73 qm zu Grunde zu legen. Dies folgt aus dem Grundsatz, dass für ein Mieterhöhungsverlangen des Vermieters grundsätzlich die vertraglich vereinbarte Wohnfläche maßgeblich ist, auch wenn die tatsächliche Wohnfläche darüber hinausgehen sollte (BGH, Urt. v. 23. Mai 2007 – VIII ZR 138/06 -, NJW 2007, 2626 Tz. 12). Hier aber haben die Parteien in § 1 des schriftlichen Mietvertrages ausdrücklich eine Flächenvereinbarung getroffen und die „Größe” der Mietsache mit 73 qm festgelegt.
Diese Vereinbarung ist auch nicht im Verlaufe des Mietverhältnisses ausdrücklich oder konkludent geändert worden. Nichts anderes folgt aus den Prozesserklärungen der Beklagten im zwischen den Parteien im Jahre 2004 geführten Rechtsstreit vor dem Amtsgericht Spandau – 10 C 34/03: Soweit dort nach Auffassung des damaligen Prozessbevollmächtigten der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 15. März 2004 „die Grundfläche nunmehr unstreitig 100 m2” betragen sollte, ergibt sich daraus für das nunmehr von der Kammer zu beurteilende Mieterhöhungsverlangen nichts. Denn die Beklagten hätten mit der ihnen zuzurechnenden Erklärung ihres damaligen Prozessbevollmächtigten im Lichte der Auslegungsparameter der §§ 133, 157 BGB allenfalls die für das damalige Erhöhungsverlangen maßgeblichen Bewertungsfaktoren unstreitig gestellt, ohne aber den Mietgegenstand selbst abzuändern. Hinzu kommt, dass der Beklagte zu 2) in der selben Verhandlung erklärt hat, er sei nach wie vor der Auffassung, dass die vermietete Wohnfläche nur 73 qm betrage. Nur auf die Wohnfläche – und nicht auf die Grundfläche – kommt es für die Beurteilung einer Mieterhöhung aber an (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urt. v. 23. Juni 2010 – VIII ZR 256/09, NJW 2010, 2648 Tz. 20).
Für die Beurteilung des streitgegenständlichen Erhöhungsanspruchs kam es nicht darauf an, dass die von der Klägerin behauptete tatsächliche Wohnfläche um mehr als 10 % von der vertraglich vereinbarten Fläche abweicht. Zwar kann für den Vermieter in einem solchen Fall unter Zugrundelegung der Grundsätze des Kalkulationsirrtums und der Störung der Geschäftsgrundlage eine Mieterhöhung auf Grundlage der tatsächlichen Wohnfläche in Betracht kommen (BGH, Urt. v. 23. Mai 2007 – VIII ZR 138/06 -, NJW 2007, 2626 Tz. 19). Eine Berücksichtigung der tatsächlichen Wohnfläche in Abweichung zur vertraglichen Vereinbarung ist hier aber ausgeschlossen. Denn die Klägerin ist bei Abschluss des Mietvertrages keinem Kalkulationsirrtum unterlegen:
Ein Kalkulationsirrtum liegt vor, wenn sich eine oder beide Vertragsparteien verdeckt oder offen bei ihrer Berechnung geirrt haben (Ellenberger, in: Palandt, BGB, 72. Aufl. 2013, § 119 Rz. 18-19). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt, da sich die Klägerin bei Abschluss des Vertrages über die tatsächliche Wohnfläche nicht geirrt, sondern in Kenntnis des – zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nach eigenem Vortrag bereits nutzbaren – Dachgeschosses und der darauf entfallenden Flächen allein die auf das Erdgeschoss entfallende Fläche zum Gegenstand der mietvertraglichen Vereinbarung erhoben hat. Daran ist sie, anders als der Vermieter, der sich in Kenntnis der vorhandenen Flächen über das heranzuziehende Flächenmaß oder der auf die einzelnen Flächen entfallenden Quadratmeter irrt, festzuhalten. Eine andere Beurteilung würde nur in Betracht kommen, wenn die Klägerin davon ausgegangen wäre, dass die im Mietvertrag vereinbarte Fläche von 73 qm sowohl auf die Erdgeschoss- als auch auf die Dachgeschossfläche entfällt. An einer derartigen Fehlvorstellung aber fehlte es, so dass eine Vertragsanpassung in Abweichung zur vertraglich ausdrücklich vereinbarten Fläche ausscheidet (vgl. AG Aachen, Urt. v. 5. Juni 2012 – 100 C 403/10, WuM 2012, 556).
Ob die auf das Dachgeschoss entfallenden Flächen für die streitgegenständliche Mieterhöhung auch deshalb außer Betracht zu bleiben hatten, weil die Beklagten das von ihnen ursprünglich nicht genutzte Dachgeschoss durch eigene Investitionen selbst ausgebaut haben, bedurfte daher keiner Entscheidung durch die Kammer (vgl. dazu BGH, Urt. v. 7. Juli 2010 – VIII ZR 315/09, NJW-RR 2010, 1384).
Bedeutung für die Praxis
Eine Berücksichtigung der tatsächlich größeren Wohnfläche in Abweichung zur vertraglichen Vereinbarung ist in der Regel auch bei einer Abweichung um mehr als 10 % ausgeschlossen. Solche Vereinbarungen zulasten des Vermieters lässt die Rechtsprechung zu, statt auf die tatsächliche Wohnungsgröße abzustellen (vgl. dazu Börstinghaus, Flächenabweichungen, 2012 Rn. 672 ff).
Dr. Olaf Riecke, Hamburg