- BGB § 535 Mischmietverhältnis; konkludenter Mietvertragsabschluss
- BGB §§ 307, 556; BetrKV § 2 Kosten der jährlichen Wartung einer Gastherme
- BGB §§ 288 Abs. 1, 556 Abs. 3 Gewerberaummiete: Verzugszinsen aus Betriebskostenguthaben
- BGB §§ 275 Abs. 2, 313 Abs. 3, 543 Abs. 1 Leistungserschwerung; Wegfall der Geschäftsgrundlage
- BetrKV § 1 Satz 2 Betriebskosten
- ZPO § 253; BGB § 535 Mieteforderung und Saldoklage

Kündigung eines Langzeitmietverhältnisses, OLG Dresden, Urteil vom 16.8.2012, 5 U 1350/11
Die Frage nach der Berechtigung der außerordentlichen Kündigung eines Mietvertrages wegen wirtschaftlicher Unmöglichkeit bzw. Unerschwinglichkeit für den Vermieter (Unterfall der Leistungserschwerung) ist auf der Grundlage der Regelung in § 313 Abs. 3 BGB (Störung der Geschäftsgrundlage) zu entscheiden, nicht aber anhand von § 275 Abs. 2 BGB.
Eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund nach § 543 Abs. 1 BGB setzt grundsätzlich voraus, dass der Kündigungsgrund in der Person oder dem Risikobereich des Kündigungsgegners begründet ist.
Sachverhalt
I. Der Kläger nimmt den Beklagten auf Räumung und Herausgabe von Räumen in Anspruch.
Am 18.12.1990/02.01.1991 schlossen die damalige Gemeinde G. als Vermieterin und der Beklagte sowie Herr K. W. als Mieter einen Mietvertrag über die Nutzung von verschiedenen Räumlichkeiten in unterschiedlichen Flügeln der Burg G. Dabei handelt es sich sowohl um gewerblich genutzte als auch um Wohnräume.
Mit Übergang des Eigentums an der Burg ist der Kläger in die Vermieterstellung eingerückt. Der ursprüngliche Mitmieter K. W. ist aus dem Mietverhältnis ausgeschieden. Der Beklagte betreibt im Westflügel der Burg eine gastronomische Einrichtung und mehrere Fremdenzimmer. Der Mietvertrag wurde ursprünglich auf eine Dauer von 20 Jahren fest abgeschlossen. Der Mieter erhielt allerdings eine Verlängerungsoption um weitere 10 Jahre, welche mit dem Schreiben vom 12.02.2002 ausgeübt wurde. Die Gesamtlaufzeit des Mietvertrages erhöhte sich damit auf 30 Jahre. Die Regelungen des Mietvertrages wurden durch die Vereinbarung der Vertragsparteien vom 03.11.1995 modifiziert.
Im Zuge der Überarbeitung des Brandschutzkonzeptes für den Westflügel der Burg gelangte der Kläger zu dem Ergebnis, dass die Herstellung des Brandschutzes nur mit einer grundlegenden Sanierung der Dachkonstruktion und der Decke über dem Hotelbereich im Westflügel möglich ist und dafür insgesamt Kosten in Höhe von etwa 640.000,00 € anfallen werden, wovon 560.000,00 € auf die Instandsetzung des Daches und 80.000,00 € auf die Brandschutzmaßnahmen entfallen. Diesen Kosten steht eine durchschnittliche Jahresmiete des Beklagten gegenüber, die in den Jahren 2004 bis 2007 16.963,50 € betrug. Nach Auffassung des Klägers führt dies zu einem derartigen Missverhältnis zwischen den aufzuwendenden Kosten einerseits und der von ihm zu erzielenden Miete andererseits, dass für ihn die sogenannte „Opfergrenze” überschritten ist, mit der Folge, dass er nicht verpflichtet ist, die Instandsetzungsmaßnahmen durchzuführen. Ohne Durchführung der Instandsetzungsmaßnahmen bestehe aber eine akute Einsturzgefahr, so dass der Kläger wegen des Überschreitens der „Opfergrenze” auch nicht zur weiteren Fortführung des Mietverhältnisses mit dem Beklagten verpflichtet sei, sondern auch insoweit von seiner Verpflichtung gemäß § 275 Abs. 2 BGB bzw. § 242 BGB befreit sei. Mit dieser Begründung erklärte der Kläger die außerordentliche Kündigung des Mietverhältnisses in seinen Schreiben an den Beklagten vom 26.09. und 15.10.2008. Nach einem Hinweis des Senats trägt der Kläger ergänzend vor, er stütze die Beendigung des Mietverhältnisses der Parteien auch auf seine weiteren Kündigungen vom 30.11.2011, vom 08.12.2011, vom 24.02.2012 und vom 23.03.2012 .
Zu den Kündigungen vom 30.11. und 08.12.2011 trägt der Kläger vor, der Beklagte habe, nachdem der Landkreis L. mit Bescheid vom 09.08.2011 die Nutzungsuntersagung in Bezug auf das Obergeschoss des Westflügels der Burg erklärt habe, vom Kläger mit dem Schreiben vom 22.08.2011 verlangt, die brandschutztechnischen Mängel zu beseitigen und hierfür verschiedene näher benannte Maßnahmen durchzuführen.
Begründung
Dem Kläger steht der geltend gemachte Räumungsanspruch weder aus § 546 Abs. 1 BGB noch aus § 985 BGB zu. Der Kläger hat den zwischen den Parteien unstrittig zunächst bestehenden Mietvertrag nicht beendet. Eine Beendigung durch ordentliche Kündigung kam wegen der Befristung des Mietvertrages nicht in Betracht. Der Kläger hat den Mietvertrag auch nicht durch die von ihm ausgesprochenen außerordentlichen Kündigungen vom 26.09./15.10.2008 (dazu 1.), vom 30.11./08.12.2011 (dazu 2.), vom 24.02.2012 (dazu 3.), vom 23.03.2012 (dazu 4.) und vom 06.07.2012 (dazu 5.) beendet. Der Beklagte kann deshalb dem Herausgabeanspruch des Klägers aus § 985 BGB sein Recht auf Besitz aus dem Mietvertrag gemäß § 986 Abs. 1 BGB entgegenhalten.
1. Der Kläger macht geltend, die ihm grundsätzlich obliegende Instandsetzungspflicht (§ 535 Abs. 1 S. 2 BGB) in Bezug auf den Westflügel der Burg G. führe zu einer Kostenbelastung in Höhe von mindestens des von der gerichtlichen Sachverständigen B. ermittelten Betrages von rund 626.000,00 €. Mit diesen Kosten werde die sog. „Opfergrenze” überschritten, weil ihnen jährliche Mieteinnahmen vom Beklagten in Höhe von nur durchschnittlich rund 17.000,00 € gegenüberständen.
Diese Auffassung teilt der Senat nicht. Er ist zunächst der Ansicht, dass eine Beendigung des Mietvertrages erst durch den Ausspruch einer Kündigung eintritt, nicht aber bereits kraft Gesetzes. Unabhängig davon, dass die Notwendigkeit einer Kündigung schon wegen der Erfordernisse der Rechtssicherheit unabdingbar ist, erwächst aus § 275 Abs. 2 BGB lediglich ein Leistungsverweigerungsrecht, das vom Schuldner auch geltend gemacht werden muss. Im vorliegenden Falle kommt es darauf allerdings nicht entscheidend an, weil der Kläger im Herbst 2008 zwei Kündigungen erklärt hat. Nach Auffassung des Senates begründet das Vorbringen des Klägers kein Kündigungsrecht in Bezug auf das Mietverhältnis. Eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund nach § 543 Abs. 1 BGB scheidet aus, denn sie setzt grundsätzlich voraus, dass der Kündigungsgrund in der Person oder dem Risikobereich des Kündigungsgegners begründet ist (vgl. BGH, Urteil vom 13.12.1995, XII ZR 185/93, ZMR 1996, 309; Senatsurteil vom 03.12.2002, 5 U 1270/02, NJW 2003, 1819; ebenso allgemein zur Kündigung aus wichtigem Grund: BGH, Urteil vom 11.11.2010, III ZR 57/10, NJW-RR 2011, 916). Im vorliegenden Falle wurde aber der angefallene Sanierungsbedarf weder durch den Beklagten begründet noch fällt er in seinen – vertraglichen oder gesetzlichen – Risikobereich. Die Instandsetzungspflicht fällt vielmehr gemäß § 535 Abs. 1 S. 2 BGB in den Verantwortungsbereich des Klägers als Vermieter. Dennoch könnte das Vorbringen des Klägers ausnahmsweise ein Kündigungsrecht außerhalb des Anwendungsbereiches des § 543 Abs. 1 BGB begründen, wobei nach Auffassung des Senates nicht die Regelung in § 275 Abs. 2 BGB, sondern die Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB anwendbar wären (dazu a). Auch auf diese Abgrenzung kommt es allerdings nicht entscheidend an, weil sich im vorliegend konkret zu beurteilenden Fall ein Kündigungsrecht des Klägers weder auf § 313 Abs. 3 BGB noch auf § 275 Abs. 2 BGB stützen lässt (dazu b).
Im Ergebnis konnten die Kündigungen vom 26.09. und 15.10.2008 deshalb das Mietverhältnis nicht beenden. Es kann deshalb offen bleiben, ob diese Kündigungen im Falle ihrer Wirksamkeit das Mietverhältnis insgesamt beendet hätten oder lediglich in Bezug auf diejenigen Räume, welche im Westflügel der Burg G. liegen.
a) Nach dem Willen des Gesetzgebers, welcher die aktuelle Fassung des § 275 Abs. 2 BGB im Rahmen der Schuldrechtsreform mit Wirkung zum 01.01.2002 schuf, sollte diese Vorschrift die sog. faktische Unmöglichkeit regeln, bei welcher die Behebung des Leistungshindernisses zwar theoretisch möglich wäre, kein vernünftiger Gläubiger diese aber ernsthaft erwarten würde. Das entsprechende Schulbeispiel ist der billige, als Stückschuld geschuldete Ring, welcher sich auf dem Grund eines Sees befindet, von welchem er nur mit erheblichen Kostenaufwand heraufgeholt werden kann. Dagegen wollte der Gesetzgeber den Fall der sog. wirtschaftlichen Unmöglichkeit bzw. Unerschwinglichkeit im Sinne der bloßen Leistungserschwerung für den Schuldner nicht mit der Regelung in § 275 Abs. 2 BGB erfassen, sondern nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage behandelt wissen (vgl. BT-Drs. 14/6040, S. 129, 130). Der Grundgedanke der faktischen Unmöglichkeit wird im Gesetzestext von § 275 Abs. 2 S. 1 BGB nachgezeichnet, wenn dort ein grobes Missverhältnis zwischen dem hohen Aufwand des Schuldners für die Leistungserbringung und dem geringen Leistungsinteresse des Gläubigers gefordert wird. Im Übrigen ist festzuhalten, dass der Entscheidung des VIII. Zivilsenats des BGH vom 20.07.2005 (VIII ZR 342/03, NJW 2005, 3284), in welcher der BGH eine Zumutbarkeitsprüfung nach § 275 Abs. 2 BGB durchführt, ein Sachverhalt zugrunde lag, in dem es um die faktische Unmöglichkeit ging. Es ging um Feuchtigkeitsschäden im Durchgang zum Keller und zur Tiefgarage eines Mietshauses, deren Beseitigung einen sehr hohen Aufwand erforderte, weil sie letztlich eine vollständige Erneuerung der Betonwanne unter dem Haus notwendig machte. Der Vorteil der Mieter, „bei jedem Wetter trockenen Fußes zu ihrem Pkw zu gelangen”, stand dazu in keinem Verhältnis.
Der Kläger macht dagegen eine sog. wirtschaftliche Unmöglichkeit im Sinne einer bloßen Leistungserschwerung geltend, denn er argumentiert dahin, er könne zwar tatsächlich die Sanierungsmaßnahmen durchführen, dies sei ihm aber nicht zuzumuten, weil die Durchführung der Leistung im Verhältnis zum Ertrag aus dem Mietvertrag zu teuer sei. Nach dem – auch im Wortlaut des § 275 Abs. 2 BGB zum Ausdruck gekommenen – Willen des Gesetzgebers unterfällt dieser Fall der bloßen Leistungserschwerung den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage, die in § 313 BGB geregelt sind. Dies entspricht auch der Rechtsprechung des für die Geschäftsraummiete zuständigen XII. Zivilsenates des BGH (vgl. Urteil vom 13.12.1995, a.a.O.) und des Senates (Senatsurteil vom 03.12.2002, a.a.O.).
b) Ein Kündigungsrecht des Klägers kann sowohl über § 275 Abs. 2 BGB als auch über § 313 Abs. 3 BGB nur dann ausnahmsweise begründet werden, wenn die Abwägung der beiderseitigen Interessen unter Berücksichtigung des Inhaltes der von den Parteien geschlossenen Vereinbarung ergibt, dass das Interesse des Klägers an der Lösung vom Vertrag das Interesse des Beklagten, am Vertrag festzuhalten, übersteigt (vgl. zur Abwägung auch Hirsch ZMR 2007, 81).
Im vorliegenden Falle führt diese Abwägung dazu, ein Recht des Klägers zur außerordentlichen Kündigung des Mietvertrages zu verneinen. Ein wesentlicher Gesichtspunkt, der gegen ein Kündigungsrecht des Klägers spricht, ist die vertragliche Regelung zur Risikoverteilung. Der Kläger hat im Mietvertrag die Instandsetzungsverpflichtung übernommen. Damit hat er zugleich das Risiko übernommen, dass während der Vertragslaufzeit ein Instandsetzungsbedarf entsteht, für den er aufzukommen hat. Gerade im vorliegenden Falle eines langfristig befristeten Mietvertrages liegt ein typisches Vertragsrisiko darin, dass der Instandsetzungsbedarf im Laufe der langen Mietzeit entsteht. Im vorliegenden Falle gilt dies umso mehr, als der Kläger bzw. sein Rechtsvorgänger ein historisches Gebäude vermietet hat, welches zum Zeitpunkt der Vermietung schon seit längerer Zeit nicht mehr entscheidend saniert worden war. Es stammten die letzten wesentlichen Veränderungen im Dachtragewerk des Westflügels aus dem Jahre 1953, wobei es sich um eine typische Konstruktion aus der Mangelzeit, wo Holzreste unterschiedlichster Dimensionen und Längen verarbeitet wurden, handelte. Wenn aber knapp 40 Jahre nach einer solchen Reparatur zu Zeiten des Mangels in der DDR ein Vertrag mit einem Mieter geschlossen wird, dessen Vertragslaufzeit unter Berücksichtigung der Option für den Mieter potenziell 30 Jahre beträgt, dann ist es zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses vorhersehbar, dass während der Vertragslaufzeit erhebliche Sanierungen an der Dachkonstruktion erforderlich sein werden. Mithin enthält der Mietvertrag eine entsprechende vertragliche Risikoübernahme durch den Vermieter. Dieses vertraglich übernommene Risiko hat sich nunmehr verwirklicht.
Demzufolge macht der Kläger mit der Begründung der Kündigungen vom 26.09. und 15.10.2008 die Verwirklichung eines Risikos geltend, welches er selbst bzw. sein Rechtsvorgänger mit Abschluss des Mietvertrages übernommen hat. Eine Anpassung des Vertrages nach den Regelungen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage kommt in diesen Fällen regelmäßig nicht in Betracht (vgl. BGH, Urteil vom 08.05.2002, XII ZR 8/00, NJW 2002, 2384). Auch im Anwendungsbereich des § 275 Abs. 2 BGB steht aber die vertragliche Risikoübernahme der Geltendmachung eines gesetzlichen Leistungsverweigerungsrechtes entgegen, weil die nach § 275 Abs. 2 S. 1 BGB vorzunehmende Abwägung „unter Beachtung des Inhalts des Schuldverhältnisses” zu erfolgen hat. Darüber hinaus steht dem Interesse des Klägers an der Vermeidung des Instandsetzungsaufwandes im vorliegenden Falle ein besonders starkes Leistungsinteresse des Beklagten als Gläubiger des Instandsetzungsanspruches gegenüber. ... Sein Leistungsinteresse geht nicht nur auf eine Beseitigung der Beschränkung der Nutzung, sondern auf die Ermöglichung der Nutzung überhaupt. Der Kläger selbst trägt vor, es bestehe eine akute Einsturzgefahr im Westflügel, und wird in dieser Einschätzung durch die derzeit bestehende Nutzungsuntersagung des Landkreises L. vom 13.02.2012 bestätigt.
Umgekehrt liegt das Interesse des Klägers nach seiner eigenen Darstellung nicht in der dauerhaften und endgültigen, sondern nur in der vorübergehenden Befreiung von den drohenden Sanierungskosten. Der Kläger hat ausgeführt, es sollten kurzfristig keine Sanierungsmaßnahmen, sondern nur Sicherungsmaßnahmen ausgeführt werden. Zur Frage, ob auch langfristig keine Sanierung des Westflügels durchgeführt werden solle, sei eine Entscheidung nicht gefallen. Dementsprechend macht der Kläger nicht das – stärker zu bewertende – Interesse an einer dauerhaften Vermeidung von Instandsetzungskosten geltend, sondern vielmehr nur das – schwächer zu bewertende – Interesse an der vorübergehenden Vermeidung von Instandsetzungskosten.
2. Die Kündigungen des Klägers vom 30.11./08.12.2011 haben nicht zu einer Beendigung des streitgegenständlichen Mietverhältnisses geführt, weil dem Kläger zum Kündigungszeitpunkt kein wichtiger Grund i.S.v. § 543 Abs. 1 S. 2 BGB zustand.
Der Kern des Vorwurfes dieser verhaltensbezogenen Kündigungen an den Beklagten lautet, dieser habe unabgestimmte Baumaßnahmen im Mietobjekt durchgeführt und damit gegen § 7 der Zusatzvereinbarung zum Mietvertrag vom 03.11.1995 verstoßen. Daran ist richtig, dass die Maßnahmen nicht im Einzelnen vom Beklagten mit dem Kläger abgestimmt waren. Andererseits dienten die Maßnahmen der Beseitigung der Nutzungsuntersagung des Landkreises L. für das Obergeschoss des Westflügels vom 09.08.2011und hatten damit auch insoweit Erfolg, dass der Landkreis L. die Nutzungsuntersagung vom 09.08.2011 mit seinem Bescheid vom 04.11.2011 wieder aufhob. Zudem hatte der Beklagte vor Durchführung der Maßnahmen mit seinem Schreiben vom 22.08.2011 den Kläger aufgefordert, die insoweit notwendigen Maßnahmen durchzuführen. Der Kläger blieb seinerseits untätig ...
3. Auch die Kündigung vom 24.02.2012 konnte das Mietverhältnis der Parteien nicht beenden, weil zugunsten des Klägers kein wichtiger Grund i.S.v. § 543 Abs. 1 S. 2 BGB vorlag. Kern des Vorwurfes dieser verhaltensbedingten Kündigung ist der Verstoß des Beklagten gegen das Besichtigungs- und Betretungsrechts des Klägers als Vermieter. Nach Auffassung des Senates kommt ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung i.S.v. § 543 Abs. 1 S. 2 BGB in einem solchen Fall allenfalls dann in Betracht, wenn das Besichtigungs- und Betretungsrecht des Vermieters durch das Verhalten des Mieters regelrecht dauerhaft verhindert wird (vgl. auch Blank in Blank/Börstinghaus, Miete, 3. Aufl., § 543 Rn. 38, m.w.N.). Von einem solchen Sachverhalt ist im vorliegenden Falle nicht auszugehen. Der Beklagte hat zwar auf den Besichtigungswunsch des Klägers von Anfang Februar 2012 im Schreiben seines Vaters vom 11.02.2012 eher schnoddrig und unhöflich geantwortet. Von einem dauerhaften Unterlaufen des Besichtigungsrechtes des Klägers kann jedoch nicht gesprochen werden.
4. Auch die fristlose Kündigung des Klägers vom 23.03.2012 hat das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis nicht beendet. Diese Kündigung wird auf die Behauptung gestützt, der Beklagte habe mit dem Schreiben seines Vaters vom 11.02.2012 dem Kläger eine falsche Auskunft in dem Sinne gegeben, dass er die Durchführung von Baumaßnahmen im Mietobjekt geleugnet habe.
Bedeutung für die Praxis
Ein Kündigungsrecht des Vermieters wegen Überschreitens der sog. „Opfergrenze“ kann nur dann ausnahmsweise begründet werden, wenn die Abwägung der beiderseitigen Interessen unter Berücksichtigung des Inhaltes der von den Parteien geschlossenen Vereinbarung ergibt, dass das Interesse des Vermieters an der Lösung vom Vertrag das Interesse des Mieters, am Vertrag festzuhalten, übersteigt. Ein wesentlicher Gesichtspunkt, der vorliegend gegen ein Kündigungsrecht des Vermieters spricht, ist die vertragliche Regelung zur Risikoverteilung. Der Vermieter hat im Mietvertrag die Instandsetzungsverpflichtung übernommen. Damit hat er zugleich das Risiko übernommen, dass während der Vertragslaufzeit ein Instandsetzungsbedarf entsteht, für den er aufzukommen hat. Gerade im vorliegenden Falle eines langfristig befristeten Mietvertrages liegt ein typisches Vertragsrisiko darin, dass der Instandsetzungsbedarf im Laufe der langen Mietzeit entsteht. Im vorliegenden Falle gilt dies umso mehr, als der Vermieter bzw. sein Rechtsvorgänger ein historisches Gebäude vermietet hat, welches zum Zeitpunkt der Vermietung schon seit längerer Zeit nicht mehr entscheidend saniert worden war. Es stammten die letzten wesentlichen Veränderungen im Dachtragewerk des Westflügels aus dem Jahre 1953, wobei es sich um eine typische Konstruktion aus der Mangelzeit, wo Holzreste unterschiedlichster Dimensionen und Längen verarbeitet wurden, handelte. Wenn aber knapp 40 Jahre nach einer solchen Reparatur zu Zeiten des Mangels in der DDR ein Vertrag mit einem Mieter geschlossen wird, dessen Vertragslaufzeit unter Berücksichtigung der Option für den Mieter potenziell 30 Jahre beträgt, dann ist es zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses vorhersehbar, dass während der Vertragslaufzeit erhebliche Sanierungen an der Dachkonstruktion erforderlich sein werden. Mithin enthält der Mietvertrag eine entsprechende vertragliche Risikoübernahme durch den Vermieter. Dieses vertraglich übernommene Risiko hat sich nunmehr verwirklicht.
Rechtsanwalt Heiko Ormanschick, Hamburg