- BGB §§ 307, 343; HGB § 348 Vertragsstrafeversprechen bei Gewerbemiete
- BGB § 543; StGB § 267 Unredliches Prozessverhalten des Mieters als neuer Kündigungsgrund?
- BGB §§ 585, 585a, 594 Optionsrecht auf Pachtverlängerung
- BGB §§ 558ff Mieterhöhungsverlangen; Mietspiegel der Nachbargemeinde

LG Potsdam, Urteil vom 14. März 2014, 13 S 86/13
Von Vergleichbarkeit zweier Gemeinden kann nur dann ausgegangen werden, wenn die Gemeinden nach der wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Infrastruktur, dem Grad der Industrialisierung, der verkehrstechnischen Erschließung und der Anbindung an Versorgungszentren vergleichbar sind (vgl. BGH ZMR 2014, 268 mit Anm. Fleindl).
Ob dies der Fall ist, kann nur aufgrund einer umfassenden vergleichenden Betrachtung der vorgenannten Merkmale festgestellt werden. Ein Teilvergleich mit einzelnen Stadtteilen ist dabei unzulässig.
Sachverhalt
Die Parteien streiten über die Erhöhung der Nettokaltmiete für die Mietwohnung der Beklagten.
Die Kläger sind Eigentümer des Mietobjekts A, das sie vom Rechtsvorgänger durch notariell beurkundeten Kaufvertrag und nach Eintragung im Grundbuch zu Eigentum erworben haben. Die Beklagte hatte - vormals noch mit ihrem Ehemann - von dem Rechtsvorgänger der Kläger die im zweiten Obergeschoss rechts gelegene 3-Zimmer-Wohnung durch Mietvertrag vom 5./15. November 1998 angemietet. Nach dem Mietvertrag ist die Wohnfläche mit 93,54 m² angegeben. …. Die monatlich zu entrichtende Grundmiete hat zuletzt ab dem 1. Februar 2008 EUR 608,00 betragen und ist seitdem nicht erhöht worden.
Mit Schreiben vom 26. März 2012, adressiert an die Beklagte und ihr durch Einwurfschreiben am 27. März 2012 zugegangen, hat die Hausverwaltung im Namen der Kläger von der Beklagten die Zustimmung zur Anhebung der Grundmiete von 608,00 € um monatlich 64,55 € auf 672,55 € ab dem 1. Juni 2012 begehrt. Als Begründungselement wurde der bis zum 15. August 2012 geltende Mietspiegel der Stadt Potsdam 2010 aufgeführt (für die Gemeinde M. und den ihr zugehörigen Ortsteil W. existiert kein Mietspiegel) und die Mietwohnung in das Mietspiegelfeld D 17 mit dem Ausstattungsmerkmal „voll ausgestattet - voll saniert - ohne Sanierung nach EnEV“ mit einer Mietspanne zwischen 5,79 €/m² bis 8,73 €/m² bei einem Mietmittelwert von 6,82 €/m² eingeordnet, wobei die Erhöhung mit 0,69 €/m² angegeben wurde. Unter Zuhilfenahme der im Mietspiegel der Stadt Potsdam beigefügten Orientierungshilfe zur Spanneneinordnung innerhalb der Mietspiegelfelder haben die Kläger auf Wohnwert erhöhende Merkmale verwiesen, die sie mit 24 Punkten angaben, und zwar 8 Punkte für ein zweites WC/ bzw. WC vom Bad getrennt, 7 Punkte für eine Balkongröße > 3,8 qm, 6 Punkte für Teppichboden oder andere hochwertige Beläge, 2 Punkte für Außenjalousien, 5 Punkte für einen zusätzlichen Abstellraum im Gebäude, 5 Punkte für ein aufwändig gestaltetes Wohnumfeld/Lage an besonders ruhigen Straßen sowie 5 Punkte für Wohnquartiere mit geringer Einwohner- und Bebauungsdichte. An Wohnwert mindernden Merkmale haben sich die Kläger 4 Punkte für fehlende Fenster in der Küche und jeweils 5 Punkte wegen einer unzureichenden Einzelhandelsversorgung und keine Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr in Abzug bringen lassen. Die Beklagten haben ihre Zustimmung zur Mieterhöhung nicht erteilt.
Begründung
Die Beklagte ist nicht verpflichtet, dem Mieterhöhungsverlangen der Kläger ihre Zustimmung zu erteilen.
Das Mieterhöhungsverlangen der Kläger, das sie durch die von ihnen beauftragte Hausverwaltung haben erklären lassen, ist bereits gemäß § 558a Abs. 1 BGB formell unwirksam.
Zwar haben die Kläger ihr Erhöhungsverlangen in Textform (§ 126b BGB) erklärt. Inhaltlich erfüllt es aber nicht die formellen Anforderungen des § 558a Abs. 1, 2, 4 BGB, da die Kläger rechtsfehlerhaft als Begründungselement den qualifizierten Mietspiegel der Stadt Potsdam 2010 im Sinne des § 558d BGB gewählt haben, der im vorliegenden Fall als Begründungselement ausscheidet. Ihre Klage auf Zustimmung zu der begehrten Mieterhöhung ist unter diesen Umständen unzulässig, weil ihr kein wirksames Erhöhungsverlangen vorausgegangen ist. Denn der darin herangezogene Mietspiegel 2010 der Stadt Potsdam ist auch unter Berücksichtigung des vom Ausgangsgericht vorgenommenen Abschlags von 15 % nicht zur Begründung eines Mieterhöhungsverlangens für die in der Gemeinde M. Ortsteil W. belegene Wohnung der Beklagten geeignet.
Hat der Vermieter das Mieterhöhungsverlangen entgegen § 558a Abs. 1 BGB nicht ausreichend begründet, ist dieses unwirksam. Grund hierfür ist, dass die Begründung dem Mieter die Möglichkeit geben soll, die sachliche Berechtigung des Erhöhungsverlangens zu überprüfen, um überflüssige Prozesse zu vermeiden (BGH, Urteil vom 13. November 2013, VIII ZR 413/12, WuM 2014, 33 = ZMR 2014, 268 mit Anm. Fleindl; BGH, Urteil vom 26.10.2005 - VIII ZR 41/05 - NJW-RR 2006, 227 = NZM 2006, 101 mwN; Urteil vom 12.07.2006 - VIII ZR 215/05 - NJW-RR 2006, 1599 = NZM 2006, 864 mwN; Urteil vom 12.12.2007, VIII ZR 11/07, NJW 2008, 573 = NZM 2008, 164; BGH, Urteil vom 12. Juli 2006 - VIII ZR 215/05, WuM 2006, 569). Hierfür ist es aber erforderlich, dass die Begründung dem Mieter konkrete Hinweise auf die sachliche Berechtigung des Erhöhungsverlangens gibt, damit er während der Überlegungsfrist die Berechtigung der Mieterhöhung überprüfen und sich darüber schlüssig werden kann, ob er dem Erhöhungsverlangen zustimmt oder nicht. Zwar dürfen an das Begründungserfordernis im Hinblick auf das Grundrecht des Vermieters aus Art. 14 GG keine überhöhten Anforderungen gestellt werden (vgl. insoweit BVerfGE 49, 244, 249 f.; BGH, Urteil vom 12. November 2003 - VIII ZR 52/03, NJW 2004, 1379 - noch zu § 2 Abs. 2 MHG). Allerdings muss das Erhöhungsverlangen - in formeller Hinsicht - Angaben über die Tatsachen enthalten, aus denen der Vermieter die Berechtigung der geforderten Mieterhöhung herleitet, und zwar in dem Umfang, wie der Mieter solche Angaben benötigt, um der Berechtigung des Erhöhungsverlangens nachgehen und diese zumindest ansatzweise überprüfen zu können (BGH, Urteil vom 12. Dezember 2007 - VIII ZR 11/07, NJW 2008, 573 Rn. 12 mwN).
Das ist hier nicht der Fall. Für die Gemeinde M. und den ihr zugehörigen Ortsteil W. existiert kein Mietspiegel, so dass die Kläger ihr Mieterhöhungsverlangen nur dann mit dem (qualifizierten) Mietspiegel der Stadt Potsdam hätten begründen dürfen, wenn es sich bei der Stadt Potsdam im Vergleich zur Gemeinde M. mit seinem Ortsteil W. um eine vergleichbare Gemeinde im Sinne des § 558a Abs. 4 Satz 2 letzter Halbsatz BGB handeln würde. Dies ist aber nicht der Fall. Von Vergleichbarkeit beider Gemeinden kann nämlich nur dann gesprochen werden, wenn die Gemeinden nach der wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Infrastruktur, dem Grad der Industrialisierung, der verkehrstechnischen Erschließung und der Anbindung an Versorgungszentren vergleichbar sind. Ob dies der Fall ist, kann nur aufgrund einer umfassenden vergleichenden Betrachtung der vorgenannten Merkmale festgestellt werden. Ein Teilvergleich mit einzelnen Stadtteilen ist dabei unzulässig (LG Heidelberg, Urt. v. 17.02.2012 - 5 S 95/11 - WuM 2012, 205, m. Anm. Börstinghaus, juris PR - MietR 5/2012 Anm. 2).
Diese Vergleichbarkeit zwischen der Gemeinde M. und der Landeshauptstadt Potsdam ist aber aufgrund der vorgenannten Merkmale offenkundig nicht vorhanden. So ist eine Hochschulstadt wie Potsdam mit ca. 170.000 Einwohnern mit einer Kleinstadt wie die Gemeinde M. mit ca. 11.700 Einwohnern nicht vergleichbar (vgl. für die Vergleichbarkeit einer Gemeinde mit einer Hochschulstadt AG Aschaffenburg, Urteil vom 25. Juli 2013 - 115 C 779/12). Aus der Entfernung betrachtet, erscheint es schon sehr gewagt, eine Gemeinde mit 17.000 Einwohnern mit einer Großstadt mit einer nahezu 200.000 Einwohnern zu vergleichen. Dies gilt deshalb insbesondere auch deshalb, weil die ortsübliche Vergleichsmiete immer gemeindebezogen zu erstellen ist, weshalb vergleichbare Stadtteilmieten nicht maßgeblich sind. Die Vergleichbarkeit scheitert aber schon daran, dass die Gemeinde M. weder über eine Universität noch ein Theater verfügt und mit dem Oberzentrum Potsdam hinsichtlich der Bevölkerungs- und Infrastruktur in keiner Weise vergleichbar ist.
Zwar stellt das Ausgangsgericht noch zutreffend darauf ab, dass § 558a Abs. 2 BGB mit den vier dort aufgeführten Begründungsmitteln keine abschließende Regelung enthält und unter den in § 558a Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 Satz 2 BGB genannten Voraussetzungen auch der Mietspiegel einer vergleichbaren Gemeinde zur Begründung herangezogen werden kann, wenn kein Mietspiegel vorhanden ist (vgl. BGH, Urteil vom 16. Juni 2010 - VIII ZR 99/09, NJW 2010, 2946 Rn. 7). Die Gemeinde M. mit etwa 11.766 Einwohnern ist jedoch mit der Großstadt Potsdam mit rund 170.000 Einwohnern nicht vergleichbar. Dass in ruhigeren Randgebieten Potsdams die Wohnqualität mit derjenigen der nahe gelegenen Gemeinde M. vergleichbar sein mag, ist für die Vergleichbarkeit beider Gemeinden unerheblich. Denn über die in der Gemeinde M. bestehende ortsübliche Miete gibt der für das gesamte Stadtgebiet Potsdams erstellte Mietspiegel keine Auskünfte (vgl. LG Heidelberg WuM 2012, 205).
Die fehlende Vergleichbarkeit der Gemeinde M. mit der Stadt Potsdam kann auch nicht durch einen prozentualen Abschlag auf die Potsdamer Mieten ersetzt werden. Gemäß § 558a Abs. 4 BGB ist der Mietspiegel einer anderen Gemeinde nur unter der Voraussetzung ein taugliches Mittel zur Begründung des Mieterhöhungsverlangens, dass es sich um einen Mietspiegel einer vergleichbaren Gemeinde handelt. Wenn in § 558a Abs. 4 Satz 2 BGB von dem Mietspiegel einer "vergleichbaren Gemeinde" die Rede ist, dann ist damit ein Rechtsbegriff gewählt, der in Art. 28 GG und ihm folgend in den Gemeindeordnungen der Bundesländer eine feste Bedeutung hat. Gemeinde in diesem Sinne ist aber nur der Stadtkreis Potsdam, während W. lediglich ein Ortsteil der Gemeinde M. ist. Auch die Systematik spricht für diese enge Auslegung, denn in § 558c Abs. 2 BGB unterscheidet das Gesetz sehr genau zwischen "Gemeinden" und "Gemeindeteilen". Auch wird die ortsübliche Vergleichsmiete selbst nur gebildet aus den "üblichen Entgelten, die in der Gemeinde oder einer vergleichbaren Gemeinde" erzielt werden (§ 558 Abs. 2 BGB). Maßgeblich ist also allein der Vergleich der Gemeinden als Gebietskörperschaften in ihrer Gesamtheit. Ein Teilvergleich ist unzulässig (LG Darmstadt WuM 1996, 559; LG München II WuM 1986, 259; Schmidt-Futterer/Börstinghaus, Mietrecht, 11. Aufl. 2013, § 558a Rn. 46) und kann auch hier nicht unter Hinweis auf den nur beispielhaft ("insbesondere") genannten Mietspiegel einer vergleichbaren Gemeinde als zulässig angesehen werden. Allenfalls dann könnte eine ausweitende Auslegung angezeigt sein, wenn die Nachbargemeinde lediglich für den in Bezug genommenen Stadtteil - als Gemeindeteil i. S. d. § 558c Abs. 2 BGB - einen eigenen Mietspiegel erstellt hätte. Das ist aber vorliegend nicht der Fall, sondern der Mietspiegel erstreckt sich nur - und hierbei allerdings - auf das gesamte Gemeindegebiet Potsdams.
RA Heiko Ormanschick, Hamburg
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