- BGB §§ 276, 280 ff., 675 Abweichende Ausführung der Aufzugssanierung, Verwalterhaftung
- WEG §§ 10, 14 Nr.1, 15, 23 Gewerbeeinheit – genutzt als Supermarkt – wird zum Gebetshaus
- WEG §§ 5 Abs.4, 10 Abs.2 und 3 Kosten der Instandsetzung und Instandhaltung von Balkonen
- WEG § 12 Abs.4 Beschlusskompetenz für die Aufhebung einer Veräußerungsbeschränkung
- VwGO § 42 Abs.2; BauGB §§ 30, 34 Klagebefugnis eines Sondereigentümers?
- BGB § 1004 Abs. 1 S. 1 , WEG 22 Abs. 1, 14 Ziff. 1 Terrassenüberdachung

BGH, Urteil vom 16.11.2012, V ZR 9/12
Eine in der Teilungserklärung getroffene Regelung, wonach Balkone, die zum ausschließlichen Gebrauch durch einen Wohnungseigentümer bestimmt sind, auf dessen Kosten instandzusetzen und instandzuhalten sind, ist nicht einschränkend dahin auszulegen, dass hiervon Kosten ausgenommen sind, die die im Gemeinschaftseigentum stehenden Balkonteile betreffen.
Sachverhalt
Die Parteien bilden die Wohnungseigentümergemeinschaft X.. Einige der Eigentumswohnungen verfügen über Balkone. In der Teilungserklärung heißt es in § 5.2.:
„Einrichtungen, Anlagen und Gebäudeteile, die nach der Beschaffenheit oder dem Zweck des Bauwerks oder gemäß dieser Teilungserklärung zum ausschließlichen Gebrauch durch einen Wohnungseigentümer bestimmt sind (z.B. Balkone, Terrassen, Veranden, Einstellplätze), sind von ihm auf seine Kosten instandzusetzen und instandzuhalten.“
Auf der Eigentümerversammlung vom 10. März 2010 beschlossen die Wohnungseigentümer zu dem Tagesordnungspunkt (TOP) 4, dass „die Kosten der Rechnung der Fa. M. vom 23. November 2009“ anteilsmäßig auf sämtliche Eigentümer umgelegt, und zu TOP 8, dass die (anstehenden) Kosten für die Sanierung der Balkone der Beklagten zu 1 und 2 von der Gemeinschaft übernommen werden. Die Rechnung der Fa. M. betrifft eine sog. Ursachenanalyse, in der von einer schadhaften Balkon- und Fugenabdichtung sowie von einem größtenteils losen und starke Rissbildungen aufweisenden Fliesenbelag die Rede ist.
Aus den Gründen
II.1. Die angefochtenen Beschlüsse verstoßen gegen § 5.2. der Teilungserklärung.
a) Bei der Auslegung einer Teilungserklärung ist maßgebend auf den Wortlaut und den Sinn abzustellen, wie er sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegend ergibt; Umstände außerhalb der Eintragung dürfen nur herangezogen werden, wenn sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalles für jedermann ohne weiteres erkennbar sind (vgl. nur Senat, Beschluss vom 7. Oktober 2004 – V ZB 22/04, NJW 2004, 3413 mwN; ebenso für Beschlüsse Senat, Beschluss vom 10. September 1998 – V ZB 11/98, BGHZ 139, 288, 291 f.; vgl. auch Urteil vom 18. Juni 2010 – V ZR 193/09, NJW 2010, 2801 Rn. 1).
b) Die Überbürdung der gesamten Kostenlast knüpft schon nach der sprachlichen Fassung von § 5.2. der Teilungserklärung daran an, dass der Balkon zum „ausschließlichen Gebrauch“ durch den jeweiligen Wohnungseigentümer bestimmt ist, die übrigen Wohnungseigentümer mithin von der Nutzung ausgeschlossen sind.
Entgegen der Auffassung der Revision, die sich auf zu „vergleichbaren Fällen“ ergangene Rechtsprechung (OLG Düsseldorf, NJW-RR 1998, 515 f., OLG Schleswig, ZMR 2006, 963 f.) beruft, ist der Teilungserklärung auch unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck, wie er sich bei nächstliegendem Verständnis einem unbefangenen Betrachter erschließt, keine Einschränkung zu entnehmen. Danach ist nicht ersichtlich, dass die das Gemeinschaftseigentum betreffenden Sanierungskosten nicht von dem jeweiligen Wohnungseigentümer getragen werden sollen (gegen eine solche Einschränkung auch BayObLG, ZMR 1999, 56, 58 f.; OLG Braunschweig, ZMR 2006, 395, 396). Es ist zwar richtig, dass den Eintritt von Feuchtigkeit verhindernde Maßnahmen auch der Erhaltung des gesamten Gebäudes zugutekommen (können). Nur knüpft die Regelung hieran nicht an. In Übereinstimmung mit dem klaren und eindeutigen Wortlaut, dem insbesondere keine Differenzierung zwischen Sonder- und Gemeinschaftseigentum zu entnehmen ist, besteht der Sinn der Regelung vielmehr darin, dass die übrigen – von der Nutzung der Balkone ausgeschlossenen – Wohnungseigentümer deshalb von der Verpflichtung zur Instandhaltung und Instandsetzung aller Balkonteile befreit sein sollten, weil diese Lasten bei einer Bauweise ohne Balkone nicht angefallen wären. Eine solche Regelung zu treffen, liegt im privatautonomen Gestaltungsspielraum der Wohnungseigentümer bzw. des teilenden Eigentümers. Das Wohnungseigentumsrecht lässt den Wohnungseigentümern weitgehend freie Hand, wie sie ihr Verhältnis untereinander ordnen wollen (Senat, Urteil vom 13. Oktober 2006 – V ZR 289/05, WM 2006, 2374, 2376 m.w.N.).
2. Ob der in dem Verstoß gegen § 5.2 der Teilungserklärung liegende Rechtsfehler nur zur Anfechtbarkeit der Beschlüsse führt oder zu deren Nichtigkeit wegen fehlender Beschlusskompetenz zur erstmaligen Begründung einer Kostenlast der Gemeinschaft (vgl. Senat, Urteil vom 1. Juni 2012 – V ZR 225/11, NJW 2012, 2578, 2579), bedarf hier keiner Klärung, weil der Rechtsfehler innerhalb der Ausschlussfristen nach § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG geltend gemacht worden ist (dazu und zur Frage der Tenorierung Senat, Urteil vom 2. Oktober 2009 – V ZR 235/08, BGHZ 182, 307, 314 ff.; vgl. auch Urteil vom 20. Mai 2011 – V ZR 175/10, NJW-RR 2011, 1232).
Bedeutung für die Praxis
Es kommt immer auf den konkreten Fall an. Wenn dagegen z. B. geregelt ist, das zwar die Instandsetzungspflicht (der Fenster) den Sondereigentümer trifft, eine einheitliche Ausführung aber unabdingbar sei und daher die Erneuerung des Außenanstrichs der Fenster samt Rahmen und Rollläden Sache der Eigentümergemeinschaft wäre, trifft die Totalerneuerung nicht den Einzelnen (BGH ZMR 2012, 641).
RiAG Dr. Olaf Riecke, Hamburg