
Nach dem schleppenden Start entdeckt die Wohnungswirtschaft zunehmend die Vorteile des seriellen Bauens. Auch das Sanieren in Serie beginnt Schule zu machen; hier will man zunächst die Erfahrungen aus einem Pilotprojekt evaluieren.
30 Wohnungen in einem knappen Jahr Bauzeit – schneller als bei ihrem Projekt im Gumpetal ist der Städtischen Wohnungsbaugesellschaft (SWG) Nordhausen noch nie ein Neubau gelungen. Möglich wurde dies dank dem seriellen Bauprinzip, beziehungsweise einer diesbezüglichen Rahmenvereinbarung, die der wohnungswirtschaftliche Spitzenverband GdW mit mehreren Baufirmen geschlossen hat. Das Unternehmen habe zwei Jahre Bauzeit gespart, weil es nicht selbst habe ausschreiben müssen, sagt SWG-Geschäftsführerin Inge Klaan. Die SWG entschied sich für eine Zusammenarbeit mit dem Generalunternehmer Goldbeck.
"Überzeugt haben uns vor allem die Qualität bei der Ausführung und die stete Termin- und Kostenverlässlichkeit", bilanziert Klaan. Die Nordthüringer investierten etwa 6,7 Millionen Euro in die zwei Wohnhäuser mit je drei Geschossen. Die unteren Einheiten sind barrierefrei konzipiert, die Wohnungen in den oberen Etagen barrierearm. Das Interesse am "Wohnen mit Harzblick" ist groß – Klaan zufolge haben sich knapp 100 Haushalte um die Wohnungen beworben, ab November sollen die ersten einziehen können.
Eine Musterwohnung will der Generalunternehmer ein halbes Jahr lang für Interessierte aus der Wohnungswirtschaft offen halten. Schon jetzt sei die Nachfrage nach den Erfahrungen mit Bauweise und Projekt groß, sagt Klaan, und tatsächlich scheint das Bauprinzip nach anfänglichem Zögern mehr und mehr Anhänger zu finden.
"Wohnungsbau im Zeitraffer"
Zirka 1.000 Wohneinheiten seien derzeit in Planung und Ausführung, sagt der zuständige GdW-Experte Fabian Viehrig. Gebaut werde unter anderem im baden-württembergischen Waiblingen, in Stuttgart plane die städtische Wohnungsbaugesellschaft Mitarbeiterwohnungen nach dem Serien-Prinzip und auch im niedersächsischen Sarstedt habe mit der kwg Hildesheim ein kommunales Unternehmen auf die Rahmenvereinbarung gesetzt. Dort entstand innerhalb weniger Tage ein dreigeschossiger Wohnbau mit 16 Einheiten – "Wohnungsbau im Zeitraffer" fasste das Unternehmen sein Vorhaben zusammen.
"Im Moment werden viele Grundstücke beplant, so dass wir mit dem richtig sichtbaren Schwung erst noch rechnen", sagt Viehrig. Er habe die recht zähe Anlaufphase etwas unterschätzt, die Mitgliedsunternehmen, aber auch beteiligte Behörden, Politiker und Unternehmen nach Abschluss der Rahmenvereinbarung vor mehr als zwei Jahren gebraucht hätte, räumt Viehrig ein. "Wir kommen erst jetzt in eine Art Normalität, und wenn mehr sichtbare Ergebnisse da sind, werden auch die Lerneffekte deutlicher spürbar." Von anderen Ländern könne man dabei wegen der unterschiedlichen Planungs- und Bautraditionen nur bedingt lernen – auch wenn serielle und modulare Bauweisen beispielsweise in Österreich längst etabliert sind.
So durchzieht das Prinzip gleich mehrere Projekte der Internationalen Bauausstellung in Wien (IBA Wien), unter anderem um individuelle Ausprägungen der seriellen Vorfertigung weiterzuentwickeln. Auch flexible Kombinationsmöglichkeiten der Raumnutzung – Wohnen und Arbeiten – stehen im Fokus, genauso wie Chancen für kostengünstiges Wohnen durch geteilte Nutzungen und Funktionen von Raumeinheiten und Dienstleistungen.
Sanieren in Serie
Viel erhofft sich die deutsche Wohnungswirtschaft derweil auch vom Sanieren in Serie, das mit Hilfe des "Energiesprong"-Gedankens befördert werden soll; hinter der Initiative stehen die Deutsche Energie-Agentur Dena, das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) und der GdW. Das Prinzip soll Sanierungsmaßnahmen ohne Mehrkosten für Mieter möglich machen und orientiert sich an einem in den Niederlanden erfolgreich angewandten Konzept.
Seriell vorgefertigte Bauelemente in Kombination mit einem Haustechnikmodul und regenerativer Stromerzeugung durch Photovoltaikanlagen sollen für eine ausgeglichene Energiebilanz des Gebäudes (Net-Zero-Standard) sorgen, wie dena-Expertin Christina Stahl erklärt. Schule gemacht habe das Prinzip mittlerweile auch in Großbritannien und Frankreich, wo ganze Wohnviertel auf diese Art und Weise saniert worden seien.
Derzeit werte man die Erfahrungen aus einem Pilotprojekt in Hameln aus. "Wir wollen auf jeden Fall schneller werden und eine Sanierungszeit von wenigen Wochen erreichen", sagt Stahl. Nur so könnten die Belastungen für Mieter gering gehalten und das Sanierungsvolumen gesteigert werden. Konventionelle Sanierungen dauerten in der Regel mehrere Monate.
Die dena sucht weitere Hersteller und Lieferanten, aber auch Forscher und Investoren für das "Energiesprong"-Prinzip. "Wir wissen, dass man beim energetischen Sanieren andere Methoden als bisher braucht, um die Klimaziele im Gebäudebereich und die notwendige Akzeptanz bei Mietern zu erreichen", so Stahl weiter. Ziel sei es auch, über gesteigerte Volumina die Baukosten signifikant zu senken, um diese gegenüber konventionellen Sanierungsmethoden attraktiver zu machen – auch ohne zusätzliche Förderungen. Das mittelfristige Kostenziel liege bei 1.000 bis 1.200 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche für die komplette energetische Sanierung zum Net-Zero-Standard.
Die Wohnungswirtschaft profitiere von Skalierung und höherem Komfort. "Man kauft beim Generalunternehmen im Prinzip ein Stück Sanierung, ohne sich um Einzelfragen kümmern zu müssen", beschreibt Stahl das perspektivische Ziel.
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