Ostdeutsche Wohnungsunternehmen in der Zwickmühle

Energiepreise, Baukostenexplosion, Inflation – die aktuellen multiplen Krisen treffen die Wohnungswirtschaft im ganzen Land. Die wirtschaftlichen Eckdaten machen aber ostdeutschen Unternehmen stärker zu schaffen als denen im Westen.

In Potsdam, so könnte man denken, ist die wohnungswirtschaftliche Welt eigentlich noch in Ordnung: Die Stadt wächst, die Nachfrage nach Wohnungen ist entsprechend hoch, der Leerstand gering und die Mieten bewegen sich auf einem für Wohnungsunternehmen auskömmlichen Niveau. Allerdings weiß ich aus vielen Gesprächen, dass sich auch die Verantwortlichen von Potsdamer Wohnungsunternehmen Sorgen machen.

Es sind die gleichen Themen, die der Wohnungswirtschaft deutschlandweit zu schaffen machen: Notwendige Bau- und Instandsetzungsmaßnahmen bei rasant gestiegenen Baukosten und deutlich höheren Finanzierungskosten, die hohen Energiekosten, die viele Mieter überfordern, eine Flut an gesetzlichen Anforderungen und Regulierungen. Viele Faktoren, die zu erheblichen Kostensteigerungen und Liquiditätsrisiken geführt haben. Die Mieter können höhere Belastungen vielfach nicht mehr tragen, und die staatliche Förderung ist im Chaos versunken.

Hinzu kommt eine Potsdamer Besonderheit: Die brandenburgische Landeshauptstadt und ihre Wohnungsunternehmen haben einen "Potsdamer Aktionsplan für bezahlbares Wohnen und sozialen Zusammenhalt" beschlossen, der als Kernpunkt ein Mietenmoratorium bis Ende Oktober 2023 beinhaltet. Während die Ausgaben inflationsbedingt wachsen, verharren die Mieteinnahmen also auf dem bisherigen Niveau.

Niedrige Mieten: Wohnungsunternehmen "fahren auf Sicht"

Mit dem Mietenmoratorium ist Potsdam zwar ein Einzelfall in Ostdeutschland, wo – von Ausnahmen wie Rostock, Jena, Erfurt und eben Potsdam abgesehen – die Mieten in bundesweiter Perspektive vergleichsweise niedrig sind. Doch auf Sicht fahren ostdeutsche Wohnungsunternehmen nach meiner Kenntnis überall.

Besonders schwierig ist es für solche, die in Großstädten mit geringer Wohnungsnachfrage oder im strukturschwachen ländlichen Raum tätig sind. Vor allem die steigenden Energiepreise führen laut einer Umfrage des Verbands der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft (vdw) Sachsen dazu, dass 84 Prozent der Mitgliedsunternehmen Projekte in den Bereichen Neubau, Modernisierung und Instandhaltung verschieben oder neu planen müssen.

Tatsächlich schränken der Leerstand und die niedrigen Mieten die Handlungsfähigkeit der ostdeutschen Wohnungswirtschaft in der derzeit schwierigen Situation weiter ein. In Thüringen beispielsweise betrug Ende 2021 die Durchschnittsmiete bei den im Verband Thüringer Wohnungs- und Immobilienwirtschaft (vtw) organisierten Vermietern lediglich 5,26 Euro pro Quadratmeter, während der Leerstand außerhalb der prosperierenden Städte Erfurt, Jena und Weimar elf Prozent erreichte.

Mirjam Philipp, Vorständin des Verbands Sächsischer Wohnungsgenossenschaften (VSWG), spricht von Belastungen für die Wohnungswirtschaft, Mieter und Mitglieder in einem kaum mehr erträglichen Maße.  Sie beklagt verwaltungstechnische Belastungen und nennt als Beispiele dafür die unterjährige Verbrauchsinformation und die Kurzfristenergiesicherungsmaßnahmenverordnung (Ensikumav) mit ihrer Pflicht, Mieter über Energieverbrauch und -kosten zu informieren.

Wohnungswirtschaft: Innovative Konzepte in Ostdeutschland

Die Chemnitzer Siedlungsgemeinschaft eG, eine der großen Wohnungsgenossenschaften in der sächsischen Industriestadt, hält trotzdem an ihrem Instandhaltungs- und Modernisierungsprogramm fest. Abstriche könne sich die Genossenschaft nicht leisten, sagen Verantwortliche, bei einem gesamtstädtischen Leerstand von rund zehn Prozent drohten sonst noch größere Vermietungsschwierigkeiten. Eine Entscheidung, die unternehmerische und wohnungspolitische Weitsicht zeigt.

Oft sind es gerade ostdeutsche Wohnungsunternehmen abseits der Ballungsräume, die mit innovativen Konzepten überzeugen. Im brandenburgischen Rheinsberg beispielsweise startete die Rheinsberger Wohnungsgesellschaft (Rewoge) schon lange vor der jetzigen Energiekrise ein Programm mit dem Ziel, ihren Bestand klimaneutral zu machen. Und in Prenzlau, einer ebenfalls in Brandenburg gelegenen Kleinstadt, setzt die Wohnbau Prenzlau GmbH auf ein Digitalisierungsprogramm, dessen zentrales Element ein Mieterportal namens Friedrich ist.

Diese Beispiele zeigen: Die ostdeutsche Wohnungswirtschaft blickt auch in Krisenzeiten nach vorne und hat ihre Zukunftsfähigkeit im Blick. Auch wenn die finanzielle Situation angespannt ist, ist es wichtig zu investieren und die Attraktivität des Angebotes kontinuierlich zu verbessern. Wie Wohnungsunternehmen im Westen Deutschlands mit der Krisensituation umgehen, werde ich in einem nächsten Beitrag beleuchten.