Online-Tagungen: Die Sache mit den Digitalveranstaltungen

Einsam im digitalen Warteraum: Auf Online-Tagungen kann man sich schon mal verloren vorkommen. Was wird von ihnen bleiben? Wie werden sie sich verändern? Wir haben Veranstalter aus der Immobilienwirtschaft gefragt. Es gibt interessante Tendenzen.

Veranstaltungen für Immobilienverwalter und Wohnungsunternehmen finden seit Monaten nur online statt. Ob Tag der Wohnungswirtschaft des GdW oder kleinere Events: Als Teilnehmer kamen auch wir von Haufe in den Genuss sehr guter Organisation, ausgeklügelter Konferenztechniken und bequemer Chatfunktionen.

Die Verbände als Ausrichter haben sich innerhalb kürzester Zeit auf die neue Situation eingestellt und professionelle Formate aus dem Boden gestampft. Doch reger Small Talk und informeller Austausch jenseits der Agenda? Bisher leider Fehlanzeige.

Das Digitale wird leicht unverbindlich

Was sich bei Vor-Ort-Veranstaltungen von ganz allein ergibt, passiert digital schlichtweg nicht. Oliver Kulpanek, Vorstand der Baugenossenschaft Esslingen, empfindet es so: "Für die Vermittlung von Themen oder Wissen ist das digitale Format gut geeignet. Aber mir fehlt der persönliche Austausch, die Diskussion im kleinen Kreis, das zufällige Treffen. Zwar kann man Chats nutzen und sich sogar in eigene Chaträume zurückziehen – doch das ist nicht das Gleiche wie ein Gespräch Face-to-Face."

Die aktuelle Situation zeigt noch andere negative Auswirkungen. "Die einfache Verfügbarkeit und die geringen Kosten verleiten dazu, sich bei allen möglichen digitalen Veranstaltungen anzumelden", meinte Kulpanek. Doch man könne von einer Veranstaltung nur profitieren, wenn man sich ganz bewusst dafür entscheide. Bei den Veranstaltern wiederum bestünde die Gefahr, dass das Angebot inflationär ausgeweitet wird, was die Qualität gefährden könnte. Zum Schluss bemerkte mein Gesprächspartner noch: "Mir scheint, dass Terminvorläufe eher verkürzt werden. Digitale Konferenzen mögen einfacher zu organisieren sein, doch niemand sollte erwarten, dass die Eingeladenen gleich am übernächsten Tag Zeit haben."

Mit Interaktion lassen sich Teilnehmer eher abholen

Große Online-Events wie der "WohnZukunftsTag" des GdW haben natürlich ausgedehnte Vorlaufzeiten. Oder etwa auch "Münster geht ON", eine zweitägige Veranstaltung des BVI Bundesfachverband der Immobilienverwalter. Der überregionale Verwaltertag wurde professionell aus einem Fernsehstudio gesendet und erreichte knapp 900 Besucher. Mit Quiz, Live-Schalte zu Teilnehmern ins Homeoffice, einem kabarettistischen Abendprogramm und Event-Paketen war er aufwändig gestaltet. Man hat gespürt, wie viel Herzblut die Organisatoren und Organisatorinnen hineingesteckt haben.

Eine davon, Martina Schinke, Landesvorsitzende West des BVI, erzählte mir, welche Erfolgsfaktoren sie beim digitalen Format für wesentlich hält. "Bei der Vorbereitung muss man sich immer ganz genau überlegen, wie man die Teilnehmer abholt, was ihr Bedürfnis ist. Die Aufmerksamkeitsspanne am Bildschirm ist sehr viel geringer als bei Präsenzveranstaltungen, daher sollten Vorträge höchstens eine halbe Stunde dauern. Außerdem sind mehr Pausen nötig."

Zudem betreten die Referenten online vielfach Neuland, so dass sie sich über ein Briefing vorab vielfach freuen. Da digital nicht alle Sinne angesprochen werden können, solle man nach Möglichkeit auch den visuellen Kanal bei Sender und Empfänger bedienen. "Wenn ich als Moderatorin die Teilnehmer sehen kann, dann kann ich auch viel leichter eine persönliche Verbindung zu ihnen aufbauen", so Schinke. Aus dem gleichen Grund ist man beim BVI vom virtuellen Warteraum abgekommen. "Wir gehen lieber eine halbe Stunde früher in die Konferenz und verwickeln die wartenden Teilnehmer in einen Small Talk." Die engagierte Verwalterin und Trainerin ist überzeugt: "Mit menschlichen, mit positiven oder humorvollen Themen kann man auch online eine persönliche Atmosphäre schaffen."

Hybride Konzepte auf dem Vormarsch

In hybriden Formaten sehen viele nach Corona die Zukunft. Die "Software & Immobilien Conference 2021", die der vdw Sachsen (Verband der sächsischen Wohnungs- und Immobilienwirtschaft) ausrichtet, ist eine solche kombinierte Veranstaltung. Sie findet am 4.5.2021 in Halle an der Saale statt, doch seit der digitalen Eröffnung am 9. Februar können Interessierte bereits über die dreidimensionale digitale Messe schlendern und an den virtuellen Ständen der Aussteller Visitenkarte und Fragen hinterlassen. Vorab konnten sich die Besucher auf verschiedenen Orientierungsveranstaltungen mit den Themen auseinandersetzen und die Konzepte der Aussteller kennenlernen.

Welche Vorteile das hat, erklärt Rainer Seifert, Verbandsdirektor des vdw Sachsen: "Die Besucher bekommen einen einmaligen Überblick und können ihre Sicht auf den Markt schärfen. So gehen sie fachlich gut vorbereitet auf die Veranstaltung." Auch der Austausch zwischen den Anbietern und Interessenten soll mit dem innovativen Format gefördert werden.

"Wenn mir gefällt, was ein Referent vorträgt, dann kann ich sofort an seinem Messestand einen Termin vereinbaren", so Seifert. "Wir binden die Teilnehmer zudem durch strukturierte oder offene Umfragen ein, sodass ihre Themen und Fragen in den Vorträgen selbst oder in den anschließenden Diskussionsrunden berücksichtigt werden können." Er hofft, dass auf längere Sicht ein Forum entsteht, das regelmäßig zum Branchenaustausch genutzt wird.

Mehr Nähe durch mehr Technik?

Wenn es nach den Vorstellungen von Microsoft geht, dürfte die Anwesenheit in virtuellen Konferenz- und Arbeitsräumen bald eine ganz neue Dimension erreichen – dank Mixed Reality. Dann interagieren Nutzer virtuell, als wären sie im gleichen Raum. Noch ist die Technik für die neue Microsoft Plattform Mesh nicht massentauglich.

Doch dass wir eines Tages Konferenzen und Messen als Avatar oder Hologramm besuchen können, ist ziemlich wahrscheinlich. Dennoch bezweifle ich, dass digitale Technik je ersetzen kann, was uns die Veranstaltungen gerade in unserer Branche im realen Leben bieten: spontan und persönlich mit anderen Menschen in Kontakt zu kommen.

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