Nachwuchskräfte: Kaum Studienangebote für die Wohnungswirtschaft

In Forschung und Studium dominieren wirtschafts- und naturwissenschaftliche Aspekte sowie allgemeine Management-Inhalte. Eine neue Stiftungsprofessur zur Quartiersentwicklung an der EBZ in Bochum will einen Gegenpunkt setzen.

Wer in der Suchdatenbank der gif Gesellschaft für immobilienwirtschaftliche Forschung das Schlagwort "Wohnungswirtschaft" eingibt, erhält einen einzigen Treffer aus einer Liste von mehr als 100 Studiengängen mit immobilienwirtschaftlicher Schwerpunktsetzung: Studierende der Volkswirtschaft an der Universität Köln können innerhalb dieser Ausbildung ein besonderes Augenmerk auf wohnungswirtschaftliche Belange legen. In den Suchergebnissen dominieren hingegen Studiengänge mit (immobilien-)wirtschaftlicher Ausrichtung, Bau- und Ingenieurswissenschaften und Programme, bei denen Management-Skills im Fokus stehen.

Neuer Studiengang "Quartiersentwicklung"

Der Vonovia-Konzern und die EBZ Business School – University of Applied Sciences setzen mit der Ankündigung einer Stiftungsprofessur für das Thema "Quartiersentwicklung, insbesondere Wohnen im Quartier" einen Kontrapunkt. "Es gibt bei diesem Thema eindeutig zu wenig Forschung", beschreibt der EBZ-Vorstandsvorsitzende Klaus Leuchtmann die Motivation hinter dem Ausbau des Angebots. Seiner Ansicht nach müssen bei Aus- und Weiterbildungen in der Wohnungswirtschaft Fragen wie die nach der Weiterentwicklung gesellschaftlicher Strukturen eine Rolle spielen. Auch die Organisation von Partizipationsprozessen oder Ideen, was lebendige Quartiere ausmacht, zählen für Leuchtmann zu Aspekten, zu denen Führungskräften in der Branche eine Antwort einfallen sollte.

Das Europäische Bildungszentrum der Wohnungswirtschaft und Immobilienwirtschaft ist einer von sechs Bildungsträgern für die Aus- und Weiterbildung, die der GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen auf seiner Homepage auflistet. Die EBZ Business School hat bereits Erfahrungen mit Stiftungsprofessuren gesammelt – so steht beispielsweise der Energiedienstleister Techem hinter einer Professur zu Energiemanagement, Prüfungsverbände haben eine Professur zu Genossenschaften gestiftet. Ebenso stiftete die Aareon AG die Stiftungsprofessur Wirtschaftsinformatik. Die Förderdauer beträgt mindestens fünf Jahre und wird mit einer Summe von 500.000 Euro finanziert.

Breit angelegte Ausrichtung der Studieninhalte

Die Idee zu der Quartiersmanagement-Stiftungsprofessur sei von Vonovia-Chef Rolf Buch und ihm gemeinsam entwickelt worden, sagt Leuchtmann. Das Bewerbungsverfahren ist gestartet, im Lauf des Sommers soll die Stelle besetzt sein. Im weiteren Vorgehen stimme man sich zwar über Inhalte ab, forsche aber unabhängig. Die Inhalte würden in bestehende Studiengänge integriert.

"Bei uns lernen Menschen aus allen Segmenten der Immobilienwirtschaft. Sie sollen breit aufgestellt sein." Klaus Leuchtmann, Vorstandschef der EBZ Business School

Eine zu frühe Spezialisierung mache es schwierig, sich später zu entwickeln.

Die Stiftungsprofessur entsteht acht Jahre nach dem Tod des Soziologen und Stadtforschers Hartmut Häußermann, einem der Vordenker der sozialräumlichen Forschung. Seitdem haben sich neue, weitergehende Fragen angehäuft. Leuchtmann sagt, es gehe darum, den Bereich Quartiersentwicklung wissenschaftlich zu durchdringen. "Wir benötigen einen theoretischen Rahmen, um Fach- und Führungskräfte auszubilden, die die Kompetenzen besitzen, lebenswerte Quartiere zu schaffen", sagt Leuchtmann und spannt einen Bogen von Faktoren für eine zukunftsorientierte Quartiersentwicklung bis hin zu Mieterwünschen an ihre Vermieter und Erweiterungen für die Wertschöpfungskette von Wohnungsunternehmen. Auch Vonovia-Chef Buch erklärt, man benötige mehr Wissen, um die nachhaltige Entwicklung ganzer Stadtteile aktiv gestalten zu können.

Master-Programm denkbar

Die Inhalte der neuen Professur an der EBZ sollten von sozial- und wirtschaftsgeografischen Themen über bevölkerungsgeografische Aspekte bis hin zu akteursbezogenen und planungspolitischen Konstellationen und Prozessen reichen, so Leuchtmann. Der EBZ-Chef will nicht ausschließen, dass die Stelle zu gegebener Zeit den Impuls für einen "Master Quartiersentwicklung" liefern könnte. Es wäre der vierte Masterstudiengang an der EBZ Business School.