Leben bei Amazon: Wenn Tech-Giganten Wohnungen bauen

"Kaufen und mieten wir Wohnungen bald bei Amazon?" Diese Frage wirft eine Veranstaltung auf der Expo Real auf – nicht ohne Grund: Tatsächlich investieren Tech-Konzerne in den USA bereits Milliarden von Dollar in leistbaren Wohnraum. Ob es wohl ähnliche Pläne für Deutschland gibt?

Das "Crystal House" in der US-amerikanischen Stadt Arlington (Virginia) ist ein Wohnkomplex der gehobenen Art. Concierge-Dienst, Dachterrasse und Schwimmbecken – alles ist vorhanden in dem Gebäude. Und trotzdem haben auch Haushalte mit mittlerem und niedrigem Einkommen die Chance, dort eine Wohnung zu bekommen, dank dem Engagement des Internet-Giganten Amazon.

Der von Jeff Bezos gegründete Weltkonzern gab Anfang dieses Jahres bekannt, einen Fonds mit einem Volumen von zwei Milliarden US-Dollar auflegen zu wollen, der den Bau oder den Erhalt von 20.000 leistbaren Wohnungen sicherstellen soll. Investiert werden sollen die Mittel im Umfeld der drei größten Standorte von Amazon, nämlich in Arlington, in Nashville (Tennessee) und in der Puget Sound Region im Bundesstaat Washington.

Rund um die Headquarters: Auch Google, Facebook und Microsoft investieren in Wohnraum

Amazon ist nicht einmal der einzige Internetkonzern, der sich in den USA im Bereich des bezahlbaren Wohnens engagiert. Auch Google, Facebook und Microsoft haben angekündigt, jeweils mindestens mehrere hundert Millionen US-Dollar zur Verfügung stellen zu wollen, um günstigen Wohnraum zu schaffen und zu erhalten.

Hintergrund des Engagements ist der extrem angespannte Wohnungsmarkt rund um die Headquarters der Internet-Giganten. Im Raum Seattle (Washington) beispielsweise, wo unter anderem Microsoft seinen Hauptsitz hat, sind die Hauspreise innerhalb von acht Jahren um 96 Prozent gestiegen – die Region ist mittlereile die sechstteuerste in den Vereinigten Staaten. Noch dramatischer ist die Situation im Silicon Valley (San Francisco Bay Area, Kalifornien), wo selbst gut verdienende Mitarbeiter weite Anfahrtswege in Kauf nehmen müssen, weil die Wohnungen und Häuser im Umfeld von Google und Facebook für sie unerschwinglich geworden sind.

Die Internet-Giganten setzen vor allem auf Kredite und Zuschüsse

Das finanzielle Engagement bedeutet nicht, dass die Tech-Konzerne selbst als Bauherren tätig werden. Vielmehr stellen sie Projektentwicklern, Wohnungsunternehmen und anderen Organisationen finanzielle Mittel in Form von günstigen Darlehen und Zuschüssen zur Verfügung. Die Kredite fließen nicht nur in den Neubau, sondern auch in bestehende Wohnkomplexe – mit dem Ziel, günstige Mieten zu schaffen und zu sichern.

Beim "Crystal House" in Arlington beispielsweise stellte Amazon nach eigenen Angaben der Non-Profit-Organisation Washington Housing Conservancy (WHC) ein günstiges Darlehen in Höhe von 340 Millionen Dollar sowie einen Zuschuss von 42 Millionen Dollar zur Verfügung, damit diese das Objekt kaufen konnte. In den kommenden fünf Jahren sollen nun die Mieten bei Mieterwechseln gesenkt und die Wohnungen für Haushalte zugänglich gemacht werden, die weniger als 80 Prozent des mittleren Einkommens beziehen.

Damit reagiert die WHC auf eine Entwicklung, die Sarah Rosen Wartell, Präsidentin des US-Thinktanks Urban Institute, so beschreibt: "In boomenden Städten in den ganzen USA werden viele Wohngebäude, die sich bisher Lehrer, Beschäftigte im Gesundheitswesen und andere Menschen mit bescheidenem Einkommen leisten konnten, in wachsendem Maße in Luxusapartments umgewandelt." Investitionen, wie von Amazon angekündigt, sichern laut Wartell moderate Mieten auch im Bestand.

Facebook Seattle Office

Wohnungsneubau: Auch breitere Zielgruppen im Blick

Aber auch Neubau wird mit Unterstützung der Tech-Giganten realisiert. So sichert etwa Facebook im Bestandsobjekt "Light Tree Apartments" im kalifornischen East Palo Alto nicht nur 94 vergleichsweise günstige Wohnungen, sondern ermöglicht den Projektpartnern Eden Housing und EPA Can Do auch den Bau von zusätzlichen 91 Einheiten. Die sind unter anderem für Obdachlose und Haushalte mit einem behinderten Familienmitglied vorgesehen.

Insgesamt stellt Facebook eine Milliarde US-Dollar für bezahlbare Wohnungen im Umfeld des Hauptsitzes im kalifornischen Menlo Park bereit. Teil davon ist ein Programm, das insbesondere Lehrern günstigen Wohnraum bieten soll. Das zeigt, dass es den Tech-Giganten nicht in erster Linie darum geht, Wohnraum für die eigenen Mitarbeiter zu schaffen, sondern dass sie breitere Zielgruppen im Blick haben.

Das zeigt auch das mit einer Milliarde US-Dollar von Google ausgestattete Programm, das sich auf die Gegend um San Francisco konzentriert. Der Konzern stellt Projektentwicklern zu günstigen Konditionen Grundstücke für den Wohnungsbau zur Verfügung, die ursprünglich für eine gewerbliche Nutzung vorgesehen waren. Darauf sollen nach Unternehmensangaben 15.000 Wohneinheiten auch für Bezieher von mittleren und unteren Einkommen entstehen. Außerdem unterstützt ein von Google mit 250 Millionen US-Dollar ausgestatteter Fonds den Bau von 5.000 bezahlbaren Wohnungen.

Amazon, Google & Co.: Keine Pläne in Deutschland

Warum aber wenden die milliardenschweren Internetgiganten derart viel Geld auf? Google wolle "ein guter Nachbar sein", sagte CEO Sundar Pichai, als er das Wohnungsbauprogramm bekannt gab.

Und Amazon schreibt in einem Positionspapier: "Wir glauben, dass der private und der öffentliche Sektor zusammenarbeiten können, um der Herausforderung der Knappheit bezahlbarer Wohnungen zu begegnen. Wir werden unsere Stellung als großer Arbeitgeber nutzen, um innovative Initiativen für leistbares Wohnen zu unterstützen." Dabei dürfte allerdings auch der politische Druck eine Rolle spielen. So hat der kalifornische Gouverneur Gavin Newsom (Demokraten) die Silicon-Valley-Giganten dazu aufgefordert, einen Beitrag gegen die Wohnungsnot zu leisten.

Auch in Deutschland sind Amazon, Google & Co. mit großen Niederlassungen vertreten. Absichten der Tech-Unternehmen, in den Wohnungsbau zu investieren, sind hierzulande allerdings nicht bekannt geworden. "Derzeit verfolgt Facebook in Deutschland keine Pläne in diesem Bereich", lässt zum Beispiel der von Mark Zuckerberg geführte Konzern mitteilen. Auch Amazon erklärt auf Anfrage, keine entsprechenden Absichten zu verfolgen.

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