Urteil: Keine Straßenausbaubeiträge für ungenutztes Grundstück

Grenzt ein ungenutztes Grundstück nicht an eine Straße, müssen Eigentümer keine wiederkehrenden Beiträge an die Kommunen zahlen. Das hat das Verwaltungsgericht Koblenz für Rheinland-Pfalz entschieden. Über Straßenausbaubeiträge gibt es immer wieder Streit – auch in anderen Bundesländern.

Eigentümer, die weder Zugang noch Zufahrt zu einer Verkehrsanlage haben und ein Grundstück auch nicht nutzen, müssen keine wiederkehrenden Straßenausbaubeiträge an die Städte und Gemeinden zahlen. Das gilt auch dann, wenn die Eigentümer des Grundstücks und des Anliegergrundstücks identisch sind. Das Verwaltungsgericht (VG) Koblenz gab damit einer entsprechenden Klage teilweise statt. Die Entscheidung (VG Koblenz, Urteil v. 21.4.2022, Az. 4 K 1019/21.KO) machte das Gericht am 19.5.2022 bekannt.

Geklagt hatte die Eigentümerin zweier Grundstücke, von dem eines unmittelbar an eine Straße der Kommune angrenzte. Das dahinterliegende Anwesen hat den Angaben nach allerdings weder einen Zugang zu einem Verkehrsweg, noch kann es über das vordere Grundstück angefahren werden.   "Dieses Grundstück wird von der Klägerin nicht genutzt; Wiese und Sträucher wachsen dort wild", teilte das VG Koblenz mit. Die Klage hatte in Bezug auf das Hinterliegergrundstück Erfolg. Die beklagte Gemeinde hatte im Jahr 2019 wiederkehrende Ausbaubeiträge für beide Anwesen erhoben.

Ausbaubeiträge für ein zweites Grundstück seien nur rechtmäßig, wenn es zusammen mit dem Hauptgrundstück einheitlich genutzt werde oder tatsächlich eine Zufahrt zu einer Anbaustraße besitze. Von einer einheitlichen Nutzung sei beispielsweise auszugehen, wenn ein Eigentümer sein Hinterliegergrundstück als Garten für das mit dem Wohnhaus bebaute Hauptgrundstück einsetzt, entschieden die Koblenzer Richter.

Straßenausbaubeiträge sind nicht bundeseinheitlich geregelt. Je nach Bundesland zahlen Anlieger mitunter horrende Summen. Über die Beiträge gab es in der Vergangenheit auch in Rheinland-Pfalz immer wieder Streit.

Straßenausbaubeitrag: teilweise Abschaffung in Rheinland-Pfalz

In Rheinland-Pfalz dürfen die Kommunen die Anwohner ab 2024 nicht mehr an einmaligen Beiträgen für den Ausbau von Straßen beteiligen. Die erforderlichen Änderungen im Kommunalabgaben- und Landesfinanzausgleichsgesetz hat der Landtag in Mainz mit den Stimmen der Regierungsfraktionen von SPD, FDP und Grünen im April 2020 beschlossen.

Ausnahmen werden für extrem kleine Gemeinden gelten: Hier sollen die Anlieger weiterhin zahlen. Für alle anderen Kommunen gilt: Einmalige Kosten fallen weg, wiederkehrende Beiträge, die alle Anwohner eines Ortes oder eines Gebiets rund um den Ausbau- oder Sanierungsort anteilig zahlen müssen, bleiben.

Nach Angaben der Regierung arbeiten etwa 40 Prozent der Kommunen mit wiederkehrenden Beiträgen. Die Straßenausbaubeiträge komplett abzuschaffen, hielt die Koalition nicht für sinnvoll. Je nach Grundstücksgröße sollen die wiederkehrenden Beiträge geschätzt unter 100 Euro pro Jahr liegen. Für einmalige Beiträge, wie sie noch in vielen deutschen Städten erhoben werden, werden teilweise mehrere 10.000 Euro fällig.

Ewiger Streit: NRW schafft Straßenausbaubeiträge ab

Der nordrhein-westfälische Landtag hat am 24.3.2022 beschlossen, Anliegern die Straßenausbaubeiträge komplett zu erlassen. Das soll in einem neuen Kommunalabgabengesetz (KAG) geregelt werden. Bis Ende Juni 2022 soll ein Konzept zur gesetzlichen Abschaffung der Straßenausbaubeiträge vorgelegt werden. Die Idee ist: Das Land soll die Beiträge künftig komplett übernehmen.

Das Parlament hatte Ende 2019 eine KAG-Reform verabschiedet, das die Anlieger durch ein Förderprogramm entlastete. Die Beträge wurden halbiert sowie Raten- und Stundungsregelungen eingeführt. Das Gesetz trat im Januar 2020 in Kraft. Die neue Förderrichtlinie mit der geplanten 100-prozentigen Übernahme soll rückwirkend gelten: Auch Grundstückseigentümer, die mit dem alten Programm schon gefördert wurden (ab 2018 beschlossene Baumaßnahmen), erhalten ihren 50-prozentigen Eigenanteil an den Beiträgen zurückerstattet.

Diese Bundesländer haben Straßenausbaubeiträge abgeschafft

Die Straßenausbaubeiträge in Sachsen-Anhalt wurden rückwirkend zum 1.1.2020 abgeschafft. Darauf hat sich die schwarz-rot-grüne Koalition Anfang Juni 2020 geeinigt – und kam damit einer Volksinitiative zuvor, die sogar bis Anfang 2019 zurückgehen wollte. Das "Gesetz zur Abschaffung der Straßenausbaubeiträge" hat der Landtag am 15.12.2020 beschlossen. Das Land müsste den Kommunen damit die fehlenden Ausbaubeiträge ab Januar 2020 ersetzen. Dafür wurde Geld im Doppelhaushalt 2020/2021 eingeplant.

Der Landtag von Brandenburg hat am 19.6.2019 das "Gesetz zur Abschaffung der Beiträge für den Ausbau kommunaler Straßen" verabschiedet. Auch hier hatte eine Volksinitiative den Stein ins Rollen gebracht.

Während Baden-Württemberg nie solche Beiträge erhoben hat, haben zuvor schon Bayern, Berlin, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen die Straßenausbaubeiträge abgeschafft. In Hessen, Niedersachsen, Sachsen und Schleswig-Holstein wurde aus einer Soll- eine Kann-Regelung gemacht: Es liegt im Ermessen der Kommunen, ob sie Straßenausbaubeiträge erheben.

Bundesverwaltungsgericht: Aufsicht darf Kommune zu Straßenausbaubeiträgen verpflichten

Im Mai 2019 hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig grundsätzlich entschieden, dass Städte und Gemeinden von der Kommunalaufsicht dazu verpflichtet werden dürfen, Straßenausbaubeiträge zu erheben. Befolge eine Kommune landesrechtliche Vorgaben für eine entsprechende Beitragssatzung nicht, dürfe die Aufsichtsbehörde sie dazu anweisen oder selbst eine gesetzeskonforme Satzung im Wege der Ersatzvornahme erlassen, hieß es in einer Mitteilung des Gerichts (BVerwG, Urteil v. 29.5.2019, Az. 10 C 1.18).

Erfolglos geklagt hatte die hessische Stadt Schlitz gegen eine Anordnung der Kommunalaufsicht zur Einführung einer Straßenbaubeitragssatzung. Die Kommune sah das als unzulässigen Eingriff in ihre Selbstverwaltung an. Die Klage war in den Vorinstanzen und zuletzt vor dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel (2018) gescheitert. Man sehe keinen Anlass, das Urteil des Verwaltungsgerichtshofes anzufechten, so das Bundesverwaltungsgericht. Die Gemeinde habe ihre landesrechtliche Pflicht zum Ausgleich ihres defizitären Haushalts unter voller Ausschöpfung ihrer Einnahmequellen durch Festsetzung eines zu niedrigen Gemeindeanteils verletzt.


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Schlagworte zum Thema:  Kommunen, Gesetz, Politik