Berliner Mietendeckel ist verfassungswidrig

Der Berliner Mietendeckel ist verfassungswidrig und damit nichtig. Das hat das Bundesverfassungsgericht entschieden.

Nach Monaten der Unsicherheit herrscht nun Klarheit: Der umstrittene Berliner Mietendeckel verstößt gegen das Grundgesetz und ist daher nichtig. Das hat das Bundesverfassungsgericht mit einem am 15.4.2021 veröffentlichten Beschluss entschieden.

Nach Auffassung der Verfassungsrichter hatte das Land Berlin keine Gesetzgebungskompetenz für eigene Regelungen zur Miethöhe, weil der Bund insoweit abschließend von seiner Gesetzgebungskompetenz Gebrauch gemacht habe. Für eigene Regelungen der Länder ist daher kein Raum, so die Verfassungsrichter. Die Entscheidung ist im Ergebnis einstimmig, d.h. mit den Stimmen aller acht Richterinnen und Richter des 2. Senats, in der Begründung mit 7:1 Stimmen ergangen.

Regelungen zur Miethöhe für frei finanzierten Wohnraum, der auf dem freien Wohnungsmarkt angeboten werden kann (ungebundener Wohnraum), fallen in die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit. Das bedeutet, dass die Länder nur zur Gesetzgebung befugt sind, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungskompetenz keinen abschließenden Gebrauch gemacht hat.

Da der Bundesgesetzgeber das Mietpreisrecht in den §§ 556 bis 561 BGB abschließend geregelt hat, ist für die Gesetzgebungsbefugnis der Länder kein Raum. Da das Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin im Kern ebenfalls die Miethöhe für ungebundenen Wohnraum regelt, ist es insgesamt nichtig.

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts beruht auf einem Antrag auf abstrakte Normenkontrolle gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG, den 284 Abgeordnete der Bundestagsfraktionen von CDU/CSU und FDP eingereicht hatten. Sie waren der – nun bestätigten – Meinung, das dem Land Berlin die Befugnis zum Erlass von Regelungen zur Miethöhe fehle. Zudem hatten das Landgericht Berlin und das Amtsgericht Mitte dem Bundesverfassungsgericht einzelne Regelungen aus dem Gesetz zur Prüfung vorgelegt.

BVerfG Beschluss vom 25.03.2021 - 2 BvF 1/20

Mietendeckel adé: Es wird wieder Paradies – oder? Ein Kommentar von Dirk Labusch, Chefredakteur "Immobilienwirtschaft"

L'Immo-Podcast: Sonderausgabe zur Mietendeckel-Entscheidung

Was sind die politischen Folgen der Mietendeckel-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts? Eine Einordnung mit dem Berliner Rechtsanwalt Dr. Christian Schede, Co-Chair Global Real Estate bei Greenberg Traurig, im L'Immo-Podcast.

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Mietendeckel-Entscheidung: Das sagt der Berliner Senat

In einer ersten Stellungnahme erklärte Sebastian Scheel (Die Linke), Senator für Stadtentwicklung und Wohnen, der Senat werde am kommenden Dienstag (20. April) über die Konsequenzen aus der Entscheidung beraten. Dabei sehe sich der Senat auch in der Verpflichtung, sozial verträgliche Lösungen für Mieter zu entwickeln.

Das Land Berlin habe mit dem Mietendeckel Neuland betreten und mit einer anderen Entscheidung aus Karlsruhe gerechnet. Nun sei es die Aufgabe des Bundes, entweder ein wirkungsvolles Mietpreisrecht zu schaffen, das die soziale Mischung in den Städten sichert oder aber den Ländern die Kompetenz dafür zu übertragen.

Reaktion der Wohnungsunternehmen

Da die Regelungen zum Mietendeckel von Anfang an unwirksam sind, können Vermieter in vielen Fällen Miete nachfordern. Die Wohnungsunternehmen gehen hiermit unterschiedlich um.

Die börsennotierte Vonovia SE hat angekündigt, auf Nachzahlungen zu verzichten. Der verfassungswidrige Mietendeckel solle nicht zu Unsicherheit bei Mieterinnen und Mietern führen. In einer Mitteilung spricht das Unternehmen, das rund 40.000 Wohnungen in Berlin bewirtschaftet, von einem Verzicht auf Nachforderungen von bis zu zehn Millionen Euro.

Hingegen will die ebenfalls börsennotierte Deutsche Wohnen SE nicht auf Nachforderungen verzichten. Allerdings wolle das Unternehmen mit mehr als 110.000 Wohnungen in Berlin mit dem größten sozialen Verantwortungsbewusstsein vorgehen und unterschiedliche Möglichkeiten von Einmal- über Ratenzahlungen bis hin zu Stundungen anbieten. Kein Mieter werde durch die Entscheidung seine Wohnung verlieren.

Der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU), dessen Mitgliedsunternehmen nach eigenen Angaben 44 Prozent der Berliner Mietwohnungen bewirtschaften, erklärte, Nachforderungen seien grundsätzlich geboten, weil Geschäftsführungen und Vorstände rechtlich grundsätzlich gehalten seien, wirtschaftlichen Schaden von ihren jeweiligen Unternehmen abzuhalten. Aufgrund der sehr moderaten Mieten bei BBU-Mitgliedsunternehmen hielten sich Nachforderungen aber in engen Grenzen. Nur bei zwölf Prozent der Wohnungen seien die Mieten aufgrund des Mietendeckels abgesenkt worden. Bei sozialen Härten infolge von Nachforderungen würden Lösungen gefunden, wie Ratenzahlungen, Stundungen oder ein Räumungsverzicht.

Mietendeckel-Entscheidung: Das sagen die Verbände

Der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW) begrüßt den Karlsruher Beschluss. "Das ist ein guter Tag für den Erhalt der Glaubwürdigkeit unseres Rechtsstaates", so GdW-Präsident Axel Gedaschko. Anstelle eines Gegeneinanders brauche es nun mehr Zusammenarbeit in einem effektiven Bündnis für den Bau und Erhalt von bezahlbarem Wohnraum.

Auch der Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW) begrüßt die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Berliner Mietendeckel. Gleichzeitig betont BFW-Präsident Andreas Ibel die soziale Verantwortung der Vermieter und appelliert an alle Marktteilnehmer, bei jetzt fällig werdenden Mietnachzahlungen sozial verantwortlich zu handeln.

Auf Zustimmung stößt die Entscheidung der Verfassungsrichter auch beim Verband der Immobilienverwalter Deutschland (VDIV). Angespannte Wohnungsmärkte würden nicht durch Regulierung entlastet, sondern einzig durch mehr Angebot, so VDIV-Geschäftsführer Martin Kaßler. Erforderlich sei ein Dreiklang aus der Ausweisung von mehr Bauland, der Senkung der Erwerbs- und Baunebenkosten und der Förderung des Erwerbs von Wohneigentum.

"Der Spuk ist endlich vorüber", kommentiert IVD-Präsident Jürgen Michael Schick den Beschluss aus Karlsruhe. Mit der Entscheidung sei dem "leichtsinnigen Prestige-Projekt der Berliner Landespolitik endlich den Boden entzogen und die verfassungsmäßige Ordnung wieder hergestellt". Zudem sei Klarheit für Vermieter und Mieter geschaffen. Auch der IVD appelliert an Vermieter, Mieter bei der Nachforderung von Mieten nicht zu überfordern und gemeinsame Lösungen zu finden.

Ähnlich äußert sich der Zentrale Immobilien Ausschuss e.V. (ZIA). Die Mieter dürften nicht die Leidtragenden dieses verfassungswidrigen Gesetzes werden. Daher bitte der Verband seine Mitglieder, soziale Lösungen zu finden. Zudem habe der ZIA mit dem Deutschen Mieterbund vereinbart, den gemeinsamen Wohnungskodex zu erweitern, sagt Stefanie Frensch, Vorsitzende der Region Ost des ZIA.

Der Deutsche Mieterbund (DMB) spricht in seiner Stellungnahme von einer "bitteren" Entscheidung und sieht diese zugleich als "Weckruf an den Bundesgesetzgeber". Der Verband werde nun mit noch mehr Ansporn für einen bundesweiten Mietenstopp kämpfen, so DMB-Präsident Lukas Siebenkotten.

Mietendeckel – Worum geht es?

Mit dem Mietendeckel wollte der rot-rot-grüne Berliner Senat den zuletzt starken Anstieg der Mieten in der Hauptstadt bremsen. 

Durch das Gesetz sind die Mieten für 1,5 Millionen Wohnungen seit dem 23.2.2020 auf dem Stand vom 19.6.2019 eingefroren worden. Seit Inkrafttreten der zweiten Stufe des Gesetzes am 23.11.2020 sind Mieten, die mehr als 20 Prozent über den gesetzlich festgelegten Obergrenzen liegen, verboten und müssen gegebenenfalls reduziert werden. Vom Mietendeckel ausgenommen sind unter anderem Neubauwohnungen, die ab 2014 bezugsfertig wurden.

Berliner Verfassungsgericht setzt Verfahren zum Mietendeckel aus

Auch vor dem Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin ist ein Verfahren abhängig. Das hatten die dortigen Richter ausgesetzt, um die BVerfG-Entscheidung abzuwarten. In Berlin klagen die Abgeordnetenhausfraktionen von CDU und FDP.

Rechtsgutachten zum Mietendeckel

Die Frage, ob der Berliner Mietendeckel verfassungsgemäß ist, war bereits Gegenstand mehrerer Rechtsgutachten. Diese waren zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangt.

  • Das Gutachten "Landeskompetenz zur Einführung eines sogenannten Mietendeckels?" verneint – wie nun das Bundesverfassungsgericht – eine Gesetzgebungskompetenz des Landes Berlin. Der GdW hatte das Gutachten im September 2019 beim ehemaligen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), Hans-Jürgen Papier, in Auftrag gegeben.
  • Papier ergänzte in einem zweiten Gutachten, dass der geplante Mietendeckel nicht nur formell, sondern auch materiell verfassungswidrig sei.
  • Es fehle "eindeutig" an der Gesetzgebungskompetenz der Länder, kommentierte die Heussen Rechtsanwaltsgesellschaft in der Abhandlung "Der geplante Mietendeckel in Berlin ist nichtig!" das Berliner Gesetz, das so bislang einmalig in Deutschland ist.
  • Ein im Auftrag der Berliner SPD-Fraktion erarbeitetes Expertengutachten sieht die Gesetzgebungskompetenz bei den Ländern.
  • Ebenso hat ein Rechtsgutachten im Auftrag der Rosa-Luxemburg-Stiftung keine Bedenken bezüglich der Verfassungsmäßigkeit des Berliner Mietendeckels.
Schlagworte zum Thema:  Mieterhöhung, Grundgesetz, Verfassungsrecht