Sachverständigenkritik: Die falschen Immobilienbewerter

Immer öfter bewerten Makler, Onlinebörsen oder unabhängige Plattformen Immobilien. Das kostet in der Regel nichts, sagt aber auch nichts aus. Die Ergebnisse müssen falsch sein, sagt Experte Christoph Ziercke und erklärt auch warum.

Unter dem Strich habe eine Verschiebung des Wettbewerbs zu Ungunsten der qualifizierten öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen stattgefunden. In der überwiegenden Zahl der Fälle geht es nicht um komplizierte Portfoliobewertungen von großen Investmentgesellschaften. Der Großteil der Immobilienbewertungen findet vielmehr im lokalen Markt statt.

Mit Immobilienbewertungen sind meist persönliche Schicksale durch Erbschaften oder Notverkäufe verbunden. Um diesen komplizierten Rahmenbedingungen gerecht zu werden, ist eine besondere Sachkunde und eine spezielle Ausbildung zum Sachverständigen notwendig. In jüngster Zeit haben mittelständische wie größere Immobilienmakler sowie Immobilienbörsen dieses Geschäftsfeld für sich entdeckt.

Makler als unqualifizierte Sachverständige

Immobilienmakler bieten häufig rechtlich unverbindliche und kostenlose Bewertungen an. Dem Kunden wird suggeriert, dass er eine umfangreiche Immobilienbewertung erhält und er in seiner Entscheidung frei sei, seine Immobilie durch den anbietenden Makler zu veräußern.

Ein möglicher Kunde kontaktiert also den Makler, weil er das Angebot wahrgenommen hat, und übermittelt die gewünschten Informationen – meistens ist das nicht viel: Lage, Baujahr, Wohnfläche, Anzahl der Geschosse, Kellerangaben, gegebenenfalls Bauzustand und Grundstücksgröße.

"Weitere Daten?" "Nicht notwendig", heißt es seitens des Maklers oft. Eine Ortsbesichtigung findet gar nicht statt. Warum auch? Der Makler hat nun "alle notwendigen Daten" und hat den Kunden zugleich in der Kundenkartei als "Neukunde" angelegt. Meistens wird dann im Rahmen einer groben Excel-Berechnung eine Zahl ermittelt, die den Wert der Immobilie darstellen soll – und zwar lediglich anhand der vorgenannten Merkmale. Der Makler erklärt, dass er den ausgewiesenen Wert erzielen kann. Meistens läge man sogar hierüber.

Aber so geht Bewertung nicht. Eine Immobilie ist derart individuell, dass man sie eben nicht "vom Schreibtisch aus" einschätzen kann. Es liegen beispielsweise keine Kenntnisse über etwa vorhandene Rechte im Grundbuch, über Kontaminationen, über Instandhaltungsrückstau oder besondere Außenanlagen vor. Diese von Maklern erstellte Kalkulation im Wege einer Auftragsakquise ist ein legitimes Mittel – doch dann muss sie Markteinschätzung und darf keinesfalls Wertermittlung oder Bewertung heißen.

Und das ist nicht nur ein kosmetisches Problem. Angenommen ein Kunde beauftragt den Makler auf Basis einer viel zu hohen Bewertung seine Immobilie zu veräußern: Der Kunde wird die Immobilie nicht oder nur sehr schwer veräußern können, da kein marktgerechter Angebotspreis kommuniziert wird. Der Kunde wird dann dem Makler – wenn er unzufrieden mit dessen Dienstleistung ist – den Auftrag wieder entziehen und möglicherweise die Immobilie versuchen selbst zu veräußern oder einen anderen Makler beauftragen. Dabei hat er gute Chancen, Schadensersatz gegenüber dem Makler geltend zu machen, da dieser die Immobilie wissentlich zu hoch angeboten hat.

Immerhin weisen manche Makler den potenziellen Kunden darauf hin, dass der von ihnen ermittelte Wert aufgrund der lokalen Marktverhältnisse nicht erzielbar ist. Dennoch nennen auch diese Makler ihre Ausarbeitung Bewertung und nicht Markteinschätzung.

Immobilienbörsen als Anbieter von "Bewertungen"

Immobilienbörsen im Internet haben schnell festgestellt, dass sie ihre Angebotspalette wesentlich ausbauen müssen, um konkurrenzfähig zu bleiben. Mittlerweile reicht dieses Angebot von Baufinanzierung bis hin zur Umzugsunterstützung. Auch die „Bewertung“ wird angeboten. Hier verhalten sich die Immobilienbörsen äußerst unterschiedlich.

Immonet.de

Bei Immonet.de wird an verschiedenen Stellen und nach mehreren Klicks wiederholt darauf hingewiesen, dass eine Wertermittlung ausschließlich durch einen Sachverständigen erfolgen kann. Dennoch können registrierte Kunden eine Wertermittlung kostengünstig durchführen: Bei der sogenannten Wertauskunft wird der Wert anhand von wenigen Parametern ermittelt – für einen Preis von 25,99 Euro (inkl. MwSt.).

Bereits der Begriff Wertauskunft ist irreführend und in sich widersprüchlich, weil nur eine grobe Kalkulation erfolgt. Alleine der Preis zeigt eigentlich, dass das Bewertungsverfahren nicht detailliert genug und genau sein kann. So erfolgt etwa die Bodenwertermittlung anhand eines hinterlegten Bodenwertes, dessen Quelle nicht angegeben wird. Auch ist nicht ersichtlich, auf welchen Stichtag sich der Bodenwert bezieht oder ob es sich um einen Richtwert handelt. Bezieht sich der Bodenwert auf ein Richtwertgrundstück, so muss der Bodenwert mit so genannten Umrechnungskoeffizienten an die Grundstücksgröße des Bewertungsobjektes angepasst werden.

Nach den Ausführungen von Immonet auf der Homepage geschieht dies auch – jedoch wird der Rechenweg nicht nachvollziehbar dargestellt. Die Lage, die entscheidend für eine Wertigkeit ist, wird vollständig ignoriert. Und zwar mit dem Argument, dass die Lage bereits in der Höhe des Bodenrichtwerts berücksichtigt wird. Eine Lage ist aber sehr individuell. Auch der Verfahrensgang bei der Ermittlung eines Gebäudesachwerts ist nur grob dargestellt. Im Rahmen einer „Wertexpertise“ werden die Objektdaten etwas genauer erhoben. Jedoch ersetzt auch sie keine umfangreiche, seriöse Immobilienbewertung, die den Namen Bewertung verdient.

Eine Immobilienbörse (und vielleicht ein kooperierender Bewerter) könnten eine seriöse
Wertermittlung gar nicht zu diesem Preis anbieten.

ImmobilienScout.de

Bei ImmobilienScout24 wird mit einem zunächst kostenlosen Angebot für die Immobilienbewertung geworben. Nach wenigen Klicks wird eine statistische Frage gestellt, die in keinem direkten oder indirekten Zusammenhang mit einer Wertermittlung im klassischen Sinne steht: Warum wird die Immobilienbewertung benötigt?

Anschließend erscheint die erste relevante, grundlegende Frage nach der Immobilienart. Nachfolgend werden Angaben zur Wohnfläche, Grundstücksgröße, zum Baujahr, zum Zeitpunkt letzter Modernisierungen (jedoch ohne Rückfrage nach Art und Umfang), zur Qualität der Immobilie (einfach, normal, gehoben), zur Ausstattung, zur Nutzung (eigen oder fremd), zur Anschrift und zu den Kaufdaten gemacht (Letzteres ist auch nur eine statistische Angabe).

ImmobilienScout selbst erläutert in einem Video, dass sie auf die größte Datenbank Deutschlands zurückgreifen könnten. Doch das sind nicht eigene Daten, sondern die Daten der Makler beziehungsweise privaten Grundstückseigentümer. Beide Kundengruppen werden für die Verwendung der Daten nicht entlohnt. ImmobilienScout24 ist lediglich Eigentümer der Datenbankstruktur – jedoch nicht der Daten selbst (dies wiederum gilt für alle Immobilienbörsen gleichermaßen).

Im Rahmen der Bewertung werden dann lediglich 14 ähnliche Immobilien hinsichtlich der Lage, des Baujahrs, der Wohnfläche wie auch der Ausstattung berücksichtigt. Um "die Kalkulation zu verbessern", werden jeweils die beiden günstigsten und teuersten Objekte aus der Auswertung entfernt. Aus den zehn verbleibenden Objekten wird ein Mittelwert durch das klassische arithmetische Mittel gebildet. In der Auswertung, die der Kunde per Mail erhält, werden die Daten noch mit Karten und "statistischem Beiwerk" ergänzt.

Dieser Vorgang hat weder inhaltlich noch verfahrenstechnisch etwas mit einer Wertermittlung oder einer Bewertung zu tun: Denn es wird nicht kommuniziert, ob das dargestellte grobe Vergleichswertverfahren auch für andere Immobilienarten verwendet wird. Selbst wenn es, wie im Video dargestellt, bei Einfamilienhäusern zum Greifen kommt, muss nicht zwangsläufig "eine ausreichende Anzahl von Vergleichspreisen" nach § 15 ImmoWertV vorhanden sein, da Immobilien in ihrer Eigenart einfach zu individuell sind. Im üblichen Geschäftsverkehr werden in der Regel

  • Einfamilienhäuser im Sachwertverfahren,
  • Mehrfamilienhäuser im Ertragswertverfahren und
  • Eigentumswohnungen entweder im Vergleichswert- oder im Ertragswertverfahren bewertet.

Hier fehlt es also an Transparenz und der richtigen Verfahrenswahl. Dazu kommt, dass manche Makler dem Kunden im Rahmen der Objektakquise gar nicht erst eigene Berechnungen präsentieren, sondern gleich die Ermittlung des Wertes eines Immobilienportals (z.B. eine Wertexpertise von Immonet) und kommunizieren, dass ein solcher Kaufpreis realistisch sei.

Das Verhängnisvolle: Die in der Datenbank hinterlegten Werte sind Angebotspreise (keine beurkundeten Kaufpreise) und unterliegen daher – je nach lokalem Markt – einem kleineren oder größeren Verhandlungspuffer. Die Bewertungen fallen also regelmäßig zu hoch aus.

Fazit

Das Ergebnis wird vom Kunden in den meisten Fällen nicht hinterfragt, weil Sachkunde und ein richtiger Verfahrensweg unterstellt werden. Doch zeigen die dargestellten Abläufe, dass eine Bewertung seitens einer Immobilienbörse nichts mit einer klassischen seriösen Wertermittlung zu tun hat, da die Verfahrensabläufe entweder zu oberflächlich oder nicht nachvollziehbar sind. In vielen Fällen wird nicht einmal das richtige Verfahren gewählt.

Es hat also eine Verschiebung des Wettbewerbs zu Ungunsten der qualifizierten öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen stattgefunden. Es sollte in Bälde eine praxisnahe Lösung für dieses sensible Thema geben.

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