
Beim 1. Freiburger IMMO-Update plädierte der Wirtschaftsweise Lars Feld für eine Verschärfung der Mietpreisbremse. Steile Thesen zur Immobiliennachfrage kamen von Finanzwissenschaftler Bernd Raffelhüschen. Lesen Sie mehr zum Blasenrisiko, gefühlten Wohnkosten und der Wohnungsnot.
Bereits zum zwölften Mal traf sich am 9. und 10. Februar die Immobilienbranche im Südwesten zur Fachmesse IMMO in Freiburg. Die größte Neuerung der Veranstaltung fand bereits am Vortag statt: Der Fachkongress "1. Freiburger Immo-Update" zum Thema "Der regionale Immobilienmarkt – jetzt und in Zukunft". Die Rednerliste und das Podiumsgespräch waren hochkarätig besetzt.
Wirtschaftsweiser Feld: "Mietpreisbremse hat relativ wenig gebremst"
Kritisch mit der Wohnungspolitik des Bundes setzte sich Prof. Dr. Dr. h.c. Lars P. Feld auseinander. Er gehört dem Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung an, außerdem ist er einer der fünf Wirtschaftsweisen und Lehrstuhlinhaber an der Freiburger Universität. "Die Mietpreisbremse hat relativ wenig gebremst", sagte er und plädierte für Verschärfungen. Die Sonder-AfA sei ein Geschenk an die Falschen gewesen, und das Baukindergeld habe nur denjenigen geholfen, die ohnehin gebaut hätten. Die Fehlanreize der Grunderwerbsteuer sollten beseitigt werden. Bei der Debatte um die Grundsteuer hielt er eine Wertorientierung für richtig, wobei ihm der Bodenrichtwert reichen würde.
Während Feld kein Ende der Niedrigzinsphase sah, rechnete er mit einer weiteren Konjunkturabkühlung im zweiten Halbjahr 2019. Die Bauwirtschaft, derzeit eine Stütze der Konjunktur, werde dennoch stark bleiben. Die Gefahr einer Immobilienblase sei nicht besorgniserregend, gerade im internationalen Vergleich.
Prof. Dr. Bernd Raffelhüschen, Finanzwissenschaftler an der Universität Freiburg und Studienleiter der Deutschen Immobilien-Akademie (DIA), brachte in seinem Vortrag einige überspitzte Thesen, etwa: "Die Immobiliennachfrage wird sich nie wieder auf so niedrigem Niveau befinden wie heute." Der Grund: Die Nachfrage hänge mit der Größe der Haushalte zusammen. Diese werden immer kleiner, etwa durch die steigende Zahl der Single-Wohnungen und dadurch, dass Menschen in ihren Wohnungen bleiben, auch wenn sich durch familiäre Veränderungen wie Auszug der Kinder der Bedarf an Wohnfläche vermindert.
In Relation betrachtet, ist Wohnen heutzutage erschwinglich
Freiburg sei mit einem Anteil der Wohnkosten am Nettoeinkommen von 31,4 Prozent die teuerste Stadt Deutschlands, so Raffelhüschen weiter. Allerdings sei die Erschwinglichkeit von Wohnimmobilien seit den 1980er Jahren stark gestiegen. Immobilien seien nicht teurer geworden. Denn die Erschwinglichkeitsberechnung beruhe auf der Frage, wie lange ein Durchschnittsmensch arbeiten muss, um eine Wohnung zu kaufen. "Rechnen Sie mal statt zu fühlen", forderte Raffelhüschen sein Publikum auf – und empfahl das Statistische Jahrbuch als lehrreiche Bettlektüre.
Prof. Dr. Marco Wölfle, Wissenschaftlicher Leiter des Center for Real Estate Studies (CRES) der Steinbeis-Hochschule Berlin, bestätigte die Einschätzung der Erschwinglichkeit und ergänzte, dass die gefühlte Wohnkostenbelastung in der Bundesrepublik im Vergleich zum Ausland eher gering sei.
Wölfle stellte zudem seine Analyse des Freiburger Wohnimmobilienmarkt vor. Die Kaufangebote seien seit 2009 massiv zurückgegangen, während die Zahl der Mietangebote wesentlich stabiler sei. "Die Immobilienwirtschaft ist der Markt der Geduldigen", resümierte er.
Der geplante neue Stadtteil Dietenbach mit Raum für 15.000 Menschen reiche allerdings nicht aus, da die Flächen schnell vom Markt absorbiert würden, so Wölfle. Hier würde lediglich ein Versäumnis der vergangenen 15 Jahre beim Neubau von Wohnungen nachgeholt. Der soziale Wohnungsbau komme die Stadt in der Masse gesehen zu teuer. Er plädierte dafür, diese Maßnahme nur punktuell einzusetzen.
Podiumsdiskussion: "Schwarmstadt Freiburg – Wohnraum nur für Topverdiener?"
Die anschließende Podiumsdiskussion ging der Frage nach: "Schwarmstadt Freiburg – Wohnraum nur für Topverdiener?" Die Bühne teilten sich Prof. Dr. Martin Haag, Baubürgermeister von Freiburg, Michael Kleiner, Ministerialdirektor im baden-württembergischen Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau, Sun Jensch, Bundesgeschäftsführerin des Immobilienverbands Deutschland (IVD), sowie Dirk Labusch von der Zeitschrift "Immobilienwirtschaft" als Moderator.
Konfrontiert mit dem Wunsch von Freiburgs Oberbürgermeister Martin Horn nach mehr finanziellem Engagement des Landes für Wohnen, sah sich Kleiner durchaus in der Pflicht. Er verwies aber darauf, dass Fördermittel nicht abgerufen würden, weil die Bauwirtschaft mit Regulierungen kämpfe und Flächen fehlten. Jensch führte Hamburg und Münster als Vorreiter in der Wohnungsbaupolitik ins Feld. Beide Städte hätten massiv Flächen aufgekauft und neue Baugebiete ausgewiesen. Haag schränkte ein, dass Freiburg keine großen Industriebrachen habe und deshalb in die Außenentwicklung gehen müsse. Insgesamt räumt das Land laut Kleiner der Innenentwicklung Vorrang ein. Auf die Frage, ob die Landesbauordnung zu streng sei, antwortete Kleiner mit einem deutlichen Ja. Sie solle entschlackt und Genehmigungsverfahren beschleunigt werden. Das sei aber ein Konfliktpunkt in der Koalition.
Kommunikation ist das Schlüsselthema der Stadtplanung
Für den neuen Stadtteil Dietenbach hat Horn eine 50-Prozent-Quote für sozial geförderten Wohnraum vorgesehen. Jensch hielt dies in der Diskussion für ein Risiko, denn der Vorlauf sei zu lang und Wirtschaftlichkeitsberechnungen seien kaum möglich, gerade bei Quartieren mit Mischnutzung. Haag wendete ein, dass in einigen Baugebieten die 50-Prozent-Quote schon erreicht worden sei. Die Stadt übernehme vieles in Eigenregie, etwa die Vermarktung.
Kleiner kündigte an, Auswirkungen von Bürgerbegehren und -entscheiden zu evaluieren. Mit der gesamtdeutschen Perspektive stellte Jensch fest, dass die zunehmende Bürgerbeteiligung ein Riesenproblem der Branche sei. Hier gelte es, besser zu kommunizieren. Diese Ansicht teilte auch Haag. Mit Blick auf die Freiburger meinte er aber, dass diese auch eine Pflicht hätten, sich zu informieren. Er sehe mit der gesteigerten Bürgerbeteiligung das Prinzip der Repräsentativen Demokratie und die Gemeinwohlorientierung gefährdet. Für die Zukunft hat sich der Baubürgermeister gleichwohl vorgenommen, mehr Vertrauen in die Politik zu schaffen, indem er der Bevölkerung und Wirtschaft vermittelt, wie komplex die Vorgänge sind. "Wir haben ein Kommunikationsthema. Es ist das Thema der nächsten Jahre."
Der Artikel erscheint in der Immobilienwirtschaft, Ausgabe 03/2019