
Der Schulbau gehört nicht zu den Aufgaben der Wohnungswirtschaft. Jetzt steigt die Berliner Baugesellschaft Howoge in das Geschäftsfeld ein – eine gewaltige Aufgabe, geht es doch um ein Investitionsvolumen von eineinhalb Milliarden Euro.
2009 hatte die Stadt Nürnberg ein Problem. Durch das Konjunkturpaket II standen plötzlich umfangreiche Mittel für die Sanierung von Schulen zur Verfügung. Doch es fehlte an Kapazitäten, um die Mittel auszugeben. Da kamen die Verantwortlichen auf die Idee, die städtische Wohnungsbaugesellschaft, die wbg Nürnberg GmbH, in die Pflicht zu nehmen. Diese gründete die WBG Kommunal GmbH und unterstützte die Stadt fortan nicht nur bei der Sanierung von Schulen, sondern baute auch vier Kindertagesstätten.
"Bisher haben wir die Kita- und Schulbauprojekte alle im Zeit- und Budgetrahmen abgeschlossen", wbg-Pressesprecher Dieter Barth
Dass kommunale Wohnungsunternehmen außerhalb ihres eigentlichen Kerngeschäfts tätig werden, ist nicht ungewöhnlich. Ob Konferenzzentrum oder Spaßbad, ob Feuerwache oder Kindergarten, ob Reisecenter oder Parkhaus – es gibt kaum einen Gebäudetypus, an dem nicht irgendwo eine städtische Wohnungsbaugesellschaft mitgewirkt hat.
Und das mit gutem Grund, meint Sieghard Lückehe, Geschäftsführer der Städtischen Wohnungsgesellschaft Bremerhaven mbH: "Wir schaffen Standortfaktoren und übernehmen Verantwortung durch Konzeption, Bau und Betrieb von Immobilien – und profitieren betriebswirtschaftlich durch die Diversifikation".
Politische Debatte in Berlin um Howoge-Engagement
In Berlin ist nun jedoch das Engagement einer landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft, nämlich der Howoge, zum politischen Zankapfel geworden. Mit einer Volksinitiative – Anfang Juli 2018 wurden mehr als 30.000 Unterschriften eingereicht – protestiert die Aktion "Gemeingut in BürgerInnenhand" gegen das, was ihrer Ansicht nach den Einstieg in die Privatisierung der Schulen darstellt.
Im Frühjahr beschloss der Berliner Senat nämlich, für die Sanierung und den Neubau von Schulen die Dienste der Howoge in Anspruch zu nehmen. Dass diese sogenannte Schulbauoffensive angesichts steigender Schülerzahlen und maroder Schulgebäude dringend erforderlich ist, stellt dabei niemand in Frage. Umstritten ist hingegen die vom Senat beschlossene Konstruktion. Diese sieht vor, dass die eigentlich für Schulbelange zuständigen Bezirke nur noch kleinere Sanierungsprojekte in eigener Regie realisieren. Für Vorhaben, die zehn Millionen Euro oder mehr kosten, wird die Howoge ebenso zuständig sein wie für den Neubau von Schulen.
Modell mit besonderem Charme
Aus Sicht des Senats hat das Modell einen ganz besonderen Charme: Anders als das Land darf das Wohnungsunternehmen auch nach der für 2020 beschlossenen Einführung der Schuldenbremse Kredite aufnehmen. Insgesamt beziffert der Senat das mit der Schulbauoffensive verbundene Investitionsvolumen auf 5,5 Milliarden Euro für die Jahre 2017 bis 2026, wovon rund 1,5 Milliarden Euro auf die Howoge entfallen.
Konkret sieht das Modell beim Neubau vor, dass die Howoge Planung, Finanzierung und Bau übernimmt. Die Schulgebäude gehören ihr dann, während sie die Grundstücke im Erbbaurecht erhält. Die Laufzeit der Verträge beträgt zwischen 25 und 33 Jahren; danach gehen die Gebäude in das Eigentum der Bezirke über, und das Erbbaurecht läuft aus.
Während der Vertragslaufzeit erhält das Unternehmen von den Bezirken eine Miete, die sich aus den Kosten für Zins und Tilgung, den Gebühren für Projektentwicklung, Erbbauzins und Asset Management sowie einer Pauschale für den baulichen Unterhalt während des Gewährleistungszeitraums zusammensetzt. Das eigentliche Betreiben der Schulen obliegt hingegen weiterhin den Bezirken.
"Die Schulen werden über vergleichbare Befugnisse wie bisher auch verfügen", betont Howoge-Geschäftsführerin Stefanie Frensch. Das Unternehmen werde sich "im Wesentlichen um das Asset Management kümmern".
Pro und contra Tochtergesellschaft
Dabei verzichtet die Howoge darauf, für die neue Aufgabe eine Tochtergesellschaft zu gründen. Andere Unternehmen, die bereits länger im Schulbereich tätig sind, handhaben dies anders.
"Dass wir eine eigene Tochtergesellschaft gegründet haben, war die Schlussfolgerung aus steuerlichen, vergaberechtlichen und anderen Überlegungen", sagt Dieter Barth von der wbg Nürnberg. Auch die Gesellschaft für Grund- und Hausbesitz mbH Heidelberg (GGH) hat für ihre über den Wohnungsbereich hinausgehenden Aufgaben 2009 eine Tochtergesellschaft, nämlich die Bau- und Servicegesellschaft mbH Heidelberg (BSG), gegründet.
In Heidelberg hat die BSG die Sanierung der Internationalen Gesamtschule und den Bau des Schul- und Bürgerzentrums B3 in der Bahnstadt verantwortet. Dabei ist die BSG für Planung, Bau, Finanzierung und Betrieb zuständig, wobei die Immobilien (anders als beim Berliner Modell) im Eigentum der Stadt verbleiben.
"Es ist von ganz besonderer Bedeutung, Verträge abzuschließen, die die Unternehmen von Risiken freihalten", betont GGH-Geschäftsführer Peter Bresinski.
Für die Schulen erhält das Unternehmen ein Nutzungsentgelt; zudem ist es mit 50 Prozent an der von ihm erzielten Einsparung der Betriebskosten beteiligt.
Zwei Varianten in Nürnberg
Bei der wbg Nürnberg beziehungsweise ihrer Tochtergesellschaft WBG Kommunal kommen zwei unterschiedliche Varianten zum Tragen.
Zum einen unterstützt sie die Stadt als Dienstleisterin; so hat sie etwa 15 Schulstandorte auf eine sinnvolle Weiterentwicklung untersucht. Zum anderen übernimmt sie in einzelnen Fällen Finanzierung, Bau und Bewirtschaftung der Schulen, wobei die Verträge über 25 Jahre laufen. Das war bisher bei der Michael-Ende- und der Gretel-Bergmann-Schule der Fall; demnächst sollen zudem ebenfalls nach diesem Prinzip die Bauarbeiten am Bertolt-Brecht-Schulzentrum beginnen.
In Anlehnung an das Modell der Öffentlich-Privaten Partnerschaft (ÖPP; auch PPP für Public Private Partnership genannt) spricht wbg-Sprecher Dieter Barth von einer Öffentlich-Öffentlichen Partnerschaft. Die finanziellen Konditionen sind dabei anders geregelt als in Berlin: Die wbg hat die Kosten für Bauwerk und Finanzierung der beiden fertiggestellten Schulen bereits von der Kommune erstattet bekommen.
Ergänzt wird dies durch eine monatliche Zahlung für Gebäudemanagement, Haustechnik und infrastrukturelle Dienstleistungen. Letztere gehen weit über das hinaus, was in Berlin die Howoge leisten wird. "Die Bewirtschaftung umfasst nicht nur Instandsetzung und Instandhaltung, sondern etwa auch die Reinigung der Schulen und den Betrieb der Mensen", sagt Barth.
Verantwortung für Bedarfsplanung bei Land und Bezirken
Nur: Was passiert eigentlich, wenn sich die Statistiker mit den Prognosen wieder einmal täuschen sollten und die von Wohnungsunternehmen gebauten Schulen gar nicht mehr benötigt werden?
"Die Verantwortung für die Bedarfsplanung liegt beim Land und bei den Bezirken, und die Folgen einer allfälligen Fehlplanung bleiben nicht bei der Howoge hängen", versichert Geschäftsführerin Frensch. "Die Bezirke müssten in diesem Fall also weiterhin die vereinbarte Miete leisten."
Interview mit Stefanie Frensch: "Wir werden 30 Schulen bauen"
Warum die Howoge für die Sanierung und den Bau von Schulen keine Tochtergesellschaft gegründet hat und wie sie das für den Schulbereich nötige Personal findet, erklärt Geschäftsführerin Stefanie Frensch im Gespräch mit Christian Hunziker.
Hunziker: Frau Frensch, was prädestiniert die Howoge dazu, jetzt auch in die Sanierung und den Bau von Schulen einzusteigen?
Frensch: Schon seit Längerem gab es Diskussionen zwischen dem Berliner Senat und den sechs landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften, ob diese sich nicht bei den Schulen einbringen könnten. 2017 beschloss der Senat, nur eine Gesellschaft damit zu beauftragen. Die Howoge ist in Bezug auf den Verschuldungsgrad die wirtschaftlich stabilste der landeseigenen Gesellschaften. Außerdem hat sie eine effiziente Bauabteilung und die Kapazität, um ein zusätzliches Tätigkeitsfeld zu etablieren. Damit fungieren wir jetzt gewissermaßen als zweite Hochbauabteilung der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen.
Sie haben darauf verzichtet, für den Schulbau und die Schulsanierung eine Tochtergesellschaft zu gründen. Warum?
Eine eigene Gesellschaft hätte nur wenige Mitarbeiter, da wir für das Schulthema keinen eigenen Apparat aufbauen wollen. Zentrale Funktionen wie Vergabe oder Controlling werden durch die vorhandenen Abteilungen der Howoge abgedeckt. Deshalb haben wir uns entschieden, statt einer Tochtergesellschaft einen eigenen Bereich für Schulbau und -sanierung zu gründen, der eine Geschäftsbesorgungsvereinbarung mit den anderen Unternehmensbereichen abschließt. Der neue Bereich verfügt über einen eigenen Rechnungskreis und ein eigenes Konto; es wird also zum Beispiel berechnet, wie viel Arbeit die Vergabestelle für den Schulbereich erbringt. Das alles kann man transparent gestalten, und genau das ist unser Ansatz. Wir sind vorsichtige Manager und werden uns nicht Risiken in die Gesellschaft holen, die nicht zum Kerngeschäft gehören.
Wie viele zusätzliche Mitarbeiter brauchen Sie für die neue Aufgabe?
15 bis 18, und zwar hauptsächlich Architekten und Bauingenieure. Wir übernehmen die Projektleitung und Projektsteuerung, wobei uns auch die im vergangenen Jahr erfolgte Übernahme der Projektsteuerungsgesellschaft Kramer + Kramer hilft. Hingegen ergibt es keinen Sinn, eine eigene Planungsabteilung aufzubauen. Die Planung vergeben wir immer extern, was uns gleichzeitig die Möglichkeit bietet, uns den nötigen schulspezifischen Sachverstand zu sichern. Den Personalbedarf haben wir aus unseren Erfahrungen mit dem Aufbau der Neubauabteilung abgeleitet.
Wir reden über ein Investitionsvolumen von 1,5 Milliarden Euro. Wie regeln Sie die Finanzierung?
Die Finanzierung wird nicht über Grundschulden besichert, sondern über die Mietverträge. Wir rechnen damit, kommunalkreditähnliche Konditionen zu erhalten. Wichtig ist dabei der vereinbarte Einredeverzicht des Landes bezüglich eines Teils der Mietzahlung. Das bedeutet, dass der Kapitaldienstanteil – also Zins und Tilgung – gegenüber der Bank in jedem Fall gezahlt wird.
Wie geht es jetzt weiter?
Für die zehn Großsanierungen haben wir eine Generalplanerausschreibung auf den Weg gebracht mit dem Ziel, bis zu vier Partner zu finden. 2019 wird die Bestandsaufnahme der zu sanierenden Schulen erfolgen, und Ende 2020 könnten die ersten Sanierungsarbeiten beginnen. Dabei werden wir mit Einzelausschreibungen arbeiten. Beim Neubau werden wir hingegen versuchen, mit Generalunternehmerverträgen zu agieren. Insgesamt werden wir 30 Schulen bauen; bei zehn davon sind die Grundstücksfragen bereits geklärt. Dabei gilt immer: Wir sehen uns als Erfüllungsgehilfen des Landes Berlin und als Stütze der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Bauen sowie der Bezirke.
Der Artikel und das Interview erschienen zuerst in der DW Die Wohnungswirtschaft 09/18.