Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Rücknahme einer fiktiv erteilten denkmalschutzrechtlichen Genehmigung zum Einbau von Kunststoffenstern

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine fiktiv erteilte denkmalschutzrechtliche Genehmigung steht einer ausdrücklich erteilten Genehmigung in jeder Hinsicht gleich.

2. Eine Rücknahmeentscheidung nach § 48 Abs. 1 SVwVfG muss jedenfalls beim Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 48 Abs. 2 Sätze 3 und 6 SVwVfG Ermessenserwägungen enthalten, die über die Genehmigungsfähigkeit hinausgehen, wenn das geschützte Ensemble von den nunmehr beanstandeten Fenstern geprägt ist.

 

Normenkette

SVwVfG § 48 Abs. 1, 2 Sätze 3, 6

 

Tenor

Der Bescheid des Beklagten vom 29.12.2005 wird aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe der sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Kostenschuld abwenden, falls nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Der Streitwert wird auf 5.000,– Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen einen denkmalschutzrechtlichen Bescheid, mit dem eine fiktiv erteilte Genehmigung zum Einbau von Kunststofffenstern mit Ziersprossen (anstelle von Holzkastenfenstern) im Gebäude A-Straße in A-Stadt nach § 48 SVwVfG zurückgenommen wurde.

Das Bauwerk ist Bestandteil des Ensembles Marktplatz/Klosterstraße. In der Bekanntmachung des Staatlichen Konservatoramtes betreffend Baudenkmäler der Landeshauptstadt Saarbrücken und der Kreisstadt A-Stadt vom 20. September 1989 (ABl. S. 1594 (1607 ff.)) heißt es zu diesem Ensemble und zum Gebäude selbst (mit Hervorhebungen mittels Fettdruck durch das Gericht):

Bereich (Neubauten stehen in eckigen Klammern): Eisenbahnstraße 1, 3 – Fruchthallstasse ≪11, 13, 15,≫ 17, Hangabstützungsmauer im Norden und Süden (mit dahinter liegenden Felsenkellern) – Karlsbergstraße ≪1≫ – Klosterstraße 1, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 10/10a-d, 12/12a, 14 –Marktplatz 1, 2, 3, 4, 5, 6, 8, 9, ≪10, 11, 12,≫ 13,14 , 15 – Saarbrücker Straße 2/4, 6, 8, 10, 12/14 – St.-Michael-Straße: Katholische Pfarrkirche St. Michael – Zu den Höhlen 2.

Der am nördlichen Fuß des Schlossbergs gelegene, längseckige Marktplatz sowie das Gefüge von größtenteils parallel und rechtwinklig zur ehemaligen Stadt- bzw. Festungsmauer verlaufenden, an den Platzecken einmündenden Straßen, deren Baufluchten durch eine große Anzahl alter Kellerräume dokumentiert werden, bildet den Ortskern von A-Stadt.

Platzanlage und Straßenführung gehen in ihrer Grundrissgestaltung im Wesentlichen auf die Neuplanung des französischen Festungsbaumeisters Vauban zurück, der, nachdem die Stadt im Dreißigjährigen Krieg sehr stark in Mitleidenschaft gezogen worden und 1679 an Frankreich gefallen war, neben dem Ausbau der Festung auf dem Schlossberg auch die Stadt (mit vier vorgeschobenen Bastionen und zwei Toren) sicherte. Als Bestandteil des französischen Festungsgürtels und als Sitz des Intendanten der damaligen Saarprovinz verlor A-Stadt jedoch nach den Friedensschlüssen von Rijswijk (1697) und Baden (1714) durch die zweimalige Schleifung seiner Befestigung rasch an Bedeutung.

Die heutige Marktplatz-Umbauung stammt größtenteils erst aus späterer Zeit. Die ehemals einheitlich auf den Längsseiten geschlossenen Platzfassaden aus zweigeschossigen, traufständigen Marsardendach-Bauten, wie sie heute noch teilweise in der großen Architekturform erkennbar sind, dürften im 18. Jahrhundert entstanden sein, nachdem A-Stadt 1755 von Nassau-Weilburg und Nassau-Saarbrücken nach Pfalz-Zweibrücken übergewechselt war (auf der nördlichen Längsseite Marktplatz Nr. 1-5, darunter Nr. 1 in den 1930er Jahren barockisierend erneuert; südliche Platzwand Nr. 9-15; hiervon Nr. 10-12 nach dem 2. Weltkrieg wieder aufgebaut und Geschosszahl von Nr. 14 wieder auf den alten Zustand zurück geführt). Nur bei wenigen Häusern der Marktplatz-Umbauung wird ältere Bausubstanz ersichtlich: so etwa bei der Rückfront des Hauses Klosterstraße 4, deren Stockfenster wohl dem 17. Jahrhundert zugeschrieben werden können, oder das Haus Marktplatz 6, das, mit hoher Wahrscheinlichkeit in das 2. Viertel des 18. Jahrhunderts zurückreichend, auf Grund seines steilen Satteldachs einen älteren Bautyp vertritt.

In der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts erfolgen nachbarocke Baumaßnahmen, die sich – und das ist charakteristisch – der älteren Bebauung anpassen. …

So wird auf der westlichen Schmalseite des Platzes (an der Stelle der früheren Kommandantur bzw. des „Alten Amtshauses”) ein schlichter Traufseitbau mit Krüppelwalm errichtet: Das heute als „Altes Rathaus” bekannte Gebäude, …

Unverändert dagegen wird noch heute das Bild der alten Marktplatz-Umbauung von der erhöht gelegenen und weithin sichtbaren katholischen Pfarrkirche St. Michael bestimmt, eine monumentale neuromanische Chorturmkirche, die in den Jahren 1836-41 an der Stelle eines Vorgängerbaus errichtet wurde.

Ab der Mitte des 19. Jah...

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