Der BGH ist der Ansicht, auch nach dem seit dem 1.12.2020 geltenden Recht bestehe ein Anspruch des einzelnen Wohnungseigentümers auf Abberufung des Verwalters nur dann, wenn die Ablehnung der Abberufung aus objektiver Sicht nicht vertretbar erscheine. Zwar könne ein Verwalter seit dem 1.12.2020 jederzeit abberufen werden. Regelungen in der Gemeinschaftsordnung, die dieser Rechtslage entgegenstünden, seien unwirksam geworden. Werde der Verwalter abberufen, ende der mit ihm geschlossene Vertrag jetzt zudem spätestens 6 Monate nach der Abberufung. Entgegenstehende Vereinbarungen im Verwaltervertrag seien mithin ebenfalls unwirksam geworden. Auch richte sich der Anspruch auf Abberufung des Verwalters nicht mehr gegen die übrigen Wohnungseigentümer, sondern gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer.

Der Anspruch auf Abberufung des Verwalters bestehe aber weiterhin nur dann, wenn die Ablehnung dieses Anspruchs aus objektiver Sicht nicht vertretbar erscheine. "Nicht vertretbar" bedeute dabei nicht, dass unerfüllbare Anforderungen an den Abberufungsanspruch gestellt werden dürften. Es reiche aus, wenn in der Gesamtschau allein die Abberufung dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen entspreche. Ob ein Abberufungsanspruch gegeben sei, sei auch nach neuem Recht in umfassender Würdigung aller Umstände des Einzelfalls und aller gegen den Verwalter erhobenen Vorwürfe zu prüfen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass mit dem Kriterium der Unvertretbarkeit zum einen die Entscheidung der Mehrheit in vertretbarem Rahmen respektiert, andererseits aber auch der Minderheit Schutz geboten werde. Insofern müsse bei der Würdigung aller Umstände des Einzelfalls auch jeweils der Minderheitenschutz in den Blick genommen werden. Bei der Gesamtschau der Umstände des Einzelfalls könnten schwerwiegende Verstöße die Abberufung eher nahelegen, während bei leichteren Verfehlungen möglicherweise eher berücksichtigt werden könne, inwieweit in der Zukunft eine Besserung zu erwarten sei.

Mit welchem Gewicht länger zurückliegende Geschehnisse zu berücksichtigen seien, entziehe sich einer allgemeinen Betrachtung. Allgemeingültige zeitliche Grenzen, jenseits derer Pflichtverletzungen unbeachtlich seien, gebe es nicht. Die Annahme, die Ablehnung der Abberufung eines Verwalters sei unvertretbar, könne sich erst in der Gesamtschau eines neuerlichen Vorfalls mit älteren Geschehnissen ergeben. Umgekehrt könne ein neuer Vorfall einen alten in einem neuen Licht erscheinen lassen. Zudem könne ein länger zurückliegender Punkt im Rahmen einer Gesamtwürdigung mit weiteren späteren Vorfällen, "die das Fass irgendwann zum Überlaufen bringen", wesentliche Bedeutung erlangen. Zwar sei auch denkbar, dass ein bestimmter Zeitablauf eine Pflichtverletzung im Rahmen der Gesamtabwägung als weniger gewichtig erscheinen lasse. Dies sei aber nur ein mögliches Ergebnis der Abwägung und enthebe nicht der Pflicht, zunächst alle Umstände in die Gesamtabwägung einzubeziehen.

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