1 Leitsatz

Eine am Tag der Einladung noch zulässige, später aber aufgrund entsprechender gesetzlicher Vorgaben unzulässige Versammlung abzusagen, entspricht ordnungsmäßiger Verwaltung.

2 Normenkette

§§ 23, 24 WEG; §§ 935, 940 ZPO

3 Das Problem

Wohnungseigentümer K stellt am 18.3.2020 einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung. Verwalter V soll verpflichtet werden, die zum 4.4.2020 in Erfurt einberufene Versammlung abzusagen. Dieser Antrag wird V am 26.3.2020 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 23.3.2020 erklärt K den Antrag in der Hauptsache für erledigt. Fraglich ist, wer die Kosten zu tragen hat. Das AG meint, K müsse die Kosten tragen. Dagegen wendet sich K mit einer sofortigen Beschwerde.

4 Die Entscheidung

Ohne Erfolg! V habe die Ladung zur Eigentümerversammlung am 13.3.2020 in die Post gegeben. Danach habe die Stadt Erfurt eine Allgemeinverfügung erlassen, in der Versammlungen untersagt worden seien. V habe unverzüglich auf diese reagiert und die Versammlung am 19.3.2020 abgesagt. Im Zeitpunkt der Erstellung der Ladung zur Versammlung hätten keine rechtlichen Hindernisse bestanden, eine Versammlung durchzuführen. Die gesundheitlichen Bedenken des K zum Zeitpunkt der Antragstellung am 18.3.2020 seien zwar nachvollziehbar, könnten aber nicht dazu führen, dass ein Anspruch auf Untersagung der Versammlung entstehe.

Hinweis

  1. Der Antrag müsste im aktuellen Recht gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gerichtet werden. Denn der Verwalter lädt jetzt nicht mehr in seinem eigenen Namen, sondern im Namen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu einer Versammlung. Inhaltlich ist dem Gericht zuzustimmen, dass der Verwalter jedenfalls laden durfte. Die Sachlage änderte sich zwar, nach dem die Allgemeinverfügung ergangen war. Aber auch insoweit ist dem Verwalter kein Fehler unterlaufen.
  2. Im aktuellen Recht kann überlegt werden, einen Beschluss nach § 23 Abs. 1 Satz 2 WEG zu fassen. Danach können die Wohnungseigentümer beschließen, dass Wohnungseigentümer bzw. teilnahmeberechtigte Dritte, z. B. Insolvenzverwalter, an einer Präsenzversammlung auch ohne Anwesenheit vor Ort teilnehmen und sämtliche oder einzelne ihrer Versammlungsrechte ganz oder teilweise im Wege elektronischer Kommunikation ausüben dürfen. Diese Beschlusskompetenz ermöglicht es zwar nicht, die gesetzlich als Normalfall vorgesehene Präsenzversammlung ("an deren Ort") insgesamt zugunsten einer reinen Online-Versammlung abzuschaffen. Es ist hingegen möglich, dass sämtliche Wohnungseigentümer an der Präsenzversammlung elektronisch teilnehmen.

Überblick:

  • Die Wohnungseigentümer müssen beschließen, dass die Möglichkeit bestehen soll, an einer, mehreren oder allen Versammlungen im Wege elektronischer Kommunikation teilzunehmen. Der Datenschutz ist zu wahren. Verfügt ein Wohnungseigentümer nicht über die verlangte technische Ausstattung, ist das hinzunehmen, da er an der Präsenzversammlung teilnehmen kann. Die Wohnungseigentümer müssen über die notwendige technische Ausgestaltung für die Online-Teilnahme aufseiten der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und aufseiten der Wohnungseigentümer beschließen. Anzustreben ist eine wechselseitige Kommunikation in Echtzeit.
  • Das WEG regelt die technische Ausgestaltung bewusst nicht. Der Beschluss muss daher festlegen, welche Technik die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer einsetzen soll, und muss die technischen Anforderungen an die Hardware und die Software der elektronisch teilnehmenden Wohnungseigentümer bestimmen und angemessen und verständlich beschreiben. Unklar ist, ob man die Bestimmung der Einzelheiten nach § 27 Abs. 2 WEG dem Verwalter überlassen kann. Nach hier vertretener Ansicht erlaubt § 27 Abs. 2 WEG nur eine Erweiterung der Rechte nach § 27 Abs. 1 WEG.
  • Der Begriff "elektronische Kommunikation" erfasst alle sprach- und/oder bildbasierten elektronischen Kommunikationsmittel sowie elektronische Textkommunikation. Zulässig ist z. B. eine Teilnahme per Video und Ton, etwa über ein soziales Netzwerk oder andere Dienste, aber auch nur per Ton, im Wege der E-Mail oder mit einem Messengerdienst.
  • Die Wohnungseigentümer müssen im Beschluss bestimmen, welche Versammlungsrechte ganz oder teilweise im Wege elektronischer Kommunikation ausgeübt werden können. Vorstellbar ist etwa, dass ein auf der Versammlung nicht präsenter Wohnungseigentümer nur zuhören kann. Ferner ist vorstellbar, dass ein Wohnungseigentümer zwar Bild und Ton empfangen kann, aber weder ein Rede-, Antrags- noch ein Recht zur Abstimmung hat. Ist nichts im Einzelnen bestimmt, gilt der Regelfall und ist beschlossen, dass jeder Wohnungseigentümer sämtliche Versammlungsrechte im Wege elektronischer Kommunikation ausüben können soll.
  • Die Versammlung der Wohnungseigentümer ist nicht öffentlich. Diese Anforderung muss jeder Wohnungseigentümer wahren, der Versammlungsrechte jenseits der Präsenzversammlung wahrnimmt. Der Versammlungsleiter ist nur dazu aufgerufen, die Plausibilität etwaiger elektronischer Zugangsvoraussetzungen zu prüfen. Ohne begründeten Zweifel ist er jedoch nicht verpflichtet, die Einhaltung d...

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