1 Leitsatz

Teilt der Eigentümer zweier benachbarter Grundstücke diese jeweils nach § 8 WEG, steht der Begründung von Teileigentum an Tiefgaragenplätzen nicht entgegen, dass sich die Tiefgarage unter beiden Grundstücken erstreckt, wenn die Tiefgarage beiden Grundstücken zuzuordnen ist.

2 Normenkette

WEG § 8; BGB § 912

3 Sachverhalt

X ist Eigentümer der Grundstücke 1 und 2. Auf den Grundstücken befindet sich eine einheitliche Tiefgarage, die durch eine Ein- und Ausfahrt auf dem Grundstück 1 erschlossen wird. X gibt für das Grundstück 1 eine Teilungserklärung ab. Im Folgenden gibt X auch für das Grundstück 2 eine Teilungserklärung ab. Das Grundbuchamt meint, X müsse nachweisen, dass die Tiefgarage Bestandteil des Gebäudes/Grundstücks sei. Dagegen richtet sich die Grundbuchbeschwerde des X. Mit Erfolg!

4 Entscheidung

Zwar setze die Begründung von Wohnungs- und Teileigentum voraus, dass Grundstück und Gebäude eigentumsrechtlich eine Einheit bildeten. Dem Grundbuchamt sei diese Einheit nachzuweisen, wenn das Gebäude zum Teil auf einem anderen als dem aufzuteilenden Grundstück stehe. Die Teilungserklärung könnte daher nicht vollzogen werden, wenn die auf beiden Grundstücken errichtete Tiefgarage als wesentlicher Bestandteil allein dem Grundstück 1 zuzuordnen wäre. So liege es aber nicht. Voraussetzung für eine einheitliche Zuordnung der Tiefgarage zu einem der beiden Grundstücke sei, dass eines der Grundstücke als Stammgrundstück anzusehen sei, von dem das Gebäude auf das Nachbargrundstück hinüber gebaut worden sei. Hierfür komme es auf die Absichten und wirtschaftlichen Interessen des Erbauers an. Im Fall habe X die Absicht zu einer vertikalen Teilung der Tiefgarage an der Grundstücksgrenze gehabt, § 94 Abs. 1, § 946 BGB. Sämtliche Stellplätze befänden sich jeweils in dem Teil der Tiefgarage, der auf dem aufzuteilenden Grundstück belegen sei. Die objektiven Gegebenheiten stünden diesem Verständnis nicht entgegen. Der Annahme einer vertikalen Teilung stehe auch nicht das Erfordernis der Abgeschlossenheit des Sondereigentums entgegen. Auf eine Abgeschlossenheit gegenüber dem Nachbargrundstück komme es nämlich nicht an. Insoweit sei allein die Grundstücksgrenze maßgeblich, die ausweislich der beigefügten Pläne von keinem der Stellplätze auf beiden Grundstücken tangiert werde.

Hinweis

Im Fall fragt es sich, ob ein Überbau vorliegt. Wäre es so, wäre die Teilungserklärung des Grundstücks 2 nicht wie gewollt möglich, sollte die Tiefgarage dem Grundstück 1 zuzuordnen sein. Also musste das Gericht fragen, ob mit der Tiefgarage ein Überbau – im Fall ein "Unterbau" – vorliegt. Dazu muss man unterscheiden:

  • Von einem gutgläubigen Überbau (auch: entschuldigter unrechtmäßiger) ist zu sprechen, wenn die Tatbestandvoraussetzungen des § 912 Abs. 1 BGB vorliegen. Es muss also der Eigentümer eines Grundstücks bei der Errichtung eines Gebäudes über die Grenze gebaut haben, ohne dass ihm Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt. Dies ist auch möglich, wenn beide Grundstücke zunächst im Eigentum einer Person stehen (Eigengrenzüberbau). Dann ist zu klären, welches der Grundstücke das "Stammgrundstück" ist, also das Grundstück, dem der Überbau zuzuordnen ist.
  • Von einem rechtmäßigen Überbau spricht man, wenn der Nachbar einem Überbau zustimmt. Auf den rechtmäßigen Überbau ist § 912 Abs. 1 BGB grundsätzlich nicht anwendbar.
  • Von einem rechtswidrigen Überbau spricht man, wenn die Voraussetzungen des § 912 BGB nicht vorliegen und der Nachbar auch nicht zugestimmt hat.

Das Gericht verneint der Sache nach alle 3 genannten Fälle. Es meint, das Eigentum an der Tiefgarage sei vertikal an der Grundstücksgrenze getrennt. Die Tiefgarage stehe also zum einen im Eigentum der Eigentümer von Grundstück 1 und zum anderen im Eigentum der Eigentümer von Grundstück 2. Zu dieser Einschätzung kommt es, weil es die Frage, ob eines der Grundstücke als "Stammgrundstück" anzusehen ist, verneint. Die Frage, ob ein Raum vorliegt, wird allerdings nicht gestellt.

Hinweis: Gutgläubiger Überbau

§ 912 Abs. 1 BGB gibt dem Eigentümer ein Duldungsrecht gegen den schweigenden Nachbar, den eine Duldungspflicht trifft. Der schweigende Nachbar muss – ebenso wie Rechtsnachfolger – den Überbau dulden und hat keinen Beseitigungsanspruch. Die Duldungspflicht schränkt die Rechte aus § 903 BGB ein, gibt ein Besitzrecht und gehört zum Inhalt des Eigentums – einer Grunddienstbarkeit wesensähnlich, aber nicht wesensgleich. Zusätzliche Beeinträchtigungen, die über den eigentlichen Überbau hinausgehen, z. B. der Gebrauch von Wegeflächen, sind nicht umfasst. § 912 Abs. 1 BGB gibt auch kein Recht für eine spätere Aufstockung. Der Überbauer wird Eigentümer des ganzen Gebäudes, d. h. auch des auf dem Nachbargrundstück stehenden Bauwerkteils, kann dieses allein gebrauchen und nutzen und schuldet die Verkehrssicherung. Die überbaute Grundfläche verbleibt hingegen im Eigentum des Nachbarn. Dieser behält auch die Herrschaft über den Luftraum oberhalb des Überbaus. Der Nachbar ist durch eine Geldrente (Überbaurente) zu entschädigen. Die Überbaurente wird...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt VerwalterPraxis. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge