Leitsatz (amtlich)

Kostenfestsetzungsverfahren: Anrechnung der vorgerichtlichen Geschäftsgebühr auf die prozessuale Verfahrensgebühr.

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Beschluss vom 02.08.2007)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 02.09.2009; Aktenzeichen II ZB 35/07)

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin des LG Stuttgart vom 2.8.2007 wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Beschwerdewert: 676,52 EUR.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin verpflichtet ist, sich im Rahmen der Kostenfestsetzung auf die für ihren Bevollmächtigten entstandene und grundsätzlich erstattungsfähige gerichtliche Verfahrensgebühr die Hälfte einer vorgerichtlich entstandenen Geschäftsgebühr anrechnen zu lassen.

Mit Versäumnisurteil des LG vom 22.5.2007 wurden die Beklagten antragsgemäß verurteilt und es wurden ihnen die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Der hiergegen gerichtete Einspruch der Beklagten wurde mit zweitem Versäumnisurteil vom 12.7.2007 verworfen. Die Beklagten haben danach auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 2.8.2007 hat die Rechtspflegerin des LG die von den Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten auf insgesamt 3.073,84 EUR festgesetzt. In diesem Betrag ist u.a. auch die von der Klägerin für ihren Bevollmächtigten geltend gemachte 1,3-Verfahrensgebühr gem. Nr. 3100 RVG-VV in voller Höhe berücksichtigt.

Mit ihrer fristgerecht eingelegten sofortigen Beschwerde machen die Beklagten geltend, dass im Kostenfestsetzungsverfahren aufgrund der Anrechnungsvorschrift in Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG-VV zu berücksichtigen sei, dass der Bevollmächtigte der Klägerin für diese schon vorgerichtlich tätig gewesen sei. Damit könne für die Tätigkeit im Rechtsstreit lediglich eine 0,55 Verfahrensgebühr verlangt werden. Der festgesetzte Erstattungsbetrag sei somit um 676,52 EUR (Differenz zwischen der geltend gemachten 1,3 Verfahrensgebühr aus 26.098,28 EUR i.H.v. 985,40 EUR und einer 0,55 Verfahrensgebühr i.H.v. 416,90 EUR zzgl. MwSt.) zu kürzen. Zur Begründung seiner Ansicht beruft sich der Beklagtenvertreter auf die Entscheidungen des BGH vom 7.3.2007 (VIII ZR 86/06), vom 14.3.2007 (VIII ZR 184/06) und vom 10.5.2007 (VII ZB 110/06).

Der Beklagte ist der Beschwerde entgegengetreten. Er ist der Auffassung, es sei für die Kostenfestsetzung im Verhältnis der Parteien irrelevant, ob und inwieweit im Verhältnis zwischen der Klägerin und ihrem Prozessbevollmächtigten vorgerichtlich eine Geschäftsgebühr angefallen sei. Diese sei von der Klägerin weder im vorliegenden Rechtsstreit noch anderweitig eingeklagt worden. Die zitierten Entscheidungen seien damit nicht einschlägig.

Die Rechtspflegerin hat das Rechtsmittel der Beklagten ohne Abhilfe dem OLG zur Entscheidung vorgelegt.

II. Das Rechtsmittel der Beklagten ist als sofortige Beschwerde gem. §§ 11 Abs. 1 RPflG, 104 Abs. 3 ZPO statthaft und auch sonst zulässig. In der Sache hat die Beschwerde jedoch keinen Erfolg.

Die Festsetzung der Rechtspflegerin ist nicht zu beanstanden. Sie hat zurecht und mit zutreffender Begründung (ergänzt durch den Vorlagebeschluss vom 18.9.2007) die für den Bevollmächtigten der Klägerin entstandene 1,3-Verfahrensgebühr gem. Nr. 3100 als prozessualen Kostenerstattungsanspruch zutreffend in vollem Umfang gegen die Beklagten in Ansatz gebracht.

Eine Pflicht zur Anrechnung der bei der Klägerin aufgrund vorgerichtlicher Tätigkeit ihrer Bevollmächtigten entstandenen Geschäftsgebühr gem. Nr. 2400 RVG-VV auf die im gerichtlichen Verfahren angefallene 1,3 Verfahrensgebühr gem. Nr. 3100 RVG-VV ergibt sich entgegen der Auffassung des Beklagten nicht aus der Entscheidung des BGH vom 7.3.2007 (AGS 2007, 283) und der daran anknüpfenden Entscheidung vom 14.3.2007 (AGS 2007,289). Beide Urteile betrafen Fälle, in denen der Kläger als Nebenforderung die Geschäftsgebühr aufgrund eines materiellen Schadensersatzanspruchs mit eingeklagt hatte. Dieses Vorgehen hat der BGH aufgrund der Anrechnungsvorschrift in Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG-VV als berechtigt beurteilt und im Zusammenhang damit darauf hingewiesen, dass die Anrechnung nach dem Wortlaut der Vorschrift in Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG-VV erst im Kostenfestsetzungsverfahren des Rechtsstreits erfolge. Im vorliegenden Verfahren hat die Klägerin eine möglicherweise vorgerichtlich angefallene Geschäftsgebühr ihres Bevollmächtigten weder im Hauptsacheverfahren noch in einem anderen Verfahren - als materiell-rechtlichen Schadensersatzanspruch - geltend gemacht.

Für diese Fallgestaltung entspricht es soweit ersichtlich ganz h.M. im Zivilrecht, dass im Kostenfestsetzungsverfahren auf der Grundlage der gerichtlichen Kostengrundentscheidung nur die prozessual entstandenen Gebühren und damit grundsätzlich die volle Verfahrensgebühr gem. Nr. 3100 RVG-VV zu berücksichtigen ist, soweit diese im Verfahren in voller Höhe...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt VerwalterPraxis. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge