Leitsatz (amtlich)

Vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus einem erstinstanzlich erfolgreichen Räumungsurteil für Gewerberäume in der Berufungsinstanz, wenn das Räumungsurteil auf die Nichtzahlung von Miete für Mai und Juni 2020 gestützt wurde.

 

Normenkette

EGBGB Art. 240 § 2; ZPO §§ 709-710

 

Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Aktenzeichen 14 O 845/20)

 

Tenor

Die Zwangsvollstreckung aus dem Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 04.09.2020, Az.: 14 O 845/20, wird ohne Sicherheitsleistung einstweilen eingestellt.

 

Gründe

Die Voraussetzungen für eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung gemäß § 719 Abs. 1 Satz 1, §§ 707, 710 ZPO liegen vor.

I. Der Beklagte wurde vom Landgericht Nürnberg-Fürth erstinstanzlich zur Räumung und Herausgabe von Räumen im Anwesen ... in ... verurteilt, in denen er vertragsgemäß eine Gaststätte ("...") betreibt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Die Klägerin hatte ihre Räumungsklage ursprünglich darauf gestützt, dass der vertragsgemäß bis 30.05.2020 befristete Mietvertrag (Anlage K 1) im Zeitpunkt der Zustellung der Klage an den Beklagtenvertreter am 08.04.2020 unmittelbar vor seiner Beendigung stünde und der Beklagte zu erkennen gegeben habe, dass er die Räume nicht freiwillig räumen werde. Insoweit besteht zwischen den Parteien Streit darüber, ob der Beklagte die in § 2 Nr. 2 des Mietvertrags eröffnete Verlängerungsoption bis 30.05.2030 in wirksamer Weise gezogen hat. Mit Schreiben vom 05.06.2020 (Anlage K 12, nach Bl. 48 d.A.) sprach die Klägerin als Rechtsnachfolgerin des ursprünglichen Vermieters eine fristlose Kündigung des Mietverhältnisses aus, weil der Beklagte die Monatsmieten für Mai und Juni 2020 nicht bezahlt habe, und stützte ihren angepassten Räumungsantrag (Klägerschriftsatz vom 09.06.2020) nunmehr auch darauf. Gemäß § 4 Nr. 1 des Mietvertrags sind die monatlichen Mietzahlungen im Voraus, spätestens zum dritten Werktag des Monats fällig.

Das Landgericht hat keine Beweisaufnahme durchgeführt. In seiner Urteilsbegründung hat es die Frage nach der Wirksamkeit der Vertragsverlängerung offengelassen und das Urteil darauf gestützt, dass jedenfalls die außerordentliche Kündigung wegen der Nichtzahlung der Mieten für Mai und Juni 2020 begründet sei. Der Beklagte habe nämlich nicht - wie von Art. 240 § 2 Abs. 1 Satz 2 EGBGB gefordert - den Zusammenhang zwischen der COVID-19-Pandemie und der Nichtleistung der Miete glaubhaft gemacht.

Der Beklagte hat gegen das Urteil mit Schriftsatz vom 07.09.2020 Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 17.09.2020 begründet. Die Berufungsbegründung hat er mit einem Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung ohne Sicherheitsleistung verbunden. Der Senat hat der Klägerin im Hinblick auf den Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung rechtliches Gehör gewährt. Die Klägerin hat im Schriftsatz vom 22.09.2020 dazu Stellung genommen. Auf das landgerichtliche Urteil und die gewechselten Schriftsätze wird ergänzend Bezug genommen.

II. Nach § 719 Abs. 1 ZPO kann, wenn gegen ein Urteil Berufung eingelegt wird, entsprechend den Vorschriften des § 707 ZPO die Vollstreckung aus dem angegriffenen Urteil einstweilen eingestellt werden. Voraussetzung ist zum einen eine hinreichende Erfolgsaussicht des Berufungsverfahrens (dazu nachfolgend unter 1), zum anderen ein besonderes, überwiegendes Interesse des Schuldners an einer Einstellung der Vollstreckung (dazu nachfolgend unter 2) (OLG Rostock, Beschluss vom 21.03.2006 - 3 U 18/06, juris Rn. 3; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 13.10.2014 - 6 U 118/14, juris Rn. 10; OLG Frankfurt, Beschluss vom 06.02.2017 - 2 U 174/16, juris Rn. 16).

Die im Verfahren nach §§ 707, 719 ZPO vorzunehmende summarische Prüfung, ob das angefochtene Urteil voraussichtlich keinen Bestand haben wird, muss sich zumindest im Regelfall auf diejenigen tatsächlichen Feststellungen und diejenigen rechtlichen Erwägungen beschränken, die für die erstinstanzliche Entscheidung tragend waren. Die Einstellungsentscheidung darf und kann nicht die abschließende, aufgrund umfassenden rechtlichen Gehörs und mündlicher Verhandlung zu treffende Entscheidung im Berufungsrechtszug vorwegnehmen. Wenn sich also die Feststellungen oder rechtlichen Erwägungen, auf denen die erstinstanzliche Entscheidung beruht, als nicht tragfähig darstellen, spricht dies im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung für eine vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 13.10.2014 - 6 U 118/14, juris Rn. 12).

Da der Schuldner durch die Regeln über die Sicherheitsleistung (§§ 708 bis 712 ZPO) geschützt wird, haben bei der Abwägung der Interessen diejenigen des Gläubigers kraft gesetzlicher Wertung Vorrang, so dass insbesondere bei - wie hier - vorinstanzlich angeordneter Sicherheitsleistung des Gläubigers dem Einstellungsantrag nur stattgegeben werden darf, wenn der Schuldner darüber hinausgehende schutzwürdige Einstellungsinteressen darlegt und glaubhaft macht (Zöller/Herget, ZPO, 33. Aufl., § 719 Rn. 3 m.w.N.). Regel...

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