Verfahrensgang

LG Dessau (Urteil vom 27.07.2001; Aktenzeichen 8 O 122/01)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 19.06.2002; Aktenzeichen XII ZR 5/02)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 27.7.2001 verkündete Urteil des Landgerichts Dessau (8 O 122/01) abgeändert:

Der Beklagte wird verurteilt, über den vom Landgericht zugesprochenen Betrag von 10.938,66 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 6.8.1999 hinaus, an den Kläger weitere 56.987,84 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 6.8.1999 zu zahlen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beschwer des Beklagten beträgt 56.987,84 DM.

 

Tatbestand

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das Rechtsmittel hat in vollem Umfang Erfolg. Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung restlichen Mietzinses für die Zeit von August 1997 bis Juni 1998 in – rechnerisch unstreitiger – Höhe von insgesamt 67.926,50 DM gemäß seiner Aufstellung in der Klageschrift vom 22.1.2001 (S. 3 – Bl. 3 –). Dem Beklagten steht für den gesamten Zeitraum kein Recht zur Minderung des Mietzinses gemäß § 536 Abs. 1 BGB zu (1.). Durch die Kündigung vom 30.12.1997 (Bl. 25/26) wurde das Mietverhältnis nicht beendet (2.).

1. Dem Beklagten steht kein Recht zur Minderung des Mietzinses zu. Er hat ein Minderungsrecht durch die vorbehaltlose Zahlung des Mietzinses bis einschließlich August 1996 gemäß § 536 b BGB (analog) verloren. Der Senat hält an seiner ständigen Rechtsprechung zu § 539 BGB a. F. fest, dass der Mieter, auch wenn der Mangel erst nach Übergabe der Mietsache entsteht, sein Recht zur Minderung des Mietzinses verliert, wenn er in Kenntnis des Mangels den Mietzins vorbehaltlos und ungekürzt über einen Zeitraum von wenigstens 6 Monaten weiterzahlt. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung auch des Bundesgerichthofs zu § 539 BGB a. F. (zuletzt: ZMR 2000, 666; zur 6-Monatsfrist: ZMR 1997, 505, 506). Den dagegen erhobenen Einwänden (z. B. Wichert ZMR 2000, 65 ff.) vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Die genannte Rechtsprechung ist nach Inkrafttreten des Mietrechtsreformgesetzes zum 1.9.2001 auch bei der Anwendung des § 536 b BGB zu berücksichtigen (a. A. Wichert ZMR 2001, 262f). Dem Gesetzeswortlaut ist eine inhaltliche Änderung gegenüber § 539 BGB nicht zu entnehmen. Der Senat sieht sich auch nicht durch die Begründung des Regierungsentwurfes (zu § 536 b Entwurf, abgedruckt in NZM 2000, 802, 812) zum Mietrechtsreformgesetz an der Übernahme der Rechtsprechung zu § 539 BGB a. F. gehindert. Es ist nicht davon auszugehen, dass sich in der Begründung der Wille des Gesetzgebers hinreichend dokumentiert (der ursprüngliche Referentenentwurf enthielt ebensowenig eine gesonderte Begründung zu § 536 b BGB Entwurf – abgedruckt bei: Lützenkirchen Neue Mietrechtspraxis, Rn. 1134/1135 – wie die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses – Bundestagsdrucksache 14/5663 vom 27.3.2001 –, die Stellungnahme des Bundesrates – abgedruckt: W&M 2000, 652 – und die Gegenäußerung der Bundesregierung – abgedruckt: W&M 2000, 661), da sie von unzutreffenden Voraussetzungen ausgeht. § 545 BGB a. F. (= § 536 c BGB) behandelt den Fall, dass ein vorhandener Mangel dem Vermieter nicht angezeigt wird. § 814 BGB ist lediglich einschlägig, wenn der Mieter infolge der automatischen Minderung des Mietzinses die zuviel gezahlten Beträge trotz Kenntnis des Mangels zurückverlangt. Im Übrigen enthält § 536 b BGB nur eine Regelung über die Kenntnis bei Vertragsschluss, wie sie in ähnlicher Form auch die §§ 464, 640 Abs. 2 BGB vorsehen. Beim Kauf- und Werkvertrag handelt es sich um Austauschverträge, bei denen sich die Leistungspflichten mit dem einmaligem Austausch der Leistungen erschöpfen. Dies trägt den Anforderungen an die Durchführung eines Dauerschuldverhältnisses nicht hinreichend Rechnung. Bei einem Mietvertrag ist davon auszugehen, dass der Fall des nachträglich auftretenden Mangels häufiger vorkommt, als der im Gesetz geregelte Fall (vgl. MK – Voelskov BGB, 3. Aufl., § 539, Rn. 5). Da auch das Rechtsinstitut der Verwirkung nicht im Gesetz geregelt ist, liegt eine Regelungslücke vor, die mit einer interessengerechten Lösung zu schließen ist, zumal in der Begründung der Bundesregierung ausdrücklich ausgeführt wird, dass auf die Regelung der nachträglichen Kenntnis verzichtet worden ist. Die analoge Anwendung des § 539 BGB a. F. war ganz herrschende Ansicht in Rechtsprechung und Literatur, sodass i. d. R. in neueren Entscheidungen lediglich auf ältere Urteile Bezug genommen wurde (BGH ZMR 2000, 666; BGH ZMR 1997, 505; BGH NJW-RR 1992, 267; BGH NJW 1974, 2233; BGH WM 1967, 850; BGH ZMR 1961, 358). In der zuletzt genannten Entscheidung nimmt der Bundesgerichtshof Bezug auf eine Entscheidung des Reichsgerichts vom 15.6.1936 (JW 1936, 2706), die als Ausgangspunkt der Rechtsprechung angesehen werden kann. Das Reichsgericht führt aus:

Der Mieter oder Pächter, de...

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