Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausschluss aus einer Wohnungsgenossenschaft

 

Leitsatz (amtlich)

1. Sind nach Satzung, Nutzungsverträgen und gelebter Praxis die Sphären der Mitgliedschaft in einer Genossenschaft einerseits und der Nutzung an Genossenschaftswohnungen andererseits nur lose miteinander verknüpft, kann ein Genosse wegen Nichtnutzung der ihm überlassenen Genossenschaftswohnung nicht aus der Genossenschaft ausgeschlossen werden. Der Genossenschaft ist es vielmehr zuzumuten, den Weg zur Beendigung des Nutzungsverhältnisses nach den Regelungen des Nutzungsvertrags und der gesetzlichen Bestimmungen zu gehen.

2. Eine Regelung in der Satzung der Genossenschaft, wonach ein Ausschließungsgrund vorliegt, wenn ein Mitglied der Genossenschaft unbekannt verzogen oder sein Aufenthalt länger als ein Jahr unbekannt ist, rechtfertigt den Ausschluss auch dann, wenn der einzelne Genosse (über Dritte) erreichbar ist.

3. Im Lichte der §§ 30 ff GenG, wonach die Genossenschaften eine Mitgliederliste mit aktueller Anschrift der Mitglieder zu führen haben, Dritten ein Einsichtsrecht zusteht und dem Register zumindest ein beschränkt öffentlicher Charakter zukommt, und im Hinblick auf das entsprechend zu wertende Personengesellschaftsrecht, in dem jedem Gesellschafter das Recht auf Kenntnis seiner Mitgesellschafter zusteht, besteht auch wegen der persönlichen Verbundenheit der einzelnen Genossen ein Anspruch der Genossenschaft gegen den einzelnen Genossen auf Nennung der aktuellen Anschrift.

 

Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 12.02.2015; Aktenzeichen 12 HK O 15467/14)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG München I vom 12.2.2015 (Az.: 12 HK O 15467/14) wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Dieses Urteil und das angegriffene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

 

Gründe

A. Die Parteien streiten um den Ausschluss des Klägers aus der Beklagten.

Die Beklagte ist eine eingetragene Wohnungsgenossenschaft. Der Kläger ist seit den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts Mitglied der Beklagten und bewohnte seit dieser Zeit aufgrund eines Nutzungsvertrages zwischen den Parteien auch eine genossenschaftliche Wohnung. Diese Wohnung nutzte der Kläger mindestens ab dem 3.5.2012 bis ins Jahr 2015 nicht. Er war nicht dort gemeldet und seine aktuelle Adresse war der Beklagten nicht bekannt. Der Kläger hat nach diesbezüglicher Rügen seitens der Beklagten zunächst seinem Bruder und später auch seinem nunmehrigen Prozessbevollmächtigen Postempfangsvollmacht erteilt.

Die Satzung der Beklagten hat auszugsweise den folgenden Wortlaut.

§ 2 Zweck und Gegenstand der Genossenschaft. (1) Zweck der Genossenschaft ist die Förderung ihrer Mitglieder vorrangig durch eine gute, sichere und sozial verantwortbare Wohnungsversorgung.

§ 11 Ausschließung eines Mitglieds. (1) Ein Mitglied kann zum Schluss des Geschäftsjahrs aus der Genossenschaft ausgeschlossen werden,... b) wenn es trotz schriftlicher Aufforderung unter Androhung des Ausschlusses den satzungsmäßigen oder sonstigen Verpflichtungen nicht nachkommt. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Gefahr einer erheblichen Beeinträchtigung der Genossenschaft besteht ... d) wenn es unbekannt verzogen oder sein Aufenthalt länger als ein Jahr unbekannt ist ... (2) Der Ausschluss erfolgt durch Beschluss des Vorstandes ... (4) Das ausgeschlossene Mitglied kann innerhalb eines Monats nach Zugang des Ausschließungsbeschlusses ... gegen den Ausschluss Berufung einlegen. Über die Berufung entscheidet der Aufsichtsrat.

§ 14 Wohnliche Versorgung der Mitglieder. (1) Die Nutzung einer Genossenschaftswohnung ... stehen ... in erster Linie Mitgliedern der Genossenschaft zu. (2) Ein Anspruch des einzelnen Mitglieds kann aus dieser Bestimmung nicht abgeleitet werden.

§ 16 Pflichten der Mitglieder ... (2) Das Mitglied hat bei der Erfüllung von Pflichten und der Wahrnehmung von Rechten aus den abgeschlossenen Verträgen die Belange der Gesamtheit der Mitglieder im Rahmen der genossenschaftlichen Treuepflicht angemessen zu berücksichtigen.

Der Nutzungsvertrag zwischen den Parteien hat auszugsweise den folgenden Wortlaut:

Ziffer 9 Beendigung des Nutzungsverhältnisses durch Ausscheiden aus der Genossenschaft. (1) Das Recht zur Nutzung der Genossenschaftswohnung ist an die Mitgliedschaft bei der Genossenschaft gebunden. Scheidet ein Mitglied bei Lebzeiten aus der Genossenschaft aus, so ist die Genossenschaft berechtigt, das Nutzungsverhältnis zum nächstmöglichen Termin unter Beachtung der §§ 565 und 565a BGB zu kündigen.

Ziffer 10 Kündigung des Vertrages. (1) Ohne Rücksicht auf die Mitgliedschaft kann der Vertrag von beiden Vertragspartnern bis zum dritten Werktag eines Kalendermonats für den Ablauf des übernächsten Kalendermonats schriftlich gekündigt werden. Im Übrigen richtet sich das Kündigungsrecht der Genossenschaft nach den gesetzlichen Bestimmungen.

Am 1.7.2013 beschloss der Vorstand d...

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