Leitsatz (amtlich)

Ein sachverständiges Aufsichtsratsmitglied i.S.v. § 100 Abs. 5 AktG muss zwar fachlich in der Lage sein, die vom Vorstand gegebenen Informationen kritisch zu hinterfragen, hierzu ist es aber nicht erforderlich, dass er seine Kenntnisse in Rechnungslegung oder Abschlussprüfung durch eine schwerpunktmäßige Tätigkeit in einer dieser Bereiche erlangt haben muss.

 

Verfahrensgang

LG München I (Aktenzeichen 5 HKO 15312/09)

 

Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Berufung durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Hierzu wird bis zum 20.5.2010 Gelegenheit zur Äußerung gegeben.

 

Gründe

Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg.

Das Urteil des LG München I beruht nicht auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO). Die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen keine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO). Die weiteren Voraussetzungen nach § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 ZPO sind gegeben.

I. Das LG hat zutreffend einen Verstoß gegen § 100 Abs. 5 AktG bei der Wahl von Herrn Dr. W. in den Aufsichtsrat verneint, da dieser die vom Gesetz geforderten persönlichen Voraussetzungen für die Wahl erfüllt. Nach § 100 Abs. 5 AktG muss bei Gesellschaften i.S.d. § 264b HGB mindestens ein unabhängiges Mitglied des Aufsichtsrats über Sachverstand auf den Gebieten Rechnungslegung oder Abschlussprüfung verfügen. Es ist unstreitig, dass Herr Dr. W. über die vom Gesetz geforderte Unabhängigkeit verfügt. Die Klägerin macht ausschließlich geltend, dass er den erforderlichen Sachverstand nicht vorweisen kann.

Hinsichtlich des erforderlichen Sachverstandes ist § 100 Abs. 5 AktG lediglich zu entnehmen, dass dieser auf den Gebieten der Rechnungslegung oder Abschlussprüfung vorhanden sein muss. Auf welche Weise dieser erworben worden ist oder wie dieser nachzuweisen ist, ist im Gesetz nicht näher geregelt. Auch Art. 41 der Richtlinie 2000/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.5.2006 (Amtsblatt Nr. L 157 vom 9.6.2006, S. 87 - 107), auf dem § 100 Abs. 5 AktG beruht, enthält hierzu keine weiteren Hinweise. Die Frage, welche Anforderungen an den nachzuweisenden Sachverstand zu stellen sind, ist daher im Wege der Auslegung vorrangig nach dem Zweck der Vorschrift zu ermitteln. Maßgebend sind die Erwägungsgründe der Richtlinie 2006/43/EG.

Nach Ziff. 24 dieser Erwägungsgründe sollen die Prüfungsausschüsse und ein wirksames internes Kontrollsystem dazu beitragen, finanzielle und betriebliche Risiken sowie das Risiko von Vorschriftenverstößen auf ein Mindestmaß zu begrenzen und die Qualität der Rechnungslegung zu verbessern. Hieran anschließend besteht nach Art. 41 Abs. 2 der Richtlinie die Aufgabe des Prüfungsausschusses u.a. darin, den Rechnungslegungsprozess, die Wirksamkeit des internen Kontrollsystems, ggf. des internen Revisionssystems, des Risikomanagementssystems des Unternehmens sowie die Abschlussprüfung des Jahres- und des konsolidierten Abschlusses zu überwachen und die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers oder der Prüfungsgesellschaft, insb. die von diesen für das geprüfte Unternehmen erbrachten zusätzlichen Leistungen, zu überprüfen und zu überwachen.

Nach Art. 41 Abs. 4 hat der Abschlussprüfer oder die Prüfungsgesellschaft den Prüfungsausschuss über die wichtigsten bei der Abschlussprüfung gewonnen Erkenntnisse, insb. über wesentliche Schwächen bei der internen Kontrolle des Rechnungslegungsprozesses, zu berichten.

Dementsprechend besteht nach § 107 Abs. 3 Satz 2 AktG die Aufgabe des Prüfungsausschusses in der Überwachung des Rechnungslegungsprozesses, der Wirksamkeit des internen Kontrollsytems, des Risikomanagements des Teams und des internen Revisionssystems sowie der Abschlussprüfung, hier insb. der Unabhängigkeit des Abschlussprüfers und der vom Abschlussprüfer zusätzlich erbrachten Leistungen.

An diesen zu leistenden Aufgaben ist zu messen, welche Anforderungen an den Sachverstand nach § 100 Abs. 5 AktG zu stellen sind. Auch bei der bisherigen Rechtslage wurde in der Literatur für die bestehenden Prüfungsausschüsse darauf hingewiesen, dass nach dem Corporate Governance Codex bereits jedes Aufsichtsratsmitglied über eine hinreichende "financial literacy", d.h. über Kenntnisse in und Verständnis für Fragen der Rechnungslegung und interner Kontrollverfahren, verfügen müsse und daher ein Mitglied zumindest ein "financial expert" sein müsse, d.h. darüber hinaus in diesen Bereichen besondere Erfahrungen aus einer beruflichen Tätigkeit besitzen müsse (vgl. Nonnenmacher/Pohle/von Werder, DB 2007, 2412, 2413; Habersack AG 2008, 98, 103; Fischer, Der Konzern, 2005, 67, 69).

Dies hat seinen Niederschlag in Ziff. 5.3.2 des DCGC gefunden. Danach soll der Vorsitzende des Prüfungsausschusses über besondere Kenntnisse und Erfahrungen in der Anwendung von Rechnungslegungsgrundsätzen und internen Kontrollverfahren verfügen. § 100 Abs. 5 AktG bleibt jedoch hinter Ziff. 5.3.2 DCGK zurück (Habersack, a.a.O.; Baumbach/Hopt/Merkt, HGB, 34. Aufl., § 324 Rz. 8). Zwar dürfte die Formulierung "besondere Kenn...

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