Leitsatz (amtlich)

Ob ein über das in § 14 Nr. 1 WEG bezeichnete Maß hinausgehender Nachteil vorliegt, ist anhand aller Umstände des Einzelfalles zu beurteilen. Die Verringerung der nutzbaren Breite einer Treppe durch den Einbau eines Treppenschutzliftes unter die von Art. 35 Abs. 5 BayBO i.V.m. der maßgeblichen DIN 18065 Ziff. 2.1 geforderte Mindestbreite kann danach einen hinnehmbaren Nachteil darstellen.

 

Normenkette

WEG § 14 Nrn. 1, 3, § 22

 

Tatbestand

Die Antragsteller und die Antragsgegner sind bzw. waren zum Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung Wohnungs- und Teileigentümer einer Wohnanlage, die aus mehreren Gebäuden besteht. Die Wohnungen der Beteiligten befinden sich sämtlich im Anwesen Stieglitzweg 3. Den Antragstellern gehören die beiden im zweiten Obergeschoss liegenden Wohnungen, die sie selbst bewohnen. Die Antragsgegnerin zu 1) ist Eigentümerin der beiden im ersten Obergeschoss befindlichen Wohnungen, von denen sie eine selbst bewohnt, die andere an eine allein stehende Person vermietet hat. Dem Antragsgegner zu 2) gehört eine der beiden Erdgeschosswohnungen, die er selbst bewohnt; die Antragsgegnerin zu 3) war Eigentümerin und Bewohnerin der zweiten Erdgeschosswohnung, die sie im Laufe des Beschwerdeverfahrens verkauft hat und die nunmehr von dem Erwerber bewohnt wird. Weitere Wohnungen sind in diesem Gebäude nicht vorhanden.

Die Antragsteller, mittlerweile 77 und 80 Jahre alt, sind beide gesundheitlich beeinträchtigt. Ausweislich eines Bescheides des Amts für Versorgung und Familienförderung vom 21.7.2004 wurde beim Antragsteller ein Grad der Behinderung i.S.v. § 2 SGB IX von 80 festgestellt. In dem Bescheid ist weiter vermerkt, dass der Antragsteller die Voraussetzungen für das Merkzeichen G (Gehbehinderung) erfüllt.

Die Antragsteller beabsichtigen den Einbau eines Treppensitzliftes vom Erdgeschoss in das zweite Obergeschoss auf eigene Kosten. Sie gaben hierzu bei einem öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für vorbeugenden baulichen Brandschutz ein Gutachten in Auftrag, das zu dem Ergebnis kam, dass gegen den Einbau eines Treppenliftes aus brandschutztechnischer Sicht keine Bedenken bestehen.

Die Antragsteller haben, nach Erörterung der baulichen Gegebenheiten und verschiedener Alternativmaßnahmen im Termin zur mündlichen Verhandlung, soweit es für das Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Bedeutung ist, zuletzt beantragt, die Antragsgegner zur Zustimmung zu der geplanten Baumaßnahme unter Beachtung der vom Gericht für erforderlich gehaltenen Modifikationen zu verpflichten. Das AG hat den Antrag dahingehend ausgelegt, dass die Antragsgegner zur Duldung der Baumaßnahme verpflichtet werden sollen, und dem Antrag unter Auflagen stattgegeben. Mit Beschl. v. 21.4.2005 hat das LG nach Durchführung einer Beweisaufnahme auf die sofortige Beschwerde der Antragsteller, die diese mit einer nachträglichen Antragshäufung verbunden haben, die Auflagen teilweise abgeändert, einen Beweisbeschluss aufgehoben, die sofortige Beschwerde der Antragsteller im Übrigen und die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin zu 1) zur Gänze zurückgewiesen. Hiergegen richtete sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerin zu 1. Sie begehrte weiterhin, den Antrag auf Duldung abzuweisen. Das zulässige Rechtsmittel war nicht begründet.

 

Entscheidungsgründe

1. Das LG hat ausgeführt:

Die Antragsgegner seien gem. §§ 22 Abs. 1, 14 Nr. 3 WEG verpflichtet, die bauliche Veränderung des im Gemeinschaftseigentum stehenden Treppenhauses zu dulden, da nach Abwägung der beiderseitigen, grundrechtlich geschützten Interessen im konkreten Einzelfall der Einbau des Treppenliftes keinen erheblichen Nachteil für die übrigen Wohnungseigentümer darstelle.

Einer formellen Beteiligung der Bewohner der übrigen Häuser habe es nicht bedurft, da diese von der Baumaßnahme nicht betroffen seien. Andererseits habe die Veräußerung der Wohnung durch die Antragsgegnerin zu 3) während des Beschwerdeverfahrens keinen Einfluss auf deren Beteiligtenstellung, da die gegen sie ergehende Entscheidung analog § 325 Abs. 1 ZPO auch gegen ihren Rechtsnachfolger wirke.

2. Die Entscheidung des LG hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Das LG hat zu Recht entgegen § 43 Abs. 1 Nr. 1 WEG die Wohnungseigentümer der übrigen Häuser nicht an dem Verfahren beteiligt. Da der Einbau des Treppenliftes nur das Anwesen Stieglitzweg 3 betrifft und keine nach außen erkennbare optische Veränderung der Mehrhausanlage nach sich zieht, sind die Eigentümer anderer Häuser nicht zu dem betroffenen Personenkreis i.S.d. § 22 Abs. 1 S. 2 WEG zu rechnen. In zutreffender Weise ist das Beschwerdegericht auch davon ausgegangen, dass die Veräußerung des Wohnungseigentums durch die Antragsgegnerin zu 3) nach Anhängigkeit des Verfahrens auf dieses keinen Einfluss hat (vgl. BGH v. 23.8.2001 - V ZB 10/01, MDR 2001, 1283 = BGHReport 2001, 863, m. Anm. Suilmann = NJW 2001, 3339).

Nachdem die Wohnungseigentümer hier auf Duldung des Einbaus in Anspruch genommen werden, sind grundsätzlich nur d...

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