rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Handels- und Gesellschaftsrecht. Konkurrenz des Herstellers gegenüber Vertragshändler

 

Leitsatz (amtlich)

Vereinbart ein Autokonzern mit seinen Vertragshändlern den Sondervertrieb über Vertragshändler, so hat er damit ein bestimmtes Vertriebssystem verbindlich zugesagt. Er darf seinen Händlern dann auf der Absatzebene weder selbst noch durch Einschaltung einer oder mehrerer konzerneigener Vertriebsgesellschaften Konkurrenz machen. Auch wenn eine konzernabhängige Vertriebsgesellschaft denselben Vertrag wie die übrigen Vertragshändler erhalten soll, liegen die Wettbewerbsvorteile, die eine solche konzerneigene Gesellschaft gegenüber einem freien Vertragshändler hat, auf der Hand.

 

Normenkette

BGB §§ 242, 276

 

Verfahrensgang

LG Köln (Aktenzeichen 83 O 53/00)

 

Tenor

Auf die Berufung der Verfügungsklägerinnen wird das am 11. Juli 2000 verkündete Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln – 83 O 53/00 – abgeändert.

Der Beklagten wird es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu zahlenden Ordnungsgeldes, ersatzweise Ordnungshaft, untersagt, im Gebiet der Stadt W., insbesondere in W. V., an Endverbraucher neue Chrysler/Jeep-Fahrzeuge und/oder neue Chrysler/Jeep-Ersatzteile über die DaimlerChrysler-Niederlassung W. oder eine eigene Niederlassung und/oder über die Chrysler Deutschland Beteiligungs- und Verwaltungsgesellschaft mbH und/oder andere Tochtergesellschaften der DaimlerChrysler AG oder der Beklagten zu vertreiben oder vertreiben zu lassen.

Die Kosten beider Rechtzüge trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

 

Gründe

Die zulässige Berufung der Verfügungsklägerinnen hat auch in der Sache Erfolg.

I.

Die Verfügungsklägerinnen haben glaubhaft gemacht, dass ihnen gegen die Verfügungsbeklagte der im Tenor bezeichnete Anspruch auf Unterlassung zusteht. Denn die Einrichtung einer Niederlassung in W. oder der Vertrieb in W. über eine konzerneigene Vertriebsgesellschaft verstößt gegen § 4 des Direkt-Händlervertrages und die sich aus dem Vertrag allgemein ergebenden Treuepflichten der Verfügungsbeklagten (§ 242 BGB).

1.

Die Verfügungsbeklagte hat mit den Verfügungsklägerinnen in den Direkt-Händlerverträgen vereinbart, dass der Vertrieb von CHRYSLER-Erzeugnissen grundsätzlich nur über Vertragshändler erfolgt. Von diesem Direktvertriebsverbots sind bestimmte Ausnahmen vorgesehen, die aber hier – unstreitig – nicht einschlägig sind.

2.

Mit dieser Vereinbarung hat sich die Verfügungsbeklagte auf den Vertrieb durch Direkthändler festgelegt und sich selbst ein Direktvertriebsverbot auferlegt. Sie hat damit den Verfügungsklägerinnen nicht nur – allein oder mit einem weiteren Händler – ein Alleinvertretungsrecht für einen bestimmten Bezirk eingeräumt, sondern auch eine bestimmte Vertriebsstruktur vereinbart. Wenn es in § 4 heisst: „Der Vertrieb erfolgt … nur über Chrysler-Vertragshändler”, so bedeutet das eine klare Aussage für das Vertragshändlersystem und verbietet der Verfügungsbeklagten, ihren Vertragshändlern auf der Absatzstufe Konkurrenz zu machen. Das bestätigt auch die Regelung in § 18.1 des Vertrages zur Strukturkündigung. Danach ist die Beklagte berechtigt, den Vertrag unter Einhaltung einer Frist von mindestens einem Jahr zu kündigen, falls sich die Notwendigkeit ergibt, das Vertriebsnetz insgesamt oder zu einem wesentlichen Teil umzustrukturieren. Im übrigen bleibt sie aber verpflichtet, das in § 4 als „Sondervertrieb” bezeichnete Vertriebssystem bis zum Wirksamwerden der Kündigung aufrechtzuerhalten.

3.

Die Verfügungsklägerinnen sind durch die beabsichtigte Vorgehensweise der Verfügungsbeklagten auch in ihren Rechten aus dem Händlervertrag beeinträchtigt. Eine solche Beeinträchtigung ist nämlich nicht nur dann gegeben, wenn ein Unternehmer seinen Vertragshändlern in ihrem eigenen Vertragsgebiet Konkurrenz macht, sondern auch dann, wenn er in unmittelbarer Nachbarschaft auf der Absatzebene tätig wird. Eine Beeinträchtigung der Kläger zu 1), 2) und 4) scheitert deshalb nicht schon an der räumlichen Entfernung ihrer Betriebe zu dem beabsichtigten neuen Vertrieb in W. (V.). Entfernungen von D., B. und E., die nach den eigenen Darlegungen der Verfügungsbeklagten 20 bis 30 Autominuten betragen, ein Durchschnittskunde in Kauf nehmen, wenn er hierfür beim Neuwagenkauf einen erheblich günstigeren Preis erzielen oder bessere Konditionen erhalten kann. Indem die Verfügungsbeklagte unter Verstoß gegen die vereinbarte Sondervertriebsform eine bessere Marktstellung erreicht als jeder konzernunabhängige Vertriebshändler, konkurriert sie in dem Ballungsgebiet zwischen D., W., B. und E. mit allen Verfügungsklägerinnen. Hierfür spielen die Grenzen der einzelnen Vertragsgebiete keine entscheidende Rolle. Die Verfügungsbeklagte muss sich vielmehr wie ein Hersteller behandeln lassen, der seinem Vertragshändler, dem ein Alleinvertriebsrecht nicht eingeräumt worden ist, auf der Absatzebene...

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