Entscheidungsstichwort (Thema)

Konkludenter Mietvertag durch Übergabe des Mietobjekts an den Mieter - Abgrenzung zwischen Gewerberaummiete und Wohnraummiete

 

Leitsatz (amtlich)

1. Scheitern die Verhandlungen über den Abschluss eines beabsichtigten langfristigen Mietvertrages, kann ein konkludentes Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit in Betracht kommen, wenn das Mietobjekt dem Mieter schon vorab zur Nutzung übergeben wurde.

2. Für die Abgrenzung zwischen einem Mietverhältnis über Wohnraum und einem gewerblichen Mietvertrag kommt es bei einer gemischten Nutzung des Objekts darauf an, welche Art der Nutzung im Vordergrund steht. Entscheidend sind dabei die vertraglichen Regelungen und die Vorstellungen der Beteiligten bei Abschluss des Vertrages; ob der Mieter von einer vertraglich vorgesehenen gewerblichen Nutzung tatsächlich Gebrauch macht, ist für die Qualifizierung des Vertrages hingegen ohne Bedeutung.

 

Normenkette

BGB §§ 535, 549 Abs. 1, §§ 550, 580a Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Konstanz (Urteil vom 20.12.2011; Aktenzeichen 4 O 215/11 Me)

 

Tenor

Der Senat erwägt, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Konstanz vom 20.12.2011 - 4 O 215/11 Me - durch Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Die Parteien erhalten vorher Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen.

 

Gründe

I. Der Kläger und die beiden Beklagten verhandelten im Laufe des Jahres 2010 über einen Miet- oder Pachtvertrag hinsichtlich des Anwesens E. in H.. Das Grundstück hat eine Fläche von etwa 6.000 m2. Es ist mit einem Wohnhaus bebaut. Außerdem befinden sich auf dem Grundstück Nebengebäude (altes Sägewerk), die gewerblich genutzt werden können. Zudem gibt es größere Abstellflächen, für die eine gewerbliche Nutzung möglich ist. Die Parteien wollten einen Vertrag abschließen, welcher den Beklagten eine Nutzung des Grundstücks bis zum Jahr 2025 sichern sollte. Es waren auf dem Grundstück erhebliche Investitionen erforderlich, die im Wesentlichen von den Beklagten getätigt werden sollten. Die Parteien beabsichtigten einen schriftlichen Vertrag, in welchem u.a. die Nutzungsdauer, die erforderlichen Investitionen und die Frage eines eventuellen Wertausgleichs zugunsten der Beklagten bei einem vorzeitigen Ende des Miet- bzw. Pachtvertrages geregelt werden sollten.

Die Beklagten waren im Herbst 2010 an einem zügigen Beginn des Vertragsverhältnisses interessiert. Am 15.9.2010 wurde den Beklagten das Anwesen übergeben. Sie zogen in das Wohnhaus ein. In der Folgezeit bezahlten die Beklagten regelmäßig die vorgesehene Miete bzw. Pacht i.H.v. monatlich 680 EUR einschließlich 30 EUR Nebenkosten. Außerdem bezahlten die Beklagten eine Kaution i.H.v. 2.000 EUR.

Die Parteien verhandelten in der Folgezeit weiter über den Inhalt des beabsichtigten schriftlichen Vertrages. Es kam zu drei verschiedenen Vertragsentwürfen (Anlage K 1, Anlage K 3 und Anlage K 4). Keiner dieser Entwürfe wurde von den Parteien unterzeichnet.

Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 2.3.2011 (Anlage K 5) forderte der Kläger die Beklagten zur Herausgabe des Anwesens E. in H. spätestens bis zum 31.3.2011 auf. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers erklärte in diesem Schreiben, er gehe davon aus, dass zwischen den Parteien ein Pachtvertrag zustande gekommen sei. Diesen kündige er außerordentlich fristlos wegen verschiedener Pflichtverletzungen der Beklagten. Hilfsweise kündige er das Pachtverhältnis ordentlich zum 15.9.2011, höchsthilfsweise zum 31.12.2011. Das Anwesen wurde von den Beklagten bisher nicht herausgegeben.

Im Verfahren vor dem LG hat der Kläger Räumung und Herausgabe des Anwesens E. in H. von den Beklagten verlangt. Die Beklagten sind der Klage entgegengetreten. Zum einen sei davon auszugehen, dass das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien bis zum 15.9.2025 "garantiert" sein sollte, so dass eine frühere Kündigung nicht zulässig sei. Auf den Umstand, dass die schriftlichen Vertragsentwürfe nicht unterschrieben worden seien, komme es nicht an. Die Beklagten hätten keine vertraglichen Pflichten gegenüber dem Kläger verletzt. Zum anderen handele es sich um einen Mietvertrag über Wohnräume, so dass eine Kündigung ohne berechtigtes Interesse des Klägers nicht möglich sei. Hilfsweise haben sich die Beklagten auf ein Zurückbehaltungsrecht berufen. Im Vertrauen auf ein langfristiges Vertragsverhältnis hätten sie Aufwendungen i.H.v. insgesamt 53.000 EUR für Instandsetzungen der Gebäude auf dem Grundstück erbracht. Diese Aufwendungen seien vom Kläger zu erstatten.

Das LG hat die Beklagten gesamtschuldnerisch zur Räumung und Herausgabe verurteilt. Es liege ein Mietverhältnis über ein gewerblich genutztes Grundstück vor, da die gewerbliche Nutzung des Grundstücks im Vordergrund gestanden habe. Daher sei die Kündigung des Mietverhältnisses auch ohne ein berechtigtes Interesse des Klägers wirksam. Auf eine längere Vertragslaufzeit könnten sich die Beklagten nicht berufen, da es an einer schriftlichen Vereinbarung fehle. Ein Zurückbehaltungsrecht stehe den Beklagten gegenübe...

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