Leitsatz (amtlich)

1. Art. 240 §§ 1-7 EGBGB lassen die Pflicht des gewerblichen Mieters zur Entrichtung der Miete nicht entfallen.

2. Die Covid-19-Pandemie führt - vorbehaltlich besonderer vertraglicher Vereinbarungen - nicht zu einer Minderung der Miete nach § 536 BGB.

3. Ebenso begründet diese Pandemie keine vorübergehende Nichtigkeit des Mietvertrages nach § 134 BGB.

4. Der Anspruch des Vermieters auf Zahlung der Miete entfällt infolge der Pandemie weiter auch nicht nach §§ 326 Abs. 1, 275 BGB. Der Vermieter schuldet grundsätzlich nur die Überlassung des Mietobjekts in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand. Die Erfüllung dieser Leistung wurde durch die gesetzlichen und tatsächlichen Covid-19-Beschränkungen nicht unmöglich.

5. Die Beschränkungen der Covid-19-Pandemie können jedoch nach § 313 BGB ein Recht zur Anpassung des Mietvertrages nach den Grundsätzen über die Störung der Geschäftsgrundlage begründen. Erforderlich ist aber, dass das pandemiebedingte Risiko nach dem Mietvertrag nicht einer Vertragspartei (allein) zugewiesen ist und das Festhalten an den vereinbarten Regelungen zumindest für eine Partei zu einem nicht mehr tragbaren Ergebnis führt. Letzteres wird nicht vermutet, sondern ist konkret darzulegen und aufgrund einer umfassenden Interessenabwägung festzustellen. Die Annahme einer "pauschalen Mietreduzierung" um 50 % aufgrund der Pandemie ist damit nicht vereinbar (in Abweichung zu OLG Dresden, Urt. v. 24.02.2021 - 5 U 1782/20 -, ZMR 2021, 476 ff., KG Berlin, Urt. v. 01.04. 2021 - 8 U 1099/20 -, ZMR 2021, 579 ff. und zu OLG Köln, Urt. v. 14.05.2021 - 1 U 9/21 - BeckRS 2021, 16198, Rn. 26 ff.).

 

Normenkette

BGB §§ 134, 275, 313 Abs. 1, §§ 326, 535 Abs. 2, § 536 Abs. 1; EGBGB Art. 240 §§ 1-7

 

Verfahrensgang

LG Essen (Aktenzeichen 4 O 217/20)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 09.03.2021 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Essen wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Zinsen aus 3.813,85 Euro statt seit dem 06.05.2020 erst seit dem 07.05.2020 von der Beklagten geschuldet sind.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil des Landgerichts sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des insgesamt vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung ihrerseits Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Mietzahlung aus einem gewerblichen Mietverhältnis in Anspruch.

Zwischen den Parteien bestand ein schriftlicher Mietvertrag vom 09.12.2014 über Gewerbeflächen auf dem Grundstück G01 in F. Es handelte sich um Büro- und Werkstatträume sowie eine Hoffläche. Mietzweck war der Ankauf und die Bewertung von Fahrzeugen. Die zu zahlende Miete einschließlich Nebenkostenvorauszahlung und Umsatzsteuer belief sich seit November 2019 auf insgesamt 3.813,85 EUR im Monat.

Aufgrund fristgemäßer Kündigung der Klägerin vom 17.09.2020 ist das Mietverhältnis zum 31.03.2021 beendet und das Mietobjekt von der Beklagten inzwischen auch geräumt worden.

Der Mietvertrag wurde ursprünglich zwischen der C GmbH und & Co. KG auf Vermieterseite und der X Holding GmbH auf Mieterseite abgeschlossen. Die X Holding GmbH hat sich im Jahre 2015 zunächst in die B GmbH umfirmiert. Im Jahr 2020 hat sie sich in die B AG und nunmehr in die B SE umgewandelt.

Die Klägerin ist im Jahre 2017 durch Eigentumserwerb des Grundstückes in das Mietverhältnis auf Vermieterseite eingetreten.

In dem Zeitraum vom 18.03.2020 bis zum 20.04.2020 waren die Geschäftsräume aufgrund der Corona-Schutzverordnung des Landes NRW geschlossen. Für die Monate April bis einschließlich Juni 2020 leistete die Beklagte vor diesem Hintergrund keine Mietzahlungen mehr. Es entstand hiernach rechnerisch ein Zahlungsrückstand von 11.441,55 EUR.

Nachdem die Zahlung der April-Miete ausgeblieben war, mahnte die Klägerin die Zahlung dieser Miete an und berechnete Mahnkosten in Höhe von 5,00 EUR.

Mit Schreiben vom 29.06.2020 forderte die Klägerin die Beklagte schließlich auf, den Zahlungsrückstand insgesamt auszugleichen, und zwar unter Fristsetzung bis zum 13.07.2020. Zugleich verlangte sie die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten binnen dieser Frist.

Gegenstand der Klage ist nunmehr die rückständige Miete nebst Zinsen und Mahnkosten. Ferner begehrt die Klägerin die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen.

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, dass die Beklagte zur vollständigen Mietzahlung im streitgegenständlichen Zeitraum verpflichtet gewesen sei.

Nicht etwa sei die Miete aufgrund behördlicher Geschäftsschließung gemindert. Denn öffentlich-rechtliche Gebrauchshindernisse bzw. -beschränkungen begründeten nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur dann einen Sachmangel, wenn sie ...

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