Leitsatz (amtlich)

Entschließt sich der Geschädigte im Rahmen der Toleranzgrenze von 130 % zur Reparatur des Fahrzeuges, dann kann er den gutachtlich ermittelten Reparaturaufwand auch dann verlangen, wenn er die Reparatur in eigener Regie durchführt, die Kosten also tatsächlich nicht anfallen. Voraussetzung ist allerdings, dass die Reparatur sach- und fachgerecht ausgeführt wird. Grundlage der Abrechnung bleiben dann die vom Sachverständigen ermittelten Kosten und nicht etwa der tatsächlich entstandene Herstellungsaufwand (entgegen OLG Hamm – 6. Zivilsenat – VRS 98, 64, 65).

 

Normenkette

BGB § 249

 

Verfahrensgang

LG Bielefeld (Aktenzeichen 2 O 11/00)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels i.Ü. das am 1.6.2001 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des LG Bielefeld abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einschl. der landgerichtlichen Verurteilung 8.500 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 19.10.1999 zu zahlen.

Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des ersten Rechtszuges tragen die Klägerin 53 % und der Beklagte 47 %.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin 74 % und der Beklagte 26 %.

Es beschwert den Beklagten i.H.v. 3.500 DM und die Klägerin um 9.714,26 DM.

 

Gründe

I. Die Klägerin verlangt Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall vom 28.9.1999, für den der beklagte Versicherer unstreitig in vollem Umfang eintrittspflichtig ist.

Das Fahrzeug der Klägerin, ein Mercedes E 300 TD in AMG-Ausstattung, erlitt bei dem Unfall einen schweren linksseitigen Streifanstoß, bei dem der gesamte Vorderwagen rechts abgeknickt wurde. Der Sachverständige B. ermittelte den Reparaturkostenaufwand auf 47.114,26 DM, die Wertminderung auf 4.000 DM, den Wiederbeschaffungswert auf 79.900 DM und den Restwert auf 27.000 DM. Die Klägerin ließ das Fahrzeug in der Zeit vom 14.10. bis zum 4.11.1999 in der Karrosseriewerkstatt S. reparieren. Einzelheiten der Reparatur, insb. die Höhe der Reparaturkosten sind nicht bekannt bzw. von der Klägerin nicht mitgeteilt. Das Fahrzeug wurde dann weiter benutzt. Am 4.1.2000 ereignete sich ein weiterer Unfall, der nach Angaben des Kfz-Meisters C. Reparaturkosten i.H.v. ca. 9.000 DM erforderlich machte. Der Wagen hatte nach dem ersten Unfall bis zum zweiten Unfall ca. 10.000 km zurückgelegt. Ende Januar nach Durchführung der zweiten Reparatur wurde das Fahrzeug veräußert.

Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin nach gutachterlich ermitteltem Reparaturaufwand oder nur nach dem Wiederbeschaffungsaufwand abrechnen kann.

Der Beklagte hält den Restwert von 27.000 DM für zu niedrig und gibt einen Restwert von 47.000 DM an. Demgemäß hat der Beklagte bei seiner Abrechnung für das Fahrzeug nur einen Betrag von (Wiederbeschaffungswert i.H.v. 79.900 DM abzgl. Restwert i.H.v. 47.000 DM =) 32.900 DM zugrunde gelegt.

Die Klägerin verlangt mit der Klage (Reparaturkosten i.H.v. 47.114,26 DM sowie Wertminderung i.H.v. 4.000 DM abzgl. Zahlung des Beklagten i.H.v. 32.900 DM =) 18.214,26 DM.

Das LG hat nach Sachverständigenbeweis einen Restwert von 42.000 DM zugrunde gelegt und weitere 5.000 DM zugesprochen. Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die ihren ursprünglichen Zahlungsantrag weiter verfolgt.

II. Die Berufung ist zum Teil begründet.

Die Klägerin kann über den vom Beklagten gezahlten Betrag i.H.v. 32.900 DM weitere 8.500 DM verlangen.

1. Gemäß § 249 S. 1 BGB kann der Geschädigte Wiederherstellung des früheren Zustandes verlangen. Dieser frühere Zustand kann sowohl durch Ersatzbeschaffung als auch durch Reparatur wiederhergestellt werden. Der Geschädigte kann die Schadensbehebung selbst in die Hand nehmen und gem. § 249 S. 2 BGB vom Schädiger statt der Wiederherstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag ersetzt verlangen. Grundsätzlich ist der Geschädigte gehalten, die wirtschaftlich günstigste Alternative (Wirtschaftlichkeitspostulat) zu wählen. Das bedeutet, dass Reparaturaufwand (Reparaturkosten und Minderwert) mit dem Wiederbeschaffungsaufwand (Wiederbeschaffungswert abzgl. Restwert) verglichen werden müssen.

Ist der vom Gutachter ermittelte Reparaturaufwand niedriger als der Wiederbeschaffungsaufwand, dann kann der Geschädigte entweder die tatsächlich entstandenen Reparaturkosten oder aber die vom Gutachter emittelten Reparaturkosten abrechnen. Ob und wie er in diesem zweiten Fall den Schaden beseitigt, bleibt ihm überlassen.

Grundsätzlich bildet der Wiederbeschaffungsaufwand die Obergrenze des zu ersetzenden Schadens. Allerdings wird das Interesse des Geschädigten, sein ihm vertrautes Fahrzeug weiter benutzen zu wollen, geschützt. Entschließt sich der Geschädigte, sein Fahrzeug weiter zu benutzen, dann wird dieses Integritätsinteresse bis zu einer Toleranzgrenze von 130 % geschützt. Bei dieser Toleranzgrenze werden die Reparaturkosten zzgl. Minderwert mit den Wiederbeschaffungskosten (ohne Berücksichtigung des Restwertes) verglichen. Liegen Reparaturkosten und Minderwert nicht mehr als 30 % über dem Wiederbeschaffungswert, dann...

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