Entscheidungsstichwort (Thema)

Verkehrssicherungspflicht des Zwangsverwalters ggü. Mieter

 

Verfahrensgang

LG Hagen (Beschluss vom 10.10.2003; Aktenzeichen 9 O 358/03)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert.

Dem Kläger wird unter Beiordnung von Rechtsanwalt S. Prozesskostenhilfe bewilligt für eine Klage mit den Anträgen,

1. den Beklagten zu verurteilen, an ihn unter Berücksichtigung eines mit 1/3 zu bemessenden Mitverschuldens ein angemessenes Schmerzensgeld nebst 5 % Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen,

2. den Beklagten ferner zu verurteilen, an ihn 1.684,73 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen,

3. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihm unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens von 1/3 sämtlichen zukünftigen immateriellen Schaden aus dem Unfall vom 3.1.2002 zu ersetzen, ferner den materiellen Schaden, soweit Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei, außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I. Der Kläger war seit 1995 Mieter einer Wohnung im Hause B.-Weg 39 in L.. Er pflegte seinen Pkw im Garagenhof dieses Hauses abzustellen. Dazu behauptet er, der Ehemann der Hauseigentümerin habe ihm diesen Platz ausdrücklich zugewiesen.

Am 5.10.2001 ordnete das AG Lüdenscheid die Zwangsverwaltung des Grundstücks an und bestellte den Beklagten zum Zwangsverwalter.

Am 3.1.2002 erlitt der Kläger einen Oberschenkelhalsbruch, für den er den Beklagten verantwortlich macht. Dieser hatte im Garagenhof keine Winterwartung veranlasst, obwohl es in der vorangegangenen Nacht zu starken Schneefällen und flächendeckender Glatteisbildung gekommen war. Der Kläger behauptet dazu, er habe seinen Hausarzt aufsuchen wollen und sei infolge der Glätte auf dem Zuweg von der hinteren Kellertreppe des Hauses zu seinem auf dem Garagenplatz abgestellten Pkw gestürzt; das sei die Ursache seiner Verletzung.

Der Beklagte bestreitet dies und macht geltend, er habe keinen öffentlichen Verkehr auf dem Hof eröffnet und diesen auch nicht zugelassen. Für den Winterdienst auf dem privaten Garagenhof sei er nicht zuständig gewesen; darum hätten sich die Garagenbenutzer gekümmert, wenn sie dies für nötig gehalten hätten.

Der Kläger will den Beklagten klageweise auf Ersatz seines materiellen und immateriellen Schadens in Anspruch nehmen. Die hierfür beantragte Prozesskostenhilfe hat ihm das LG durch den angefochtenen Beschluss verweigert. Gesetzliche Ansprüche auf Grund einer Verkehrssicherungspflichtverletzung hat es mit der Begründung verneint, derartige Pflichten bestünden auf einem Privatgrundstück nicht, wenn es nicht ausdrücklich für den öffentlichen Verkehr freigegeben worden sei; hier handele es sich um ein Privatgrundstück, das nicht allein durch die Möglichkeit des Betretens durch Unbefugte zu einem öffentlichen Grundstück werde; auf eine vertragliche Grundlage könne der Kläger sich auch nicht stützen, da er den Abstellplatz für seinen Pkw nicht angemietet habe; wenn er ihm von seinem Vertragspartner unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden sei, könne eine Nebenpflicht zur Winterwartung wegen der damit verbundenen Haftungsrisiken nicht angenommen werden.

Schließlich habe der Kläger auch seine Darstellung zum Unfallhergang nicht wirksam unter Beweis gestellt.

II. Die sofortige Beschwerde des Klägers ist zulässig und hat in der Sache überwiegend Erfolg.

Der Kläger hat jedenfalls in der Beschwerdeschrift unter Beweis gestellt, dass die benannten Zeuginnen ihn nach seinem Sturz verletzt in dem Garagenhof gefunden haben. Sollte der Beklagte dies bestreiten, so bestünde nach Bestätigung des in ihr Wissen gestellten Sachvortrags durch die Zeuginnen zumindest eine hinreichende Grundlage dafür, dass der Kläger gem. § 448 ZPO von Amts wegen zum Unfallhergang vernommen wird, sofern - je nach dem Ergebnis der Zeugenvernehmung - überhaupt noch Zweifel an der Verursachung der Unfallverletzungen durch mangelnde Winterwartung bestehen sollten. Dazu wird auf die Möglichkeit hingewiesen, hier im Wege des Anscheinsbeweises Feststellungen zu treffen (vgl. hierzu BGH v. 14.12.1993 - VI ZR 271/92, MDR 1994, 613 = VersR 1994, 324).

2. Den Beklagten als Zwangsverwalter trafen gem. §§ 152, 148 Abs. 2 ZVG die Verkehrssicherungspflichten der Hauseigentümerin (vgl. Böttcher, ZVG, 3. Aufl. 2000, § 152 Rz. 12; Stöber, ZVG, 17. Aufl. 2002, § 152 Rz. 3.7).

Die allgemeine Rechtspflicht, im Verkehr Rücksicht auf die Gefährdung anderer zu nehmen, beruht auf dem Gedanken, dass jeder, der Gefahrenquellen schafft, z.B. durch Eröffnung eines Verkehrs von Menschen auf seinem Grundstück, auch Vorkehrungen zu treffen hat, die zur Abwendung der hieraus Dritten drohenden Gefahren notwendig sind. Diese allgemeine Rechtspflicht besteht neben den Verpflichtungen, die ihm vielfach gemäß Schu...

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